TNiedersachsens CDU-Chef Sebastian Lechner: „Wir müssen den Wolf klug bejagen“
Sebastian Lechner, Vorsitzender der CDU Niedersachsen, will 2027 Ministerpräsident werden. Foto: Friso Gentsch/dpa
Er ist mit 45 Jahren vergleichsweise jung und will 2027 Ministerpräsident von Niedersachsen werden. Was Sebastian Lechner (CDU) zu wichtigen Themen in der Region zu sagen hat.
Stade. TAGEBLATT: Wahlen werden auch durch Köpfe entschieden. Nun hat eine Umfrage festgestellt, dass Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) der mit Abstand beliebteste Politiker im Land ist. Wie wollen Sie diese Popularitätslücke schließen bis zur Landtagswahl im Herbst 2027?
Sebastian Lechner: Sollte der Ministerpräsident mal nicht mehr zu den beliebtesten Politikern im Land gehören, dann hätte er richtig was falsch gemacht. Und Olaf Lies kommt bei Weitem nicht an die Beliebtheitswerte seines Vorgängers (Stephan Weil) heran. Es ist aber auch klar, dass ein Ministerpräsident immer andere Bühnen hat als die Oppositionspolitiker. Aber wir versuchen alles.
Niedersachsen gehört an die Spitze der Bundesländer
Heute zum Beispiel sind wir in Stade mit einer Veranstaltung. Wir sind sehr viel im Land unterwegs und machen klar, wofür wir stehen, was wir besser machen und besser können. Und am Ende kommt es dann auf den Willen an, dass Niedersachen eine andere Politik bekommt. Keine rot-grüne, sondern eine, die dieses Land an die Spitze der Bundesländer führt.
Dafür mache ich mich stark, damit mache ich mich mit meinem Team auf den Weg – damit sich das mit der Popularität bis zur Landtagswahl noch ändert.
Wie sieht dieser Politikwechsel aus?
Ich glaube, wir brauchen in diesem Land wieder mehr Zutrauen und Vertrauen. Ein Beispiel: Wir haben vorgeschlagen, den Kommunen beim Tarif- und Vergaberecht mehr Freiheit zu geben. Nicht, weil wir nicht an der Tariftreue hängen, das tun wir. Aber weil wir den Bürgermeistern und Landräten in diesem Land zutrauen, dass sie ihre Aufträge so vergeben, dass es tariftreu ist.
Und wir müssen mit mehr Anspruch agieren. Wir sind ein tolles Land. Wir haben so viele tolle Menschen hier, tollen Mittelstand, tolle Forschungseinrichtungen. Warum sollen Bayern und Baden-Württemberg immer den Platz 1 der Länder besitzen? Wir können das auch. Dafür müssen wir weg von den halben Sachen und die Dinge endlich ganz umsetzen.
Nehmen wir das Beispiel Schule und Unterrichtsversorgung. Darüber reden wir jetzt seit drei Jahren. Die Kultusministerin erzählt uns jedes Mal wieder, dass man das nicht mit einem Schnipps ändern kann, aber sie macht nicht mal die kleinen Dinge wie Quereinsteiger zulassen oder pensionierte Lehrkräfte arbeiten lassen, um die Unterrichtsversorgung zu verbessern.
Zur wirtschaftlichen Entwicklung: Hier oben mit der Chemie-Industrie und dem Seehafen könnten wir mit Wasserstoff einen guten Punkt setzen; aber auch da hat es die Landesregierung versäumt, rechtzeitig die Rahmenbedingen richtig zu setzen. So dass wir bis vor kurzem nicht mal in der Lage waren, CO2 abzuscheiden oder auch Wasserstoff aus anderen Quellen zu erzeugen, damit man bei dem Thema nach vorne kommt. Darunter leidet auch Stade. Ich hoffe, dass sich das ändern wird.
N-Ports als Hafengesellschaft des Landes plant, den Seehafen in Stade auszubauen. Trägt die CDU den Kurs der Regierung mit?
Absolut. Die Seehäfen sind einer der ganz großen Standortfaktoren in Niedersachsen. Markus Söder kann viel wollen in seinem Leben, aber Bayern wird nie einen Seehafen haben. Wir haben die und müssen sie auch nutzen und ausbauen. Und mutig sein! Da erwarte ich auch vom Bund noch einen ganz anderen Beitrag. Wir haben im niedersächsischen Landtag vorgeschlagen, dass wir eine Milliarde Euro für die niedersächsischen Seehäfen wollen; 300 Millionen durch die Privatwirtschaft, 300 Millionen vom Land und 300 Millionen vom Bund. Da sind wir noch nicht. Aber wir müssen das ausbauen, dann profitiert auch Stade.
Die aus der Wirtschaft geforderte Autobahn A20 ist ein Streitthema in der Region. Die Kosten laufen davon, die Realisierung steht infrage. Wie will die CDU da gegensteuern?
Wir müssen den Willen und die Motivation haben, diese Planung tatkräftig zu unterstützen. Die Autobahngesellschaft ist auf die Zulieferung des Landes angewiesen. Das kann ich zurückhaltend tun oder mit vollem Verve. Mein Eindruck ist: Diese Landesregierung ist da sehr zurückhaltend. Und das ist falsch für unser Land.
A20 ist eines der großen Infrastrukturprojekte
Die A20 ist eines der ganz großen Infrastrukturprojekte, das auch gerade unsere Seehäfen anbindet und damit für die wirtschaftliche Entwicklung dieses Raumes immens bedeutend ist. Da müssen wir jetzt endlich Fahrt aufnehmen.
Ich bin froh, dass die Bundesregierung die Finanzierungsthemen gelöst hat. Das heißt, wir können jetzt auch neue Autobahnen bauen. Also von uns ein klares Ja zur A20.
Es gibt Pläne für den Ausbau der Elbfähre Wischhafen-Glückstadt. Ist das für Sie eine Alternative?
Wie brauchen die A20. Ich nehme die Fähre auch gerne, wenn ich in den Urlaub fahre, aber die A20 ist dann doch was anderes. Wir brauchen eine echte Infrastrukturtrasse von Schleswig-Holstein bis Oldenburg.
Infrastruktur ist ein spannendes Thema. Die S-Bahn fährt über Buxtehude bis Stade. Das funktioniert aber derzeit nicht vorn und nicht hinten. Die Pendler sind gefrustet. Was sagen Sie denen?
Wir haben eine Ungerechtigkeit im ÖPNV (Öffentlicher Personennahverkehr, Anm.d.Red.). Wir haben uns entschieden, das Deutschlandticket zu finanzieren, aber dabei hat man wohl nicht bedacht, dass das nicht zulasten des Ausbaus des ÖPNV gehen darf. Wenn Züge ausfallen, ist das ein Ausbauthema und da gibt es jetzt große Finanzierungsschwierigkeiten, weil so viel Geld für das Deutschlandticket verwendet werden muss. Das ist nicht in Ordnung, gerade auch für die Menschen im ländlichen Raum nicht.
Spannendes Thema, das auch die Menschen umtreibt und emotionalisiert, ist der Umgang mit dem Wolf. Was muss das Land da tun, um einen guten Ausgleich zu bekommen zwischen Naturschutz und der Sicherheit für Nutztierhalter?
Wir sind jetzt im Vergleich zu vor ein paar Jahren wirklich wesentliche Schritte weiter. Mit der Berner Konvention, die den Schutzstatus des Wolfes gesenkt hat, und mit der FFH-Richtlinie, in der der Schutzstatus auch gesenkt ist. Jetzt liegt es an uns. Die Bundesregierung wird das Bundesnaturschutzgesetz überarbeiten und das Bundesjagdgesetz - das ist beides wichtig. In Niedersachsen haben wir schon vor Jahren in der großen Koalition das Jagdgesetz überarbeitet. Und wenn jetzt auch das Bundesnaturschutzgesetz entsprechend geändert ist, dann können wir in ein regionales Bestandsmanagement übergehen.
Der Wolf ist ein unglaublich schlaues Tier
Der Wolf ist ein unglaublich schlaues Tier. Daher müssen wir ihn klug bejagen und managen. Und wenn der merkt, dass er irgendwo hingehen kann und man ihn lässt, dann probiert er das auch aus, und wenn er merkt, da kann man nicht so gut hingehen, weil man da gefährlich lebt, dann probiert er es nicht mehr aus. Also müssen wir ein kluges Management machen.
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An den Deichen haben sie nix zu suchen, weil das Hochwasserschutzeinrichtungen sind. Da brauchen wir die Schafe. In großen, mit Nutztieren belebten Regionen hat der Wolf auch nichts zu suchen. So muss man das regeln. Das erwarte ich auch von der Landesregierung. Sie muss weg vom Fokus auf Problemwölfe, hin zum regionalen Bestandsmanagement mit Bejagungsquoten. Denn nur so bleibt am Ende auch die Akzeptanz für den Wolf erhalten.
Apropos: Bei den Landwirten herrscht derzeit offenbar Ruhe. Wie können Sie diesem Berufsstand trotzdem helfen?
Wir sind gerade dabei, das Agrarstrukturgesetz zu verhindern. Die Idee, dass Frau Staudte gerne als Landwirtschaftsministerin aus Hannover in die Grundstücksgeschäfte im Elbe-Weser-Land eingreifen möchte, die halte ich für richtig absurd. Und dass man da jetzt Hektargrenzen einzieht, damit sie nicht mehr erweitern können, aber die NGOs dürfen das dann weiterhin. Das empfinde ich als massiven Eingriff auf das Eigentumsrecht im ländlichen Raum.
In der Landwirtschaft ist Regierung auf Holzweg
Da versuchen wir der Landesregierung klarzumachen, dass sie wirklich auf dem Holzweg ist. Ich bin gespannt, ob sie es auch mitbekommt. Und wir setzen uns dafür ein, dass wir bei der Bürokratie von Auflagen wegkommen, Dinge zurücknehmen, die unnötig belasten und vieles digitaler machen. Denn es gibt kaum eine so von Bürokratie belastete Branche wie die Landwirtschaft.
Auch hier gilt: Zutrauen und Vertrauen. Wir produzieren wunderbare Lebensmittel, und man kann unseren Landwirten mehr zutrauen.
Zurück zur Landtagswahl. Sie werden nach der Wahl einen Koalitionspartner brauchen, um regieren zu können. Wie sieht es mit der AfD aus?
Auf keinen Fall. Es gibt keine Zusammenarbeit und schon gar keine Koalition. Man muss sich mal wirklich mit dem beschäftigen, was die vorschlagen. Allein, was das Wirtschaftsbild angeht oder den Vorschlag, aus der Europäischen Union auszutreten. Für die Exportnation Deutschland wäre das wirklich Harakiri.
Die AfD ist auch in der Sozialpolitik nur populistisch unterwegs und hat selbst keine klugen Vorschläge. Sie ist in weiten Teilen nach wie vor mit rechtsextremen Vorstellungen auffällig. Also: Wir wollen die AfD in keiner Regierungsverantwortung sehen und werden ganz sicher nicht dabei mithelfen.
Also die Brandmauer steht?
Noch mal: Wir arbeiten nicht zusammen, wir koalieren nicht. Das ist das Entscheidende, nicht der Begriff Brandmauer. Was wir machen werden, ist, um jede Wählerstimme zu kämpfen. Diejenigen, die damit liebäugeln, die AfD zu wählen, die wollen wir zurückgewinnen. Da werden wir gute Politikangebote machen, als Team antreten und eine Reihe von Persönlichkeiten präsentieren. Wir wollen die Wähler, aber mit dieser Partei wollen wir nichts zu tun haben.
Zur Person
Sebastian Lechner wurde am 21. November 1980 in Hannover geboren. Nach dem Abitur studierte er Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Hohenheim, Hannover, Tübingen und Göttingen. Der Diplom-Volkswirt ist seit 2001 Mitglied in der CDU.
Von 2008 bis 2014 war er Landesvorsitzender der Jungen Union Niedersachsen. Von November 2020 bis Januar 2023 war Lechner Generalsekretär der CDU Niedersachsen. Seit Januar 2023 ist er Vorsitzender der CDU in Niedersachsen.
Der 45-Jährige ist seit 2013 Mitglied des Niedersächsischen Landtags und seit Oktober 2022 Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Lechner ist verheiratet und hat drei Kinder.

Bundeskanzler Friedrich Merz und Sebastian Lechner stehen gemeinsam auf der Bühne. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa
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