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Auszeichnung

TPrügelei am Bahnhof: Stader Michael Quelle zeigt Zivilcourage

Die Bundespolizei hat Michael Quelle einen Rucksack geschenkt, mit dem sie für Zivilcourage wirbt.

Die Bundespolizei hat Michael Quelle einen Rucksack geschenkt, mit dem sie für Zivilcourage wirbt. Foto: Richter

Damit das Zusammenleben zwischen Menschen funktioniert und nicht einfach das Faustrecht gilt, braucht es Zivilcourage. Der Stader Michael Quelle hat sie in einer brenzligen Situation bewiesen.

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Von Anping Richter
Sonntag, 20.10.2024, 17:50 Uhr

Stade. „Es war eine spontane Entscheidung“, sagt der 71-jährige Michael Quelle. Er wartete auf dem Rückweg von Hamburg nach Stade in Harburg auf seine Bahn, als er sah, wie ein junger Mann sich unversehens auf einen anderen stürzte und ihn mit Tritten traktierte. Quelle griff sofort ein, zuerst mit seiner Stimme: „Halt! Stopp! Auseinander!“

Er rief das laut, um die anderen Leute auf dem Bahnsteig aufmerksam zu machen - „und um klarzustellen: Hier ist öffentlicher Raum“, sagt Michael Quelle. Was danach passierte, haben Videokameras aufgezeichnet. Weil es ein laufendes Verfahren gibt und er Zeuge ist, will er die Details aber nicht schildern. Er fasst zusammen: „Ich bin deeskalierend dazwischengegangen.“

Michael Quelle lobt die gute Betreuung nach dem Vorfall

Beamte der Bundespolizei, die in der Nähe waren, wurden bald aufmerksam und schritten ein. Am nächsten Tag bekam Michael Quelle zu Hause einen Anruf von einem Beamten, der sich erkundigte: „Wie geht es Ihnen?“. Michael Quelle lobt die einfühlsamen Gespräche und die gute Betreuung durch die Bundespolizei. Wenig später machte er seine Zeugenaussage.

„Die Polizisten sagten mir, es sei sehr wichtig, dass Menschen sich kümmern und nicht wegschauen“, berichtet Quelle, der vielen wegen seiner Recherchen und pädagogischen Arbeit über die Opfer des Nationalsozialismus und als Linken-Politiker in der Region bekannt ist. Die Bundespolizei führt mit der Deutschen Bahn aktuell unter dem Titel „Hinsehen statt weggehen“ eine Kampagne dazu durch.

„Gezielt agiert, aufmerksam reagiert!“: Das bescheinigt die Bundespolizei Michael Quelle auf dieser Urkunde für Zivilcourage.

„Gezielt agiert, aufmerksam reagiert!“: Das bescheinigt die Bundespolizei Michael Quelle auf dieser Urkunde für Zivilcourage. Foto: Richter

Die Polizisten fragten Michael Quelle, ob er einverstanden wäre, an einer Ehrung teilzunehmen, als offiziellen Dank für seinen Einsatz. Das war er. Der Vorfall hatte sich im Mai ereignet. Inzwischen hat die Bundespolizei Hamburg ihm mit einer Urkunde ihren Dank ausgesprochen und bescheinigt, „gezielt agiert und aufmerksam reagiert“ zu haben. Als Geschenk erhielt er einen Rucksack mit der Aufschrift „Zeigen Sie Zivilcourage. Hinsehen statt Weggehen“, den er sehr gerne trage.

Michael Quelle zeigt mehrfach Zivilcourage

Konflikte lösen - das beschäftigt Michael Quelle in vieler Hinsicht. Seine aktuelle Lektüre ist das Buch: „Worte statt Waffen - Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann“ von Jan van Aken. In seinem Alltag findet Quelle immer wieder Anlass, sich gegen Gewalt und für ein friedliches Miteinander einzusetzen. Erst Anfang September wurde er erneut Zeuge einer körperlichen Auseinandersetzung in der Bahn.

Der Zug war gut besetzt. Doch wieder war er derjenige, der aktiv eingriff und laut „Halt! Stopp! Auseinander!“ rief. Diesmal reichte das, um die Sache zunächst zu stoppen. Weil er das Gefühl hatte, dass der Konflikt dennoch nicht ganz beigelegt war, machte Quelle sich trotzdem auf die Suche nach einem Zugbegleiter.

Den fand er nicht, dafür aber einen Beamten der Hamburger Polizei, dem er das Geschehen schilderte. Zusammen gingen sie zurück in das Abteil, wo tatsächlich die körperliche Auseinandersetzung wieder in vollem Gange war. Der Polizist beendete sie in Höhe des Bahnhofs Hemmoor. Auch hier ist ein Verfahren anhängig und Michael Quelle Zeuge.

Menschen können helfen, ohne den Helden zu spielen

Dass sein Verhalten vorbildlich war, zeigen praktische Tipps der Bundespolizei im Rahmen der Kampagne. So sollen zum Beispiel sechs Regeln für kritische Situationen zeigen, dass jeder Mensch - unabhängig von Alter, Geschlecht, Größe oder Körperbau - Hilfe leisten kann, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen:

  • Hilf, aber bring dich nicht in Gefahr
  • Ruf die Polizei unter 110
  • Bitte andere um Mithilfe
  • Präge dir Tätermerkmale ein
  • Kümmere dich um Opfer
  • Sag als Zeuge aus

Die Bundespolizei bietet auch Schulungen für verschiedene Altersgruppen zum Thema Zivilcourage an und gibt Tipps, wie man in kritischen Situationen ein umsichtiges Zeugen-Helfer-Verhalten zeigt, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Michael Quelle sagt, dass er Achtsamkeit für den öffentlichen Raum auch in anderen Bereichen wichtig findet und nennt Beispiele: die Nachbarn im Kopenkamp zum Beispiel, die gemeinsame Aktivitäten und Veranstaltungen organisieren. Oder einen Stader, den er oft dabei beobachtet, wie er im Park Müll aufhebt und in seinem Einkaufstrolley sammelt und entsorgt.

Respekt für das Gewaltmonopol von Justiz und Polizei

Der Debatte um das Sicherheitsgefühl in der Stader Innenstadt und dem Vorschlag aus der Politik, dass die Stadt zusätzliche Ordnungskräfte einstellen soll, kann Michael Quelle dagegen wenig abgewinnen. Wenn es nötig wird, strenger darauf zu achten, dass die Regeln im öffentlichen Raum eingehalten werden, wäre es aus seiner Sicht besser, das Gewaltmonopol von Justiz und Polizei zu respektieren und diese besser auszustatten.

Michael Quelle würde sich auch wünschen, dass mehr Streetworker beschäftigt werden. Vor allem aber sei es Aufgabe jedes Einzelnen, sich einzusetzen: „Wir müssen den öffentlichen Raum pflegen und ein offenes und respektvolles Miteinander fördern, damit er für jeden zugänglich bleibt und sich nicht entvölkert.“

Die Kampagne "Hinsehen statt weggehen"
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