Zähl Pixel
Wirtschaft

TBeim Notfall im Chemie-Werk eilt dieses Horneburger Unternehmen zu Hilfe

Im Feuerschutzanzug: Bardenhagen-Techniker Jorge-Hendrik Druminski und Nikolai Martens demonstrieren beim Tag der offenen Tür für Industriekunden und -kooperationspartner eine Leckabdichtung.

Im Feuerschutzanzug: Bardenhagen-Techniker Jorge-Hendrik Druminski und Nikolai Martens demonstrieren beim Tag der offenen Tür für Industriekunden und -kooperationspartner eine Leckabdichtung. Foto: Vasel

Chemie-Werke können nicht einfach abgestellt werden, wenn es aus der Leitung tropft. Doch es gibt Spezialisten für Reparaturen im laufenden Betrieb. Wenn die rote Lampe leuchtet, klingelt bei Bardenhagen in Horneburg das Telefon.

author
Von Björn Vasel
Mittwoch, 13.03.2024, 19:10 Uhr

Horneburg. „Wir sind der Notarzt für die Industrie“, sagt Gerhard Mukbel, Geschäftsführer der Bardenhagen Maschinenbau und Dienstleistungs GmbH. Zu den Kunden des mittelständischen Unternehmens mit Sitz in der Industriestraße in Horneburg zählen Großkonzerne wie Dow oder BASF, aber auch Mittelständler wie Synthopol.

Doch die Horneburger sind auch Servicepartner führender Hersteller für Anlagentechnik und haben deshalb bei Revisions- oder Reparaturarbeiten immer einen Fuß in der Tür bei den Unternehmen. Die Liste liest sich wie das Who’s who der deutschen Anlagentechnikhersteller.

Wir sind der Notarzt für die Industrie

Gerhard Mukbel

Fokus liegt auf Chemie und Petrochemie

Der Fokus liegt auf der Prozessindustrie - insbesondere aus den Bereichen der Chemie und der Petrochemie. Aber auch Kraftwerke aller Art und Windenergie, Wasserwerke, Tanklager sowie Pipelines gehören zu den Geschäftsfeldern. „Im Grunde sind wir die Spezialisten rund um Rohrleitungen und Armaturen - mit einem spezialisierten Instandhaltungs- und Reparaturservice“, sagt Mukbel.

Wenn die rote Lampe angeht, klingelt es bei Bardenhagen

Die Produktionsanlagen in Chemie-Werken und in Raffinerien müssen rund um die Uhr laufen. Schließlich könnte ein Stillstand oder ein Materialverlust aufgrund einer Leckage im schlimmsten Fall eine Firma locker einige 100 Millionen Euro kosten.

Hochkomplexe chemische Prozesse können - auch aus Sicherheitsgründen - nicht einfach durch Runterfahren von Anlagen unterbrochen werden. Deshalb werden die Lecks in den Produktions- oder in den Kühlwasserrohrleitungen im laufenden Betrieb abgedichtet. Dafür gebe es kein Handbuch, sagt Mukbel.

Dustin Matthies und Artur Gefner machen eine Ausbildung bei Bardenhagen - als Zerspanungs- und als Feinwerkmechaniker.

Dustin Matthies und Artur Gefner machen eine Ausbildung bei Bardenhagen - als Zerspanungs- und als Feinwerkmechaniker. Foto: Vasel

24 Stunden am Tag erreichbar

„Es gibt keine 08/15-Lösungen. Vor Ort müssen immer wieder individuelle Lösungen getroffen werden“, sagt Mukbel. Wenn die rote Lampe im Leitstand der Werke blinkt und Gase oder Flüssigkeiten aus Armaturen, Flanschverbindungen oder Rohleitungen austreten, rücken die Horneburger mit ihrer mobilen Werkstatt an.

5000 Artikel für Pumpen, Rohre oder Armaturen haben sie auf Lager. Die Bardenhagen-Notfallteams sind 24 Stunden am Tag erreichbar, 365 Tage im Jahr. Notfallreparaturen können sofort in Angriff genommen werden.

Abdichtung einer Rohleitung.

Abdichtung einer Rohleitung. Foto: Vasel

Horneburger reparieren im laufenden Betrieb

Nachdem Leckagen mit Messgeräten lokalisiert sind, bauen die Horneburger eine Art von Abdicht-Koffer, wie ein Sarkophag, oder Schellen aus Stahl um das Leck. Bei Wasser reicht herkömmlicher Stahl, sprich Kesselblech, aus.

Bei Säure muss es Edelstahl sein. Dabei müsse häufig improvisiert werden, es gibt keine Serienfertigung. Der Innenraum wird durch Einspritzen mit einer Paste - der Fachbegriff lautet Abdichtcompound - gefüllt.

Mit diesem Material werden die Lecks abgedichtet.

Mit diesem Material werden die Lecks abgedichtet. Foto: Vasel

Explosionsgefahr während Arbeiten?

Das Abdichten ist eine Herausforderung, häufig herrschen hoher Druck und hohe Temperaturen in den Anlagen. Temperaturen von 950 Grad Celsius oder ein Druck bis 400 bar, das ist nicht ungefährlich. Deshalb müssen die Bardenhagen-Mitarbeiter bei ihrer Tätigkeit auch hitze- und säurebeständige Schutzkleidung tragen.

Manchmal besteht auch Explosionsgefahr. Dann werden Zelte aufgebaut und mit Stickstoff geflutet. So kann am Leck ohne Funkenflug-Gefahr - unter Atemschutz - gearbeitet werden.

Die Produktion kann so weiterlaufen, erst bei der nächsten Revision - sprich dem planmäßigen Stillstand nach dem kontrollierten Herunterfahren der Produktionsanlagen - muss das defekte Anlagenteil ausgetauscht werden.

Damit nicht genug: Auch Bypässe legen die Bardenhagen-Mitarbeiter. Doch nicht nur Sarkophage kommen zum Einsatz, manchmal werden Rohre zum Abdichten und Reparieren mit Flüssigstickstoff gefrostet, Absperrblasen aus ballistischem Nylon stoppen den Fluss in den Rohren. Und das alles im laufenden Betrieb, wie Mukbel unterstreicht.

Hightech-Maschinen kommen zum Einsatz.

Hightech-Maschinen kommen zum Einsatz. Foto: Vasel

Leckabdichtungstechniker sind die Notärzte der Industrie

„Angst haben wir nicht, aber Respekt“, betont der TÜV-zertifizierte Leckabdichtungstechniker Jorge-Hendrik Druminski. „Wir müssen uns blind verstehen, die Arbeit ist physisch und psychisch herausfordernd“, sagt sein Kollege Nikolai Martens. Der Arbeitsalltag sei in der Regel „äußerst abwechslungsreich und nicht langweilig, kein Tag ist wie der andere“.

20 Spezialisten sind deutschlandweit im Einsatz. Neue Kollegen laufen erst einmal mit. Praxis sei alles, das Lehrbuch lediglich das Fundament. Doch nicht nur in Chemie-Werken, auch bei Problemen im Erdöl- oder Erdgaspipelines werden die Horneburger zur Hilfe gerufen.

So dichteten sie ein Leck einer Hochdruck-Erdgasleitung von Gasunie ab und sicherten so die Energie- und Wärmeversorgung in Norddeutschland.

Unternehmen setzt auf Ausbildung an zwei Standorten

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Bardenhagen bildet deshalb aus: Industriemechaniker, aber auch Feinwerk- und Zerspanungsmechaniker. Dabei arbeiten die Auszubildenden auch mit computergesteuerten Maschinen - wie CNC-Fräsmaschinen, so teuer wie ein Einfamilienhaus. Hightech und Handarbeit, das erwartet den Nachwuchs.

Arbeiten an der CNC-Fräsmaschine: Dustin Matthies und Artur Gefner machen eine Ausbildung bei Bardenhagen in Horneburg (von links).

Arbeiten an der CNC-Fräsmaschine: Dustin Matthies und Artur Gefner machen eine Ausbildung bei Bardenhagen in Horneburg (von links). Foto: Vasel

Die Übernahmechancen stehen mehr als gut, betont der Geschäftführer. Azubi Artur Gefner (19) will Zerspanungsmechaniker werden, Dustin Matthies (20) wird Feinwerkmechaniker. Mittels spanender Verfahren wie Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen oder Honen werden Materialien bearbeitet. Matthies schmiedet in seiner Freizeit, mit Abitur beziehungsweise Realschulabschluss hatten sie sich beworben.

Beide sagen über ihren Ausbildungsbetrieb: Jeder Tag biete neue Herausforderungen. Er habe einen Beruf ergreifen wollen, der Programmieren und Handwerk vereine und Abwechslung biete, sagt Gefner. Im Aufbau ist die Bardenhagen-Akademie - für Schulungen externer Fachkräfte.

Zu 95 Prozent sind wir abends wieder zu Hause

Gerhard Mukbel

Deutschlandweit im Einsatz

Die Techniker sind deutschlandweit im Einsatz. „Doch zu 95 Prozent sind wir abends wieder zu Hause“, sagt Martens. Die Verbundenheit mit der Firma sei hoch. Im Hauptstandort in Horneburg und in der Niederlassung Schwedt werden auch Armaturen und Pumpen gewartet, des Weiteren werden Sonderteile und Kleinserien für die Industrieanlagen gefertigt.

Weitere Geschäftsfelder sind unter anderem Industriemontagen oder Wärmetauscher-Service - neben dem Standbein Instandhaltungs- und Reparaturservice in der Prozessindustrie. Mukbel: „Wir sind breit aufgestellt.“

1986 gegründet - 2011 übernommen

Die Geschäftsführer Dr. Norbert Wolter und Gerhard Mukbel hatten das 1986 gegründete Horneburger Unternehmen mit 80 Mitarbeitern und einem weiteren Standort im Rheinland unterstützt von der Kreissparkasse Stade im Jahr 2011 vom Gründerehepaar Helmut und Inge Bardenhagen übernommen. Das eigentümergeführte Unternehmen wuchs und wuchs, stetig sei in neue Hallen und Maschinen investiert worden.

Auf dieser Brennmaschine werden die Stahlplatten für die "Koffer" der Leckabdichtungen zugeschnitten.

Auf dieser Brennmaschine werden die Stahlplatten für die "Koffer" der Leckabdichtungen zugeschnitten. Foto: Vasel

Mittelständler auch in Österreich und Rumänien aktiv

Mittlerweile gibt es neben dem Hauptstandort Horneburg und der Niederlassung in Hürth bei Köln weitere Standorte in Schwedt/Oder in Brandenburg bei der Raffinerie PCK, in Heide und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein sowie in Leuna in Sachsen-Anhalt.

Des Weiteren hat die Bardenhagen-Gruppe seit 2021 durch die Übernahme von Gangelberger & Riedlbauer Tochtergesellschaften in Österreich und Rumänien. Mukbel: „Mit mehr als 150 Mitarbeitern sind wir Marktführer im Bereich der Reparaturen im laufenden Betrieb in der Prozessindustrie - nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und Rumänien.“

Weitere Artikel