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Prozess

TOpfer im Wachkoma: Angeklagter äußert sich erstmals zur Tatnacht

Saal 209 des Landgerichts Stade. Am fünften Tag des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht Stade äußerte sich erstmals der Angeklagte zur Tatnacht (Archivbild).

Saal 209 des Landgerichts Stade. Am fünften Tag des Gerichtsverfahrens vor dem Landgericht Stade äußerte sich erstmals der Angeklagte zur Tatnacht (Archivbild). Foto: Koppe

„Warum wurde mein Vater ins Koma geprügelt?“ Seit Beginn des Wachkomaprozesses hofft der Sohn des Opfers auf eine Antwort. Die Erklärung des Angeklagten lieferte ihm auch am fünften Verhandlungstag keine.

Von Silvia Dammer Mittwoch, 28.02.2024, 17:43 Uhr

Stade. Der Vorwurf lautet versuchter Totschlag sowie gefährliche und schwere Körperverletzung. Am fünften Tag des Verfahrens vor dem Landgericht Stade kündigte Verteidiger Mertins eine Erklärung des Angeklagten zu den Geschehnissen am Tattag an und präsentierte die Sicht seines Mandanten wie folgt: Am Nachmittag des 5. September 2021 traf sich der Angeklagte mit Freunden, trank eine Flasche Wodka und konsumierte „drei Nasen“ Kokain.

Später am Abend, gegen 22 Uhr, habe er an der Tankstelle in der Harsefelder Straße Alkohol gekauft und dort das spätere Opfer getroffen, mit dem er gut auskam und trank. An einen Streit kann er sich nicht erinnern und lässt ausrichten: „Das passt nicht zu mir. Ich habe nie aggressiv reagiert, wenn ich getrunken oder Drogen genommen habe.“

Angeklagter hat nach eigener Aussage keine Erinnerungen an die Nacht

Irgendwann sei er nach Hause gegangen. Am anderen Morgen seien ihm Schmerzen und Verletzungen an den Händen aufgefallen. Er merkte an: „Ich habe keine Erinnerung an die Nacht zuvor.“ Getrieben von einem schlechten Gefühl, sei er zur Tankstelle zurückgekehrt und auf eine Blutlache in einer nahegelegenen Seitenstraße gestoßen. Das habe Angst in ihm ausgelöst. Er suchte einen Bekannten auf, fand aber keine Antworten.

Bei einem erneuten Besuch in der Nähe des Tatorts hoffte er, Informationen von den Polizeibeamten vor Ort zu erfahren. Er lehnte an einem Zaun und wurde von einer Beamtin bemerkt. Die habe ihn auf seine Handverletzungen angesprochen. Der Angeklagte betonte, keinen Streit mit dem Opfer gehabt zu haben. Aber er habe einen Blackout für die Zeit in der Nacht bis zum Morgen. Es tue ihm leid, dass der Geschädigte im Koma liege. „Die Möglichkeit, ich könnte was mit der Sache zu tun haben, belastet mich seit zweieinhalb Jahren.“

Sohn des Opfers hat viele Fragen

Für den Sohn des Opfers stellten sich nach dieser Einlassung mehrere Fragen. Der Angeklagte habe nichts ihn Belastendes gesagt. Warum kommt die Einlassung erst jetzt? Der Angeklagte könne sich an ein gravierendes Ereignis wie eine mögliche Schlägerei nicht erinnern, an Einzelheiten davor und danach aber sehr genau. Wie ist das zu erklären? Und: Wenn er alkoholisiert nie aggressiv war, warum bekomme er dann am Morgen ein schlechtes Gefühl? Und wenn ihn die Sache seit zweieinhalb Jahren belaste, warum habe er nicht mal den Kontakt zum Opfer und seinen Angehörigen gesucht?

Vor der Einlassung des Angeklagten stand ein Gutachten im Fokus, das die Blutspuren an den Schuhen des Angeklagten untersuchte. Ziel der Verteidigung war es, nachzuweisen, dass die Blutspuren möglicherweise erst Stunden nach der Tat auf die Schuhe übertragen wurden.

Wohin spritzte das Blut?

Oliver Krebs, Diplom-Biologe und DNA-Analytiker, machte in seinem Gutachten deutlich, dass der genaue Zeitpunkt, zu dem das Blut des Opfers auf die Schuhe des Angeklagten kam, bedingt durch die eingetrockneten Blutspuren nicht zu bestimmen ist. Das Gutachten thematisierte zudem die Übertragung von Blut und DNA beim Durchschreiten einer Blutlache. In einem Versuch demonstrierte Krebs, dass Blut dabei in verschiedene Richtungen weggespritzt werden kann, jedoch nicht auf die Außenseite oder Oberseite der Schuhe, wo ebenfalls Opfer-DNA gefunden wurde, was eine direktere Übertragung der DNA auf diese Bereiche vermuten lässt.

Die Verteidigung sah in den Ausführungen des Sachverständigen keine relevanten neuen Informationen, da die DNA-Spurenanalyse nicht Gegenstand ihres ursprünglichen Antrags war.

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