TNotstand: DLRG sperrt alle Kleidercontainer im Kreis Stade

Vor vollen Containern der Firma SOEX in Drochtersen sammeln sich Kleidersäcke und Hausmüll. Foto: Berlin
Das gab es noch nie im Landkreis: Alle DLRG-Ortsgruppen mussten die Kleidersammlungen einstellen. Die Ehrenamtlichen bemühen sich um Schadensbegrenzung.
Landkreis. Bettwäsche verstopft die Containerklappen, auf den Wegen stapeln sich teils aufgerissene Plastiksäcke mit T-Shirts, Pullovern und Jeans: Ein Bild, das die vergangenen Tage an fast jedem DLRG-Kleidercontainer im ganzen Landkreis Stade zu beobachten war. Am Montag hat der DLRG-Landesverband Niedersachsen den Notstand ausgerufen. Die Ortsgruppen in Stade, Buxtehude, Fredenbeck, Harsefeld, Drochtersen und Horneburg/Altes Land sind angehalten, ihre betreuten Sammelbehälter für weitere Kleiderspenden zu sperren.
Die Schuld an der Misere liegt jedoch nicht beim gemeinnützigen Verein. „Durch eine derzeit anhaltende betriebliche Schwierigkeit der Vertragsfirma der DLRG Niedersachsen im Bereich der Altkleidersammlungen können vorübergehend die Sammelbehälter der DLRG im Landkreis Stade nicht geleert werden“, teilen die DLRG-Ortsgruppen über die sozialen Medien und Webseiten mit. Im Landkreis Stade stehen etwa 120 Altkleidercontainer der DLRG, weiß Rainer Bohmbach, Vorsitzender der DLRG-Ortsgruppe Horneburg/Altes Land.
Vertragsfirma musste Anfang Oktober Insolvenz anmelden
Für die Bereitstellung und Leerung der Sammelbehälter arbeitet der DLRG-Landesverband Niedersachsen mit der Firma SOEX Textil-Verwertungsgesellschaft m.b.H. mit Werken in Ahrensburg (Schleswig-Holstein) und Bitterfeld-Wolfen (Sachsen-Anhalt) zusammen.

Mit Folie und Schildern verklebt: Die Altkleider-Container der DLRG sind derzeit im ganzen Landkreis gesperrt. Foto: Berlin
Wie das Unternehmen auf TAGEBLATT-Anfrage mitteilt, hat die Geschäftsführung der SOEX-Gruppe am 7. Oktober 2024 Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht in Reinbek beantragt. „Unser Ansprechpartner der Firma SOEX hat uns am Montag (Anm. d. R.: 14. Oktober) direkt nach seinem Urlaub telefonisch über die aktuelle Lage informiert“, sagt DLRG-Landesverbandsprecher Christoph Penning.
In einer Pressemitteilung vom 7. Oktober 2024 sicherte die Firma SOEX noch zu: „Der Geschäftsbetrieb wird uneingeschränkt fortgeführt, Löhne und Gehälter sind bis einschließlich November 2024 abgesichert“. Doch tatsächlich scheinen die Altkleiderbehälter im Landkreis Stade schon vor dem 14. Oktober nicht mehr regelmäßig geleert worden zu sein.
Das ist ein großer Image-Schaden für uns.
Rainer Bohmbach, Vorsitzender DLRG-Ortsgruppe Horneburg/Altes Land
Auf TAGEBLATT-Anfrage teilte das Unternehmen am Freitag mit, dass die eigenverwaltete Geschäftsführung sich die vergangenen zehn Tage intensiv darum gekümmert habe, den Geschäftsbetrieb stabil fortzuführen. „Dazu wurden unzählige Gespräche mit Dienstleistern und Lieferanten geführt“, sagt ein Unternehmenssprecher.
Im Landkreis Stade betreibt die Firma SOEX laut eigener Aussage insgesamt 155 Sammelcontainer an 88 Standorten, darunter neben den DLRG-Containern auch eigene als gewerbliche Sammlung. Laut DLRG-Angaben wurden in den letzten beiden Jahren durchschnittlich etwa 300 Tonnen Kleiderspenden über Container im Landkreis Stade gesammelt.
Immense Belastung für DLRG-Ortsgruppen im Landkreis
Der Altkleiderstau an den Sammelbehältern trifft die DLRG-Ortsgruppen hart. „Das ist ein großer Image-Schaden für uns“, sagt Rainer Bohmbach. Die Lage stelle in den betroffenen Städten und Kommunen eine immense Belastung für die Ehrenamtlichen dar.

Auch in Horneburg stapeln sich die Säcke vor den Containern. Foto: Vasel
Während sich in Horneburg Säcke um die Container am Rewe-Markt stapeln, scheint die Lage in Drochtersen noch kontrollierbar zu sein. „Vor unseren Containern stehen derzeit noch keine Säcke“, sagt Claus Fastert von der DLRG Drochtersen. Mit Plastikfolie haben die Ehrenamtlichen die Container an den zwölf Stellplätzen in Drochtersen, Nordkehdingen und Balje versiegelt und mit Hinweisschildern versehen, um das weitere Einwerfen von Altkleidern zu verhindern.
Unterstützung
Kisten bis Weihnachten packen für einen guten Zweck
Auch in Stade und Buxtehude hat die DLRG bereits ihre Sammelbehälter versiegelt. In den Samtgemeinden Horneburg, Lühe sowie der Gemeinde Jork soll dies am Wochenende erfolgen, sagt der Horneburger Vorsitzende Rainer Bohmbach. Ein klarer Aufruf aller Ortsgruppen an die Bürger, aktuell keine Altkleider mehr zu DLRG-Containern zu bringen.
Viele Altkleider müssen auf eigene Kosten als Müll entsorgt werden
Für den DLRG-Landesverband Niedersachsen wirken sich die überfüllten Container auch monetär aus. „Die wegen der Insolvenz voraussichtlich ausfallenden Zahlungen und die künftig geringeren Einnahmen belaufen sich voraussichtlich auf einen niedrigen sechsstelligen Betrag für alle beteiligten DLRG-Gliederungen in Niedersachsen“, teilt Landesverbandssprecher Christoph Penning mit.

Unbekannte haben abgesperrte Container wie hier in Apensen wieder aufgeschnitten und die Säcke davor geworfen. Foto: Bohmbach
Da die Vertragsfirma nicht mehr für die Abholung anfährt, müssen sich die Ehrenamtlichen vor Ort jetzt um die Schadensbegrenzung kümmern. „Wir müssen die Säcke in einen Abfallcontainer entsorgen“, sagt Claus Fastert aus Drochtersen. Durch das lange Stehen in Regen und Schmutz seien die Altkleider nicht mehr zur Weiterverarbeitung geeignet. „Das ist dann Müll“, sagt der Vorsitzende der Ortsgruppe Drochtersen.
Die Kosten für die bereitgestellten Container und die Müllentsorgung müssen vorerst die Ortsgruppen tragen. „Wir beabsichtigen jedoch, uns die Kosten vom Insolvenzverwalter der Vertragsfirma zurückzuholen“, sagt Rainer Bohmbach.
Benutzte Windeln und aufgeschlitzte Sammelcontainer
Trotz der Hinweise und versiegelten Containerklappen komme es trotzdem noch zu abgelegten Kleidersäcken vor den Behältern sowie Vandalismus. So sollen in Buxtehude und Apensen Unbekannte die Folien aufgeschnitten haben.
In Horneburg haben Unbekannte Kleidersäcke sogar direkt vor dem DLRG-Gerätehaus abgelegt, berichtet Rainer Bohmbach. Doch abseits von Kleidung lande auch viel Müll an den Sammelstellen. In Horneburg habe jemand altes Geschirr abgeladen, in Fredenbeck fanden die Ehrenamtlichen eine Tüte mit benutzten Windeln.

Unbekannte haben Säcke mit Kleidung und Geschirr vor dem DLRG-Gerätehaus in Horneburg abgeladen. Foto: Bohmbach
Die Ortsgruppen im Landkreis Stade rufen alle Bürgerinnen und Bürger auf, aktuell keine Altkleider in die DLRG-Behälter einzuwerfen oder davor abzustellen. „Die Sanierer arbeiten aktuell an einer Lösung“, sagt Landesverbandsprecher Christoph Penning. Der DLRG-Landesverband Niedersachsen hoffe, dass der Betrieb bis Mitte kommender Woche wieder aufgenommen wird.
DRK-Kreisverband stößt ebenfalls an seine Belastungsgrenzen
Bis dahin bittet die DLRG, auf Sammelbehälter anderer Organisationen auszuweichen. Der DRK-Kreisverband Stade, der im Landkreis derzeit 125 Altkleidercontainer betreibt, sieht diesen Hinweis jedoch mit Sorge. „Derzeit gibt es Schwierigkeiten bei der regelmäßigen Abholung der gesammelten Kleidung“, teilt DRK-Sprecherin Franziska Kampmann mit.
„Unsere Container werden schneller überfüllt, was zu einem höheren Betreuungsaufwand unsererseits führt“, so Kampmann weiter. Häufigere Leerungen und knappe Lagerkapazitäten durch die DLRG-Krise hätten die Lage für die Organisation jetzt zusätzlich verschärft.
Als Alternative verweist der DRK-Kreisverband auf die Kleiderkammern, bei denen gut erhaltene Kleidung abgegeben werden kann. Auch Rainer Bohmbach von der DLRG-Ortsgruppe Horneburg/Altes Land hat einen alternativen Vorschlag: „Wer uns helfen will, möge bitte die Altkleider noch mal zwei Monate zu Hause stehen lassen und abwarten.“