TTödlicher Unfall: Hatte der mutmaßliche Raser von Mulsum einen Filmriss?
Der BMW M4 bohrte sich im September 2023 gegen 4 Uhr morgens in die Fassade von Müllers Gasthof in Mulsum. Foto: Vasel (Archiv)
Es war ein heftiger Unfall, der sich 2023 in Mulsum ereignete. Mit mehr als 180 km/h soll ein 30-Jähriger in einen Gasthof gerast sein, der Beifahrer starb. Nun begann der Prozess.
Mulsum. Es ist eine ganze Reihe an Straftaten, die dem Angeklagten am Montag beim Prozessauftakt im Stader Landgericht zur Last gelegt werden. Die Staatsanwaltschaft klagt den 30-Jährigen in insgesamt neun Fällen an. Der schwerwiegendste: eine Raserei mit Todesfolge.
Der Angeklagte neben seiner Rechtsanwältin Katja Schade. Foto: Pauline Meyer
„Ich habe Ihr Leben unerträglich gemacht. Daran denke ich jeden Tag. Ich bitte Sie um Verzeihung.“ Diese Worte richtete der Angeklagte an die Eltern des in der Unfallnacht verstorbenen 25-Jährigen, die als Nebenkläger auftreten.
Crash in die Fassade vom Gasthof
Was war geschehen? In der Nacht des 2. September 2023 fuhr ein BMW frontal in die Fassade von Müllers Gasthof in Mulsum. Der Pkw war gegen 3.51 Uhr aus der Linkskurve geraten, überfuhr die Verkehrsinsel Im Dänsch und hob dabei leicht ab.
Durch den Aufprall verstarb der Besitzer des Fahrzeugs, der laut Staatsanwaltschaft auf dem Beifahrersitz gesessen haben soll. Dem mutmaßlichen Raser wird vorgeworfen, das Fahrzeug auf mehr als 180 km/h beschleunigt und dabei die Kontrolle verloren zu haben. Mehrere Zeugen bestätigten das enorme Tempo, mit dem der blaue, auffällige BMW unterwegs war.

So sah es im Eingangsbereich von Müllers Gasthof in Mulsum nach dem Unfall aus. Foto: Vasel (Archiv)
„Ich hatte einen Filmriss“, gab der Angeklagte zum Geschehen in der Unfallnacht an. Seine Erinnerungen reichen nur bis zu einem Zwischenstopp in Mulsum, bis zu dem er ausschließlich Beifahrer gewesen sein will. Ab da setzten seine Erinnerungen aus, so der Angeklagte. Wieso er dann gefahren sein soll, könne er sich nicht erklären.
Der Abend begann laut Aussage des Tatverdächtigen an einer Harsefelder Tankstelle. Dort traf er das spätere Unfallopfer, mit dem er bis vor sechs Jahren eng befreundet war. Dann sei der Kontakt eingeschlafen. Am besagten Abend seien die beiden Männer ins Gespräch gekommen und hätten kurzerhand beschlossen, den Abend zusammen zu verbringen.
Trotz Alkoholkauf: Blutwert am Folgetag ergab null Promille
Wie der mutmaßliche Täter sich erinnere, seien sie umhergefahren bis der Tank leer war. Er sei dann per Anhalter zur nächsten Tankstelle gefahren, um Benzin zu holen. In Sittensen hätten sie dann vollgetankt.
Der Angeklagte gab an, sich während der Nacht an mehreren Tankstellen Alkohol gekauft zu haben. Insgesamt 10 bis 15 vorgemischte Jack-Daniels-Cola-Dosen sollen es gewesen sein.
Bei einer Blutabnahme im Krankenhaus rund zehn Stunden nach dem Unfall habe sein Blutalkoholwert allerdings bei 0,0 Promille gelegen, so der Anwalt der Nebenklage.
Prozess in Mönchengladbach
Lange Haftstrafen für Kinderpornografie-Bande
Weiter gab der 30-Jährige an, er und das spätere Unfallopfer hätten zweimal eine Diskothek in Heinbockel besucht und seien sogenannte Burnouts gefahren, hätten also absichtlich Bremsstreifen auf der Fahrbahn verursacht. Davon soll es auf dem iPhone des Verstorbenen auch ein Handyvideo geben.
Im Gerichtsprozess vermeldete der Rechtsanwalt der Nebenklage dann überraschend, dass die Mutter des Verstorbenen dessen Smartphone in Besitz habe und zur Verfügung stellen wolle.

Das Stader Landgericht: Hier startete in dieser Woche der Prozess gegen einen 30-Jährigen. Foto: Pauline Meyer
Der Angeklagte berichtet weiter, dass die beiden Männer in Mulsum, nur wenige Straßen vom Unfallort entfernt, einen Zwischenstopp eingelegt hatten. Bei einem Bekannten wollte der mutmaßliche Raser Kokain kaufen. Doch dieser war nicht zu Hause. Ab dann setzt seine Erinnerung laut eigener Aussage aus. Er erinnere sich erst wieder, im Krankenhaus aufgewacht zu sein. Der Angeklagte wurde bei dem Unfall lebensgefährlich verletzt.
Lebensgefährtin erhielt noch ein Video aus der Unfallnacht
Per Videocall machte die Freundin des Verstorbenen ihre Aussage. Mit dem Auto, so erzählt es die Zeugin, habe ihr Freund sich einen Traum erfüllt. „Das war für ihn das Tollste“, sagt sie. Zwar sei er gerne „zügig unterwegs“ gewesen - andere Verkehrsregeln habe er jedoch nie missachtet.

Feuerwehr- und THW-Kräfte am nächsten Tag bei den Sicherungsarbeiten. Foto: Vasel (Archiv)
An die Unfallnacht erinnert sie sich so: Gegen 22.30 Uhr sei ihr Lebensgefährte noch mal nach Hause gekommen, um sich eine Jacke zu holen. Mit einem Luftkuss habe er sich dann von ihr verabschiedet. Danach habe sie noch einmal mit ihm per Facetime telefoniert, bevor sie sich schlafen legte.
Am nächsten Morgen habe sie dann ein Snapchatvideo von ihrem Freund gesehen, auf dem der Tacho des BMW zu sehen war. „Ich bin mir sicher, dass es mehr als 120 km/h waren“, gab sie zu Protokoll. Und sie sei sich sicher, dass jemand anderes am Steuer saß. Erst später am Tag erfuhr sie, dass ihr Lebensgefährte verunglückt war.
Polizei erwischt Raser
Fahranfänger rast mit Tempo 110 durch Osnabrück
Laut Staatsanwaltschaft war die Unfallnacht nicht das Ende der kriminellen Laufbahn des Angeklagten. Er soll auch nach dem 2. September 2023 noch mehrfach gegen das Gesetz verstoßen haben.
Neben dem verbotenen Autorennen mit Todesfolge wird er wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, tätlichen Angriffs auf und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Trunkenheit im Verkehr, fahrlässigen Fahrens ohne Haftpflichtversicherungsvertrag, Urkundenfälschung und unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs, Diebstahls und unerlaubten Entfernens vom Unfallort angeklagt.
An weiteren vier Verhandlungstagen wird der Prozess fortgesetzt. Das Urteil wird am 3. Dezember erwartet.
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.