TPersonalnot im Landkreis: Kitas schicken Kinder nach Hause

In Kitas in Stade und anderen Kommunen bleiben die Gummistiefel wegen Personalmangels immer öfter ungenutzt im Regal stehen. Foto: Uli Deck/dpa
Der Erziehermangel in den Kitas ist ein Dauerproblem. Aktuell könnte allein die Hansestadt Stade sofort 30 neue Kräfte einstellen - wenn es die denn gäbe. Stattdessen mussten jetzt Gruppen geschlossen werden. Doch Stade ist kein Einzelfall.
Landkreis. „In einer Kita haben wir drei Gruppen zu zweien zusammengelegt, in einer anderen von zwei Gruppen eine nach Hause geschickt“, berichtet Birgit Pergande, Fachbereichsleiterin Bildung und Soziales bei der Hansestadt Stade. Dort gibt es insgesamt 30 Kitas, von 14 ist die Stadt selbst Trägerin. Von einem Tag auf den anderen seien drei Fachkräfte ausgefallen. „Es kann sein, dass wir für längere Zeit damit klarkommen müssen“, sagt Pergande.
„Wir haben versucht, den Betroffenen in anderen Kitas Plätze anzubieten“, berichtet sie; teilweise sei das auch gelungen. Wen es trifft, wird in der personellen Notsituation von den Kita-Leitungen danach entschieden, wo der Bedarf am dringendsten ist. Dabei spielen neben der Berufstätigkeit der Eltern auch der individuelle Bedarf und die familiäre Situation des einzelnen Kindes eine Rolle.
Dass Kitagruppen geschlossen oder im Notbetrieb sind, weil Fachkräfte fehlen, ist nicht nur in der Stadt Stade ein Problem. Kreisweit entstehen in den Kitas wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Ortswechsel ständig plötzliche Engpässe. Bundesweit fehlen laut dem aktuellen Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung in Deutschland rund 430.000 Kita-Plätze.
Personalmangel
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Wunsch nach U3-Kita-Platz bleibt bei 31 Prozent unerfüllt
Im Prinzip gilt der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr seit 2013. Doch zwischen Wunsch und Realität klafft eine Lücke, die die Bertelsmann-Stiftung auch für die einzelnen Landkreise ausgerechnet hat. Demnach gingen von den Kindern, deren Eltern sich für ihr Kind unter drei Jahren einen Kita-Platz wünschten, 31 Prozent leer aus. Insgesamt fehlten kreisweit 912 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren. Bei den Kindern über drei Jahren blieben immerhin noch knapp sechs Prozent der Kinder, deren Eltern sich einen wünschten, ohne Platz, es fehlten insgesamt 368 Kita-Plätze.
Wieder macht nur eine Erzieher-Klasse ihren Abschluss
Verschärft hat sich die Situation unter anderem, weil das Niedersächsische Kitagesetz es inzwischen auch nicht mehr erlaubt, dass Gruppen nur von Sozialpädagogischen Assistenten (SPA) betreut werden, die eine zweijährige Ausbildung absolviert haben. Es muss immer eine Erzieherin dabeisein. Doch SPAs wie auch Erzieherinnen sind rar. Auch in diesem Jahrgang wird wieder nur eine Klasse in den BBS Stade ihren Abschluss machen - für den gesamten Landkreis Stade. „Die könnte ich alle sofort wegfischen“, sagt Pergande. Schließlich gibt es allein in Stade aktuell knapp 30 unbesetzte Stellen. Gleichzeitig stehen 150 Kinder für den Elementarbereich und 78 für einen Krippenplatz auf der Warteliste.
Fachkräftemangel
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Der Landkreis will die Situation verbessern und ab Sommer 2024 bis zu 35 Azubis im zweiten Jahr der SPA-Ausbildung mit einer Summe von 520 Euro pro Monat fördern. Bedingung: eine einjährige Arbeitsaufnahme im Kreisgebiet. Die Förderung für die Erzieher-Ausbildung soll bei 1250 Euro pro Monat bleiben, wenn sie direkt im Anschluss an die SPA-Ausbildung absolviert wird und bei 1650 Euro pro Monat für bereits berufstätige Absolventen. Stade will sich dem Programm anschließen, auch in Buxtehude sei dies angestrebt.
Vorschläge für schnelle Abhilfe in der Personalkrise
Nach Einschätzung von Kultusministerin Julia Willie Hamburg müssen die Kitas in Niedersachsen noch über Jahre mit zu wenigen Fachkräften auskommen. Erst kürzlich schlug die Awo, die unter anderem Kitas in Buxtehude, Stade, Horneburg und Steinkirchen betreibt, Alarm und forderte mehr Unterstützung von der Landespolitik. Zur Bewältigung der Lage sollten unter anderem Vertretungsregelungen gelockert und der Einsatz von Assistenz- und Fachpersonal flexibler gestaltet werden. Außerdem müsse die Anerkennung der Berufsabschlüsse ausländischer Fachkräfte vereinfacht werden.
Der Kita-Kreiselternrat schlägt vor, für Erzieher - wie in anderen Berufen auch - eine dreijährige statt einer vierjährigen Ausbildung anzubieten, und spricht sich für eine Ausweitung der Randzeiten aus, in denen SPAs ohne Beisein einer Erzieherin Kinder betreuen dürfen. Mit einer Umfrage zur Qualität der Kinderbetreuung will der Kita-Kreiselternrat sich über die aktuelle Situation in den Kitas informieren. Sie ist auf der Homepage des Kita-Kreiselternrats zu finden.