TPflegeheimkosten explodieren – Das kostet ein Platz

Der durchschnittliche Eigenanteil an einem Heimplatz stieg um 7 Prozent auf 2.424 Euro. Foto: Martin Schutt/dpa
Zwei Jahre nach einer Reform haben die zu zahlenden Eigenanteile einen neuen Höchststand erreicht. Das Problem: Immer mehr Menschen benötigen Pflege. Kommt die Reform der Reform?
Berlin/Landkreis. Laut einer am Freitag in Berlin veröffentlichten Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK kostet Wohnen im Pflegeheim mittlerweile durchschnittlich mehr als 2.400 Euro Eigenanteil pro Monat. Experten rechnen mit weiterhin schnell steigenden Kosten. Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte eine Deckelung der Eigenanteile.
Wie der AOK-Bundesverband mitteilte, betrugen die Gesamtkosten für einen Heimplatz Ende des vergangenen Jahres 4.701 Euro. Davon zahlten die Pflegekassen im Schnitt 1.470 Euro, zusätzlich bekamen Bewohnerinnen und Bewohner durchschnittlich 807 Euro monatlich erstattet.
Was ein Heimplatz durchschnittlich kostet
Wer im Heim lebt, muss nach Auskunft der AOK für die Pflege im Schnitt 950 Euro zuzahlen, zudem 977 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 497 Euro für Investitionskosten. Der durchschnittliche Eigenanteil stieg demnach um 7 Prozent auf 2.424 Euro, 2023 lag er noch bei 2.266 Euro, die Gesamtkosten für einen Heimplatz betrugen damals 4.297 Euro.
Seit 2022 zahlen die Pflegekassen Zuschüsse, die mit der Wohndauer steigen. Im ersten Jahr des Aufenthalts werden 5 Prozent übernommen, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 und danach 70 Prozent. Infolge dieser Reform waren die durchschnittlichen Eigenanteile kurzzeitig gesunken, von 2.234 Euro im Jahr 2021 auf 2.055 Euro im Jahr 2022.
Am höchsten war der durchschnittliche Eigenanteil im vergangenen Jahr den Angaben zufolge mit 2.764 Euro in Nordrhein-Westfalen. Am wenigsten mussten Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner in Sachsen-Anhalt zuzahlen, hier betrug der Eigenanteil im Schnitt 1.965 Euro. In Thüringen war der Anstieg der Eigenanteile im Vergleich zu 2023 mit gut 15,7 Prozent am höchsten. Im Saarland sanken die Eigenanteile im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht, nämlich um knapp 2,7 Prozent.
Geschlossene Heime
T Insolvenzen: Hier wird die Pflegekrise für alle sichtbar
Exkurs: Mehr als fünf Millionen Pflegebedürftige in Deutschland
Rund 5,7 Millionen Menschen in Deutschland sind Ende des vergangenen Jahres auf Pflege angewiesen gewesen. Damit stieg die Zahl seit Dezember 2021 um mehr als 700.000 Menschen, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Die starke Zunahme führten die Statistiker auch auf die Einführung des weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriffs 2017 zurück - seither werden Menschen eher als pflegebedürftig eingestuft als zuvor.

Pflegebedürftigkeit in Deutschland. Foto: dpa
Die Besonderheit: Bei der Zunahme pflegebedürftiger Menschen in Deutschland zeigen sich laut einer Studie große regionale Unterschiede. Den höchsten Anteil Pflegebedürftiger an allen gesetzlich Versicherten gab es 2023 vorwiegend in Kreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland, wie das Wissenschaftliche Institut der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) nach einer Auswertung auf Basis anonymisierter AOK-Versichertendaten mitteilte.
Knapp neun von zehn Pflegebedürftigen (86 Prozent oder 4,9 Millionen Menschen) wurden im Dezember 2023 zu Hause versorgt. 3,1 Millionen von ihnen bezogen laut Bundesamt ausschließlich Pflegegeld und wurden überwiegend durch Angehörige gepflegt. Weitere 1,1 Millionen Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten und wurden zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste versorgt.
Unter den zu Hause betreuten Pflegebedürftigen sind auch 680.000 Menschen mit dem niedrigsten Pflegegrad 1.640.000 von ihnen nutzten im Dezember 2023 keine Leistungen von Pflegeheimen oder ambulanten Diensten. Ob sie weitere Hilfeleistungen in Anspruch nahmen, wird in der Pflegestatistik nicht erfasst.

Dauer der Pflegebedürftigkeit nach Jahr des Pflegeeintritts. Foto: dpa
Der Pflegegrad 1 beinhaltet neben den Leistungen der ambulanten Dienste und Pflegeheime auch weitere Leistungen, die in der Pflegestatistik nicht betrachtet werden, wie zum Beispiel Beratung, Pflegekurse, Pflegehilfsmittel oder Verbesserungen des Wohnumfelds. Aufgrund des abweichenden Leistungsrechts erhalten Pflegebedürftige des Grades 1 kein Pflegegeld.
Vor allem die Zahl der zu Hause gepflegten Menschen steigt
Ein Siebtel der Pflegebedürftigen (14 Prozent beziehungsweise 800.000 Menschen) wurde nach Angaben der Statistiker in Pflegeheimen vollstationär betreut. Im Vergleich zum Dezember 2021 stieg die Zahl dieser Menschen leicht um 0,8 Prozent. Die Zahl der zu Hause gepflegten Menschen nahm dagegen stark zu um 17 Prozent, ein Plus um 721.000 Pflegebedürftige. Ebenfalls wuchs die Gruppe der Pflegebedürftigen im Pflegegrad 1, die keine Leistungen ambulanter oder stationärer Einrichtungen nutzten (plus 21 Prozent oder 118.000).
Ein Großteil der Pflegebedürftigen war 65 Jahre und älter (78 Prozent), rund ein Drittel war mindestens 85 Jahre alt. Die Mehrheit der Gepflegten war demnach weiblich (61 Prozent). Dies sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen eine höhere Lebenserwartung haben und die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu sein, mit zunehmendem Alter steigt. So seien bei den 70- bis 74-Jährigen rund elf Prozent der Menschen pflegebedürftig gewesen - die Pflegequote für die ab 90-Jährigen betrug allerdings 87 Prozent.
Patientenschützer fordern Gegensteuern
Laut dem stellvertretenden Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, David Scheller-Kreinsen, ist der Trend zu steigenden Eigenanteilen ungebrochen. Laut Analyse des Instituts werden Ende dieses Jahres Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner im günstigsten Fall schon durchschnittlich mehr als 2.500 Euro zuzahlen müssen, im ungünstigsten Fall rund 2.750 Euro. 2029 könnten die monatlichen Eigenanteile demzufolge im Schnitt zwischen gut 3.000 und knapp 4.800 Euro liegen.
Brysch sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), eine Pflegereform müsse „endlich für eine zukunftssichere und generationengerechte Pflegefinanzierung sorgen“. Neben der Deckelung der Eigenanteile müssten Hilfsbedürftige einen Versicherungszuschuss parallel zur Kostenentwicklung erhalten. Zudem müssten alle Bürgerinnen und Bürger ihren Beitrag zur Pflegeversicherung leisten. „Aber auch die Bundesländer sind in der Pflicht“, sagte Brysch weiter. Sie müssten Ausbildungs- und Investitionskosten übernehmen.
Was bringt 2025 bei der Pflege?
Die Pflegeversicherung wird für Millionen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler im neuen Jahr erneut teurer. Die Leistungen für Pflegebedürftige zu Hause und in Heimen steigen aber auch. Zum 1. Januar 2025 werden alle Leistungsbeträge der Pflegekassen um 4,5 Prozent angehoben, wie noch eine Reform der Ampel-Koalition von 2023 festlegte. Damit reduzierten sich selbst zu tragende Pflege-Ausgaben, erläuterte das Bundesgesundheitsministerium. Eine grundlegende Reform der Pflegefinanzen wird aber zum Wahlkampfthema.
- Beiträge I
Bei der Pflegeversicherung schlagen steigende Milliardenausgaben ins Kontor. Um ihre Zahlungsfähigkeit für das neue Jahr abzusichern, beschloss die Bundesregierung die nächste Beitragserhöhung, nachdem die Beiträge zuletzt im Sommer 2023 angehoben worden waren.
Zum 1. Januar 2025 kommt nun ein Aufschlag von 0,2 Prozentpunkten. Dabei geht der im Beitrag enthaltene Arbeitgeberanteil von zuletzt 1,7 Prozent auf 1,8 Prozent hoch. Einbringen soll das insgesamt jährliche Mehreinnahmen von 3,7 Milliarden Euro.
- Beiträge II
Für Versicherte ist der Beitrag nicht gleich, sondern es gibt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Staffelung je nach Kinderzahl. Bei einem Kind sind es künftig 3,6 Prozent des Bruttolohns und für Menschen ohne Kinder 4,2 Prozent.
Für größere Familien greifen Abschläge bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes. Mit zwei Kindern liegt der Beitrag künftig bei 3,35 Prozent, mit drei Kindern bei 3,1 Prozent, mit vier bei 2,85 Prozent und mit fünf und mehr Kindern bei 2,6 Prozent. Ist ein Kind älter als 25, entfällt „sein“ Abschlag. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit heraus, gilt der Ein-Kind-Beitrag.
- Pflegeleistungen
Die Leistungsausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung sind bereits auf mehr als 50 Milliarden Euro jährlich gestiegen. Nun kommt zum 1. Januar 2025 für alle Pflegeleistungen eine Erhöhung von 4,5 Prozent. Insgesamt macht das laut Ministerium 1,8 Milliarden Euro mehr aus, die den Pflegebedürftigen direkt zur Verfügung stehen.
Daneben zahlen Pflegebedürftige aber auch noch einen Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten dafür.
- Pflege zu Hause
Beim Pflegegeld, das zuvor lange nicht erhöht worden war, kommt nach einer ersten Anhebung Anfang 2024 jetzt die nächste: Je nach Pflegegrad beträgt es derzeit zwischen 332 und 947 Euro im Monat - künftig sind es zwischen 347 und 990 Euro. Pflegegeld bekommen Betroffene, die nicht in Einrichtungen leben. Sie können es frei verwenden, etwa für Betreuung.
Daneben steigt unter anderem auch der „Entlastungsbetrag“, mit dem Hilfen im Haushalt oder fürs Einkaufen finanziert werden können, von 125 Euro auf 131 Euro im Monat. Daheim betreut werden laut Ministerium rund 4,4 Millionen Pflegebedürftige.
- Pflege im Heim
Für rund 840.000 Pflegebedürftige in Heimen werden die Leistungen für die Pflege ebenfalls erhöht: bei Pflegegrad 2 von 770 Euro auf 805 Euro im Monat, bei Pflegegrad 3 von 1.262 Euro auf 1.319 Euro, bei Pflegegrad 4 von 1.775 Euro
auf 1.855 Euro und bei Pflegegrad 5 von 2.005 Euro auf 2.096 Euro im Monat.
Für den Rest der Pflegekosten wird ein Eigenanteil fällig, der seit Jahren steigt. Zur Entlastung gibt es Zuschläge, die Anfang 2024 erhöht wurden. Damit wird der Eigenanteil im ersten Jahr im Heim um 15 Prozent gedrückt, im zweiten um 30 Prozent, im dritten um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent.
- Pflege-Wahlkampf
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition sind die Erwartungen groß, dass die neue Bundesregierung die Pflegefinanzierung grundlegend neu aufstellt. „Pflege darf kein Armutsrisiko sein“, gab Gesundheitsminister Karl Lauterbach als Ziel aus. Seine SPD will die Eigenanteile für die reine Pflege im Heim bei 1.000 Euro pro Monat begrenzen - im Sommer lagen sie im bundesweiten Schnitt nach Kassendaten bei gut 1.400 Euro.
Die Union nennt im Programm unter anderem Steuermittel und „bezahlbare Pflegezusatzversicherungen“. Die FDP strebt neben Beiträgen „eine kapitalgedeckte Komponente“ an. Die Grünen wollen versicherungsfremde Leistungen „angemessener über den Staat finanzieren“. (epd/mkr/dpa)