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Geschäftsaufgabe

TNächster Bäcker in der Region insolvent – Lebenstraum geplatzt

Frische Brötchen, Brot und vieles mehr: Bis Ende März wollen Miroslaw Stawarz und sein Team weitermachen.

Frische Brötchen, Brot und vieles mehr: Bis Ende März wollen Miroslaw Stawarz und sein Team weitermachen. Foto: Schoener

Ende März ist Schluss: Miroslaw Stawarz kann nicht mehr, es fließen Tränen. Wieder verschwindet eine Bäckerei im Stader Nachbarkreis. Die finanziellen Sorgen sind es nicht allein, die zum Aus führen.

Von Andreas Schoener Donnerstag, 22.02.2024, 15:50 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Die Geschichte der kleinen Bäckerei in Köhlen (Kreis Cuxhaven) ist eine wechselvolle: Am 1. August 2019 übernahm Miroslaw Stawarz den Traditionsbetrieb von Ulrich Hoops, der sich in den Ruhestand zurückgezogen hatte. „Die Geschäfte liefen gut“, sagt der Vater von vier Kindern, der als einer von zehn Berufskollegen in der Region noch selbst backt. „Viele Kunden haben mir immer wieder gesagt, wie froh sie sind, dass ein Bäcker im Ort ist.“

Filiale in Neuenwalde nach knapp anderthalb Jahren geschlossen

Davon ermutigt, eröffnete Stawarz im Dezember 2020 eine Filiale in Neuenwalde. Doch dann kam Corona. Die Auflagen stiegen, die Umsätze brachen ein. Im Frühjahr 2022 war Schluss in Neuenwalde. Auch den Einsatz des mobilen Bäckerwagens, der in Drangstedt unterwegs war, habe er aus Gründen der Wirtschaftlichkeit einstellen müssen. Stawarz entließ zwei fest angestellte Bäcker in Köhlen, zwei Verkäuferinnen in Neuenwalde sowie vier 450-Euro-Kräfte - und meldete Insolvenz an.

Erste Insolvenz noch relativ gut überstanden

Den Betrieb in Köhlen führte er - unterstützt durch Insolvenzverwalter Jan Antholz - als GmbH mit seiner Lebensgefährtin in der Geschäftsführung weiter. Erfolgreich. Stawarz baute sich Oktober 2022 mit einem Imbiss in den Räumen an der Geestensether Straße in Köhlen ein zweites Standbein auf. Die Zeichen standen auf Hoffnung.

„Jetzt geht es nicht mehr“, sagt der 42-Jährige, „die finanziellen Probleme sind zu groß geworden.“ Tränen stehen in seinen Augen. „Ich liebe dieses Handwerk, habe 16 Stunden pro Tag gearbeitet.“ Es mache ihn glücklich, wenn Kunden zufrieden seien. Doch die allgemeinen Preissteigerungen hätten ihm jetzt das wirtschaftliche Genick gebrochen.

Nachzahlung von 9000 Euro für Strom fällig

Als er die Bäckerei von Ulrich Hoops übernahm, hätte das Mehl noch 38 Cent pro Kilogramm gekostet, heute seien es 80 Cent. Dann sei der Mindestlohn stetig angehoben worden - zuletzt auf 12,41 Euro. „Auch die Energiekosten sind in die Höhe geschnellt“, sagt Stawarz und spricht von einer Stromnachzahlung für das vergangene Jahr in Höhe von 9000 Euro. Die Rohstoffe, mit denen er seine Backwaren selbst produziert, hätten sich seit des Ukraine-Kriegs ebenfalls enorm verteuert. „Das habe ich bereits auf die Preise für meine Kunden umgelegt“, sagt der Bäckermeister. „Aber solche Preissteigerungen werden eines Tages von der Kundschaft nicht mehr akzeptiert.“

Wasser läuft durchs Dach, Schimmel im Keller

Doch das ist es nicht allein, was Stawarz finanziell den Hals zuschnürt. Die Anschaffung neuer Maschinen - alte gaben zwischenzeitlich ihren Geist auf - und eine Sanierung des Gebäudes kommen perspektivisch noch auf den Unternehmer zu. „Ich habe bereits alte Fenster erneuert“, sagt er, „aber durch das Dach der Backstube läuft an mehreren Stellen das Wasser.“

An einigen Wänden im Keller habe sich Schimmel gebildet - nur ein Kritikpunkt des Gewerbeaufsichtsamtes, das ihm etliche Auflagen gemacht habe. „Bäckerei-Ketten haben für solche Fälle stabile Rücklagen“, sagt Stawarz, „ich habe sie nicht mehr, ich muss eine Familie ernähren.“ Nach der Schließung Ende März wolle er sich neu aufstellen und Pläne schmieden. „Eventuell führe ich den Imbiss in Köhlen weiter.“

Gehälter der Mitarbeiter bis Ende März gesichert

Das Amtsgericht Cuxhaven hat die Hamburger Rechts- und Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Stephanie Pidun, zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. „Der Geschäftsbetrieb mit acht Mitarbeitern einschließlich Aushilfen wird derzeit fortgeführt“, erklärt die Juristin. „Ich verschaffe mir aktuell gemeinsam mit der Geschäftsführung einen Überblick über die wirtschaftliche Situation des Betriebes. Die Gehälter der Mitarbeiter sind bis Ende März über das Insolvenzgeld gesichert.“

  • Kommentar von Andreas Schoener
    Die Kleinen bleiben auf der Strecke

Das Bäcker-Handwerk in der Region ist seit Jahren einem massiven Konzentrationsprozess ausgesetzt. Dr. Jan-Peter Halves, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Elbe-Weser, hat das gesagt. Und die Verbraucher spüren es. In immer mehr Ortschaften im Cuxland fehlt die kleine Bäckerei mit dem unverwechselbaren Profil. Filialen von großen Ketten dominieren. Sie bestehen auch deshalb am Markt, weil sie in höheren Stückzahlen produzieren. Teuerungen und unvorhergesehene Ausgaben können sie ganz anders ausgleichen als jene, die selbst backen und nur über eine Verkaufsstelle verfügen.

Auch wenn die erneute Insolvenz von Mirko Stawarz in Köhlen verschiedene Gründe hat - eines ist klar: Wenn Ende März die Bäckerei an der Geestensether Straße schließt, dann ist die Infrastruktur in dieser Ortschaft Geestlands ein weiteres Stück ausgedünnt. Der Kunde hat diese Entwicklung - bei allem Bemühen um den Erhalt lokaler Angebote - längst nicht mehr in der Hand.

In Zeiten allgemeiner Preissteigerungen sind viele private Geldbeutel schneller leer, als ihrem jeweiligen Inhaber lieb sein kann. Kaufentscheidungen fallen deshalb zunehmend mehr über den Preis. Die Kleinen haben auf Dauer keine Chance. Die Vielfalt bleibt auf der Strecke.

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