TNeueste Zahlen: Niedersachsen ist jetzt Wolfsland Nummer eins
Dieses Wolfsbild ist in der Nähe von Drochtersen im September mit einer Wärmebildkamera aufgenommen worden. Foto: Jägerschaft
Notwendiger Schritt oder Krieg gegen den Wolf? Die Bundesregierung will den Räuber ins Jagdrecht aufnehmen. Zufrieden ist mit dem, was bisher bekannt ist, niemand.
Landkreis. In diesen Tagen entscheidet sich nach jahrelangem Ringen, wie der Umgang mit dem Wolf in Zukunft geregelt werden soll. Was jetzt in Berlin ausgehandelt wird, hat unmittelbare Konsequenzen für Niedersachsen und den Landkreis Stade.
Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium haben sich auf ein Paket zum Herdenschutz geeinigt. Der Wolf soll in das Bundesjagdgesetz aufgenommen, der Herdenschutz soll gestärkt werden. In der Konsequenz sollen für den Schutz von Weidetieren Wölfe gezielt getötet werden können.
Deichschutz: Gibt es bald wolfsfreie Zonen?
Ziel ist es, dass Bundesländer mit hoher Wolfsdichte und günstigem Erhaltungszustand ein Bestandsmanagement einführen können. Das kann bedeuten, dass Wölfe dort wie andere Wildtiere bejagt werden dürfen. Außerdem sollen dort, wo Wölfe Herdenschutz überwinden, diese rechtssicher geschossen werden können.
Wichtig für die Region: Wo Weiden nicht zumutbar mit Herdenschutzmaßnahmen geschützt werden können, wie an den Deichen, kann der Wolf zur Vermeidung von Weidetierrissen getötet werden. Schafe spielen im Deichschutz eine zentrale Rolle. Ob damit wolfsfreie Zonen an den Deichen geschaffen werden sollen, ist eine von vielen offenen Fragen.
Wölfe sind für Tierhalter überall tägliche Realität
„Unsere Weidetierhaltung ist Herzstück unserer Kulturlandschaft und prägt unsere Heimat – von den Deichen im Norden bis zu den Almen im Süden“, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU). Wo Herden grasen, sei der Wolf längst wieder da. „Für viele Tierhalter ist er kein Fabelwesen, sondern tägliche Realität. Ich nehme die Sorgen der weidehaltenden Betriebe sehr ernst – und genau deshalb handeln wir“, so Alois Rainer.

Schafe sichern den Deichschutz an der Niederelbe. Foto: Vasel
In einigen Regionen Deutschlands, so die Bundesregierung, sei präventiver Herdenschutz, zum Beispiel durch das Aufstellen von Zäunen, aufgrund der geografischen Gegebenheiten wie Hangneigung, Bodenbeschaffenheit oder Lage an Gewässern nicht möglich.
SPD-Minister Schneider: Der Wolf darf bleiben
„Der Wolf ist ein beeindruckendes Wildtier, und es tut unseren Wäldern gut, dass er hier wieder heimisch geworden ist. Doch seine Rückkehr bringt auch Herausforderungen mit sich, die wir lösen müssen“, sagt Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD). Ein perfekter Herdenschutz sei nicht immer möglich, und es gebe einzelne Wölfe, die Probleme bereiten.
Landwirtschaft
Niedersachsen fordert Tempo bei Wolfs-Gesetzen
„Ob mit dem ermöglichten Bestandsmanagement wirklich die Konflikte mit dem Wolf entschärft werden, werden wir gut im Auge behalten und alle fünf Jahre überprüfen“, sagt Minister Carsten Schneider. Der Wolf darf bleiben. Es geht nicht darum, den Wolf wieder zu vertreiben, sondern um gangbare Wege, friedlich mit ihm zu leben. Den günstigen Erhaltungszustand hatte die Bundesregierung für Deutschland mit Ausnahme der alpinen Region gegenüber der EU gemeldet.
Wolfsschützer: Vernichtungsfeldzug gegen Wolf
Welche Emotionen das Thema Wolf und die gezielte Tötung wecken, zeigt sich in der aktuellen Diskussion. „Liebe Wolfsfreunde, im Jahr 2026 wird der Krieg, der totale Vernichtungsfeldzug gegen Beutegreifer eine neue Dimension erreichen“, heißt es beim Freundeskreis freilebender Wölfe. Der Verein ist im Landkreis Stade aktiv.
„Die Hetze gegen den Wolf muss aufhören. Der Bestand des Wolfs wächst nicht mehr. Der grundlose Abschuss von Wölfen in einer Jagdzeit und die Schaffung wolfsfreier Gebiete gefährdet den Wolf und hilft niemandem“, teilt der BUND Deutschland mit.
Zahl der Wolfsterritorien stagniert erstmals
Tatsächlich ist das Monitoringjahr 2024/25 das erste Jahr seit der Rückkehr der Wölfe im Jahr 2000, in dem die Entwicklung der Wolfsterritorien stagniert. Laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf wurden in den Bundesländern insgesamt 276 Territorien bestätigt: 219 Wolfsrudel, 43 Wolfspaare und 14 territoriale Einzeltiere.

In der Regel sind Schafe - hier ist eine tote Heidschnucke zu sehen - die Opfer von Wolfsangriffen. Foto: Wisser
Niedersachsen ist inzwischen das Wolfsland Nummer eins: Die meisten Wolfsterritorien gab es 2024/25 in Niedersachsen (63) und Brandenburg (60) gefolgt von Sachsen (46), Sachsen-Anhalt (38) und Mecklenburg-Vorpommern (34).
Im November 2024 wurden in Deutschland im Monitoringjahr 2023/24 274 Territorien (209 Rudel, 46 Paare und 19 Einzeltiere) nachgewiesen. Allerdings sind diese Zahlen erst einmal mit Vorsicht zu behandeln.
Zwei bewiesene Wolfsterritorien im Landkreis Stade
Die Zahl der Rudel - also der Wölfe, die den Nachwuchs liefern - steigt weiterhin an. Im Landkreis Stade gibt es zwei Wolfsrudel in Drochtersen und in Oldendorf. Aktuell gibt es wieder verstärkt Angriffe auf Weidetiere. Alleine im Oktober und November wurden mehrere Attacken registriert.
Was die Bundesregierung jetzt plant, stößt in Niedersachsen und bei der Jägerschaft nicht auf reine Begeisterung. Der Umgang mit dem Wolf ist komplizierter, als die beiden Bundesminister vermuten lassen. Der Wolf ist mit einigen Sonderregeln auch Gegenstand im Bundesnaturschutzgesetz. „Das Bundesnaturschutzgesetz muss geändert werden“, sagt Stades Landrat Kai Seefried (CDU), „sonst bekommen wir keine Rechtssicherheit.“
Wir erleben die täglichen Sorgen der Menschen in unseren Wahlkreisen
Corinna Lange, SPD-Landtagsabgeordnete
„Ich bin erst beruhigt, wenn wir eine gute Lösung haben“, sagt die Landtagsabgeordnete Corinna Lange (SPD) aus Deinste. Niedersachsen sei darauf vorbereitet, schnell zu reagieren und die eigenen Gesetze anzupassen, wenn der Bund den Weg frei mache.

Dieser große Rüde ist im Aschhorner Moor 2023 fotografiert worden. Foto: Jägerschaft
Besonders bei den Landtagsabgeordneten aus dem ländlichen Raum gebe es parteiübergreifend eine große Einigkeit. „Wir erleben die täglichen Sorgen der Menschen in unseren Wahlkreisen“, so Corinna Lange.
Bundesnaturschutzgesetz schnell ändern
„Unsere Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter brauchen verlässlichen Schutz. Wenn es trotz umfassender Schutzmaßnahmen zu Rissen kommt, müssen problematische Wölfe rechtssicher entnommen werden können“, sagt dazu auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Pascal Leddin aus Uelzen. Er betreut die Region Stade mangels eigenem Abgeordneten der Grünen.

Helmut Dammann-Tamke (CDU), der Präsident des Deutschen Jagdverbandes. Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Auch Helmut Damann-Tamke sieht das so. Der ehemalige CDU-Landtagsabgeordnete aus Ohrensen ist Präsident des deutschen und des niedersächsischen Jagdverbands. „Ohne eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes ändert sich in Niedersachsens gar nichts“, sagt der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stader Kreistag.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Corinna Lange aus Deinste. Foto: Corinna Lange
Ausnahmegenehmigungen für den Abschuss von Problemwölfen sind in den vergangenen Jahren meistens vor den Gerichten gescheitert - wie der Wölfin im Alten Land 2023.
Tötung von Problemwölfen absichern
Für den Landkreis Cuxhaven schaffte eine Genehmigung zwar die juristischen Hürden. Das aktuelle Verfahren zum eigentlichen Abschuss ist aber so disfunktional, dass vor Ort in der Region Steinau nichts passiert ist.
Ende vergangener Woche wollte sich auch die Umweltministerkonferenz mit dem Thema Wolf befassen. Nach TAGEBLATT-Informationen hat das aufgrund der verbliebenen Unklarheiten nicht stattgefunden. Es gibt Signale, dass es in der neuen Woche Bewegung beim Bundesnaturschutz geben soll.

Im Oktober töteten Wölfe erstmals ein Pferd im Landkreis Stade in Kutenhotz. Foto: Meyer