TNeue Datenlage: Diese tödliche Krebserkrankung gibt es sehr oft im Kreis Stade
Professor Stefan Frühauf ist Chefarzt der Klinik Dr. Hancken in Stade. Foto: Wisser
Es ist ein besonderes Zahlenwerk: Der neue Krebsatlas erfasst Krankheitsfälle bis auf die Ebene der Kommunen. Wo im Kreis Stade trifft es statistisch die meisten? Und was fällt besonders auf?
Landkreis. Das Mesotheliom zählt zu den seltenen, aber auch tödlichsten Krebsarten - und es ist im Landkreis Stade massiv überrepräsentiert. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) liegt die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei der Erkrankung nur knapp über zehn Prozent.
Bei Männern ist die Prognose schlechter als bei Frauen. Männer leiden unter dieser Krebsart auch sehr viel häufiger. 2022 erkrankten in Deutschland etwa 1000 Männer und 240 Frauen neu. In Niedersachsen gab es im vergangenen Jahr 120 Fälle bei Männern und 21 bei Frauen.
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Das schon lange verbotene Asbest ist an den meisten der Mesotheliom-Fälle schuld. „Viele der Erkrankten sind damals in der Bauwirtschaft oder auf Werften mit dem Asbest in Kontakt gekommen“, sagt Professor Stefan Frühauf. Der Chefarzt für Hämatologie und Onkologie bei der Klinik Dr. Hancken in Stade kennt diese Fälle aus seiner beruflichen Praxis. Oft hätten heute Betroffene in der Vergangenheit mit nur notdürftigem Schutz Asbest gesägt und verarbeitet.

Die krebserregende Mineralfaster Asbest steckt in vielen Baustoffen. Asbest löst immer noch tödliche Krebserkrankungen aus. Foto: IG BAU
„Ein Mesotheliom wird immer der Berufsgenossenschaft gemeldet und in der Regel auch anerkannt“, sagt Stefan Frühauf. Besonders viele Fälle im Vergleich gibt es in Jork. Dort liegt die Zahl von 146 Prozent über dem Durchschnitt in Niedersachsen. Bei den Frauen in Jork sind es nur ein Prozent über dem Landesdurchschnitt.
Die Gemeinde Drochtersen liegt mit 112 Prozent über dem Landesdurchschnitt bei Männern, Buxtehude bei 96 Prozent, Lühe bei 83 Prozent. In Neu Wulmstorf sind es 77 Prozent und Stade 29 Prozent. Solche massiven Abweichungen gibt es bei keiner anderen Krebsart im Landkreis.
Viele der Erkrankten sind damals in der Bauwirtschaft oder auf Werften mit dem Asbest in Kontakt gekommen.
Stefan Frühauf, Cherarzt Klinik Dr. Hancken
Die Daten für den neuen Krebsatlas stammen aus dem Epidemiologischen Krebsregister Niedersachsen (EKN). Das erfasst alle Krebsneuerkrankungen und Krebssterbefälle in Niedersachsen. Der Atlas zeigt die Verteilung der Krebsfälle auf der Ebene von Gemeinden.
Die Klinik Dr. Hancken aber auch die anderen Kliniken im Landkreis melden die Tumorpatienten an das Krebsregister. Erst daraus entstehen die Zahlen, als gemeinsame Anstrengung aller niedersächsischen Meldestellen.
„Der neue niedersächsische Krebsatlas ist ein Meilenstein für eine datenbasierte Gesundheitspolitik“, sagt Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Er schaffe erstmals Transparenz über regionale Unterschiede im Krebsgeschehen auf Gemeindeebene und ermögliche, Präventions- und Versorgungsangebote gezielt weiterzuentwickeln.
Der niedersächsische Atlas ist vollständig interaktiv. Die Grundlage orientiert sich am australischen Vorbild. Zufallsbedingte Schwankungen sollen so minimiert, regionale Unterschiede sichtbar werden.
30 bis 50 Jahre zwischen Kontakt und Erkrankung
Auch in Hamburg, aber besonders in Bremen und dem dortigen Umland, ist das Mesotheliom häufiger als im Rest von Norddeutschland. Die Verarbeitung von Asbest wurde 1993 in Deutschland und später in der gesamten EU generell verboten. Mit dem Rückgang der Erkrankungszahlen wird jedoch erst mit einer zeitlichen Verzögerung gerechnet, da zwischen Ausgesetztsein und dem Ausbruch 30 bis 50 Jahre liegen können.
Dazu passt, dass es Erkrankungen in einem signifikanten Ausmaß erst in der Altersgruppe der über 60-Jährigen gibt. Die meisten Erkrankten sind laut Deutschem Krebsregister jenseits der 75 Jahre. Diagnostiziert wird diese Krebsart meistens im Brustfell.
In diesen Kommunen gibt es am seltensten Krebs
Bei einer genauen Betrachtung der Krebsraten sind die Menschen in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten am seltensten im Landkreis betroffen. Die Zahl der Krebserkrankten liegt genau im Landesdurchschnitt. In den Samtgemeinden Fredenbeck und Harsefeld sowie Nordkehdingen sind es ein beziehungsweise zwei Prozent. In Drochtersen und Apensen sind es plus sieben Prozent, in Stade plus vier und in Buxtehude und Lühe plus fünf.

Ein Arzt zeigt auf ein Bild einer von Krebs befallenen Lunge. Foto: Felix H�rhager/dpa
Auffälligkeiten bei einzelnen Krebsarten gibt es in Drochtersen beim Lungenkrebs mit 22 Prozent über dem Landesdurchschnitt. In Stade (plus 2), Oldendorf-Himmelpforten (plus 5) und Nordkehdingen (plus 4) sind die Werte aber schon deutlich unauffälliger. Viele Kommunen im Landkreis haben auch erhöhte Werte bei Prostata- und Speiseröhrenkrebs (plus 17). In Stade liegen die Werte bei plus 15 und plus 17.
Starke regionale Unterschiede beim Hautkrebs
Beim Hautkrebs (Malignes Melanom) gibt es eine ansteigende Kurve zwischen Nordkehdingen und dem Südkreis. Nordkehdingen liegt bei 30 Prozent unter dem Landesdurchschnitt. In der Gemeinde Lühe und in Neu Wulmstorf sind es plus neun Prozent, in Buxtehude plus acht Prozent und in Apensen plus zwei Prozent.
„Vielleicht besuchen in stadtnahen Gebieten mehr Menschen Solarien oder fliegen im Urlaub öfter in sonnenreiche Gebiete“, vermutet Mediziner Stefan Frühauf. Beides erhöht nachweislich das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.

Medizinisches Personal untersucht mit einer Mammografie die Brust einer Frau auf Brustkrebs. Das ist im Landkreis Stade bei Frauen die häufigste Krebsart. Foto: Michael Hanschke/dpa
Insgesamt lag die Rate der Neuerkrankungen im Landkreis Stade pro 100.000 Einwohner bei 446 Fällen pro Jahr bei Männern und bei Frauen bei 369,4 Fällen pro Jahr - laut niedersächsischem Krebsregister für 2023. Die Krebsarten mit den meisten Fällen sind bei den Frauen der Brustkrebs mit einer Neuerkrankungsrate von 129,3 Fällen und bei den Männern der Prostatakrebs mit 146,3 Fällen.
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