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Energiewende

TRückbau des AKW Stade: Der nächste Schritt ist weithin sichtbar

Abriss des Maschinenhauses am ehemaligen Kernkraftwerk Stade. Der Bagger bringt 110 Tonnen auf die Waage. Die Schere, mit der er sich durchs Gebäude beißt, wiegt zwei Tonnen.

Abriss des Maschinenhauses am ehemaligen Kernkraftwerk Stade. Der Bagger bringt 110 Tonnen auf die Waage. Die Schere, mit der er sich durchs Gebäude beißt, wiegt zwei Tonnen. Foto: Strüning

Das große rechteckige Gebäude neben der Kuppel gehörte jahrzehntelang zur Silhouette des Kernkraftwerks in Stade. Aber nicht mehr lange, es wird seit Mittwoch abgebrochen. Das hört sich leichter an, als es ist.

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Von Lars Strüning
Mittwoch, 05.06.2024, 19:40 Uhr

Stade. Am Stader Elbufer, in Bassenfleth direkt an der Grenze zum Alten Land, ist die deutsche Energiewende sichtbar. Die Schienen, auf denen einst die Castoren des Stader Kernkraftwerks abtransportiert wurden, sind zugewachsen.

Die Stromleitungen, die vom Meiler ins deutsche Netz führten, sind abgebaut. Der Gebäudebestand wird immer lichter.

Die kreischenden Möwen werden nur vom Bagger übertönt

Auf dem großflächigen Gelände sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Kreischende Möwen beherrschen das Bild. Sie brüten gerade in Vielzahl.

Der Lärmpegel wird lediglich übertönt vom Krach des Baggers, der sich am Mittwoch das Maschinenhaus nebst Schaltanlagengebäude für den Abbruch vorgenommen hat. Drei Monate sollen diese Arbeiten in Anspruch nehmen.

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Unternehmer Jörg Freimuth aus Bülkau (Landkreis Cuxhaven) liebt diese Baustelle. Seit anderthalb Jahren beißen sich seine schweren Maschinen durch das Gewirr von Beton, Mauern und Stahl. Mit bis zu 15 Baggern ist er und ist vor allem sein Bauleiter Torsten Klein im Einsatz, um die massiven Gebäude dem Erdboden gleichzumachen. Freimuth fährt schweres Geschütz auf.

Am Mittwoch, beim „Anbiss“, nagte ein 110 Tonnen schwerer Bagger mit einer zwei Tonnen wiegenden Schere an der Außenhaut des Maschinengebäudes. Der Abbruch selbst ist schnell gemacht. Aber Vor- und Nacharbeiten gestalten sich hier im Hochsicherheitsbereich mit womöglich radioaktiver Strahlung, aber gewiss mit Asbest versetzten Gebäuden, zeit-, arbeits- und kostenintensiv.

Abbruch ist schnell erledigt - dann wird Müll sortiert

Die Pläne von Thomas Mandrysch stammen aus dem Jahre 2007. Er selbst ist jetzt vor Ort und darf sie umsetzen. Ein halbes Jahr Vorarbeiten waren nötig, um die Gebäude zu entkernen und schadstofffrei zu bekommen. Die Aufräumarbeiten, das Sortieren des Mülls wird bis Ende des Jahres dauern.

Mandryschs Kollege Dietmar Hoffmann zählt auf: In dem einen Gebäude mussten allein 700 Schaltanlagen demontiert werden. Alles per Hand, ergänzt Bauleiter Torsten Klein. Sie wurden auseinandergebaut und für eine mögliche Wiederverwertung sortiert. Wie alles was das Gelände verlässt, wurden sie durchgemessen und vom Gutachter als schadstofffrei deklariert.

Stade ist ein bundesweites Pilotprojekt. Zum ersten Mal wird ein Großkraftwerk zerlegt, so dass am Ende nichts mehr von ihm übrigbleibt. Von den Erfahrungen an der Elbe sollen die weiteren Reaktor-Rückbauten profitieren. Eine gute Milliarde Euro fließen in den Rückbau.

Stade als Pionierprojekt für alle weiteren deutschen Atomkraftwerke

„Wir sind die Pioniere für Kernkraftwerke in Deutschland“, sagt Dietmar Hoffmann. Kein Tag sei wie der andere, jeder biete neue Herausforderungen. „Seit 20 Jahren verändern wir die Anlage Tag für Tag“, sagt Thomas Mandrysch. Das AKW Stade war 2003 vom Netz genommen worden.

Haben die Demontage im Blick (von links): Marco Albers, Jörg Freimuth, Torsten Klein, Dietmar Hoffmann und Thomas Mandrysch.

Haben die Demontage im Blick (von links): Marco Albers, Jörg Freimuth, Torsten Klein, Dietmar Hoffmann und Thomas Mandrysch. Foto: Strüning

Das Schaltanlagengebäude war einst das Herz des Werkes. Hier stand die Warte, von der aus alle Vorgänge rund um die Kernspaltung überwacht und gesteuert wurden. Nebenan das wuchtige Maschinenhaus, wo Turbinen und Generatoren standen, wo aus Dampf Strom gewonnen wurde.

1969 wurde das AKW gebaut, 38 Meter hoch, 75 Meter lang, 36 Meter breit. Das Schaltanlagengebäude ist 66 Meter lang, 13 Meter breit und 27 Meter hoch. Wenn sie jetzt wegfallen, ist der Blick frei auf die Elbe. Nicht nur für die Kollegen auf der Nordseite des Verwaltungsgebäudes, sondern auch für die Anwohner aus Wöhrden. Das ehemalige AKW verliert sein bekanntes Antlitz.

Wann der Abbruch erledigt ist

Bleiben noch die charakteristische Betonkuppel und das Bürogebäude. Die Reaktorkuppel soll im Herbst 2025 angegangen werden, über die Zukunft des letzten verbleibenden Zweckbaus ist noch nicht entschieden, sagt der Technische Leiter Marco Albers. Ende 2026, so der Plan, sind die Abbrucharbeiten beendet. Und dann?

PreußenElektra als Eon-Tochter und Abzweiger Uniper planen, den Standort mit seinen 120 Hektar weiterhin zur Energiegewinnung zu nutzen, so wie es das Landesraumordnungsprogramm für das Areal vorsieht. Dann handelt es sich aber um regenerative Formen.

Gelände an der Elbe wird für regenerative Energien genutzt

Was sich die Unternehmen vorstellen könnten, erklären sie am Donnerstagnachmittag, 6. Juni, öffentlich im Stader Ausschus für Stadtplanung, der von 17 Uhr an im Ratssaal des historischen Rathauses tagt. Dann heißt es: „Rahmenplan Schwingemündung - Vorstellung der Planungsziele für den Bereich südlich der Schwinge inkl. ehem. AKW-Gelände durch die Arcadis Germany GmbH“.

Astrid Schomaker, Kollegin von Marco Albers, verspricht: „Da kommt Bewegung rein.“ Allerdings wird es nicht die touristische Nutzung im großen Stil werden, wie einst von manch einem in Form einer Ferienhaussiedlung erträumt. Stade bleibt Energiestandort.

Untypisch für Maschinenhäuser: Die Fensterfront, kurz vor dem Abriss.

Untypisch für Maschinenhäuser: Die Fensterfront, kurz vor dem Abriss. Foto: PreußenElektra

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