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Landtag

TScharfe Kritik: Wahlkreis-Reform zerstört gewachsene Strukturen

Landrat Kai Seefried (CDU) spricht sich gegen die Zerschlagung der Landtagswahlkreise aus.

Landrat Kai Seefried (CDU) spricht sich gegen die Zerschlagung der Landtagswahlkreise aus. Foto: Klempow

CDU und Landrat sind sauer: Als nicht sinnvoll und nicht akzeptabel stufen sie die Pläne ein, die Landtagswahlkreise neu zu ordnen. Die Abgeordnete Birgit Butter hat einen Verdacht.

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Von Karsten Wisser
Mittwoch, 14.05.2025, 18:50 Uhr

Landkreis. „Das ist zwar erst einmal nur ein Vorschlag, aber aus meiner Sicht ist diese Idee der Neuaufteilung nicht sinnvoll und auch nicht akzeptabel“, sagt Landrat Kai Seefried (CDU) zu den geplanten neuen Zuschnitten für die Landtagswahl 2027. Damit würden gewachsene Strukturen und die bewährte Ausrichtung an der Grenze des Landkreises zerstört, so Seefried.

Gerade diese Verbindung zwischen Landkreis und Wahlkreisen sei absolut sinnvoll. „So ist eine optimale Wahrnehmung der Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises gewährleistet“, ist der Landrat überzeugt.

Der Wahlkreis Buxtehude soll Harsefeld verlieren

Darum geht es bei der Reform: Der Landeswahlleiter hat einen Vorschlag zur Neuordnung der Landtagswahlkreise vorgelegt. Er folgt damit einem Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs. Dieser hatte den jetzigen Zustand für verfassungswidrig erklärt.

So sind die Wahlkreise in der Region bisher aufgeteilt.

So sind die Wahlkreise in der Region bisher aufgeteilt. Foto: Landesamt für Statistik

Hintergrund ist die demografische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die zu erheblichen Abweichungen bei der Zahl der Wahlberechtigten in den Wahlkreisen geführt hat. Dem Urteil zufolge müssen die Wahlkreise zur Landtagswahl 2027 neu zugeschnitten werden.

Konkret: Insgesamt 33 Wahlkreise über- oder unterschreiten die Abweichungsgrenze von 15 Prozent bei der Anzahl der Wahlberechtigten. In Deutschland müssen die Wahlkreise nämlich so eingeteilt werden, dass ihre Einwohnerzahl in etwa gleich groß ist. Da das in vielen Fällen nicht ganz einfach ist, gibt es die erwähnte Abweichungsgrenze von 15 Prozent.

Nordkehdinger sollen nach Cuxhaven kommen

Der Wahlkreis Buxtehude ist demnach deutlich zu groß und soll die Samtgemeinde Harsefeld an Bremervörde verlieren. Der Wahlkreis Stade soll zudem Nordkehdingen abgeben, obwohl er fast die optimale Wähleranzahl hat (das TAGEBLATT berichtete exklusiv).

Corinna Lange ist Landtagsabgeordnete und SPD-Vorsitzende im Landkreis Stade.

Corinna Lange ist Landtagsabgeordnete und SPD-Vorsitzende im Landkreis Stade. Foto: Strüning

Die Landtagsgeordnete und SPD-Kreisvorsitzende Corinna Lange reagiert diplomatisch auf die Pläne: „Der Landeswahlleiter hat mit diesem Entwurf eine solide, erste mathematische Grundlage vorgelegt.“ Nun schließe sich das parlamentarische Verfahren an, in dem die Vorschläge, insbesondere unter regionalen Gesichtspunkten, geprüft werden müssten, so Lange.

Historische, politische und gesellschaftliche Verbindungen

„In unserem Land gibt es viele gewachsene Strukturen, die über bloße Rechenmodelle hinausgehen und die wir bestmöglich berücksichtigen müssen: historische, politische und gesellschaftliche Verbindungen und Grenzen, die bei der Neuordnung so weit wie möglich Beachtung finden sollten“, sagt Lange.

Die Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Melanie Reinecke verfolgt die Auszählung der Bundestagswahl in Stade.

Die Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Melanie Reinecke verfolgt die Auszählung der Bundestagswahl in Stade. Foto: Vasel

Ihre CDU-Kollegin Melanie Reinecke - ebenfalls Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende - warnt vor zu schnellen Urteilen: „Beschlossen wurde noch nichts. In der Vergangenheit wurde keine Änderung an den Zuschnitten der Wahlkreise in Niedersachsen so beschlossen, wie es der Vorschlag vorsah“, sagt sie.

In der Vergangenheit wurde keine Änderung an den Zuschnitten der Wahlkreise in Niedersachsen so beschlossen, wie es der Vorschlag vorsah

Melanie Reinecke, Landtagsabgeordnete und CDU- Kreisvorsitzende

Den Inhalt der Änderung für den Wahlkreis finde sie als betroffene Abgeordnete aber nicht begrüßenswert. Stade verzeichne ein Plus an Einwohnern, befindet sich aber innerhalb der Toleranz und hat auch noch Luft nach oben. „Die geplante Änderung, die Samtgemeinde Nordkehdingen dem Wahlkreis Cuxhaven zuzuordnen, verändert gewachsene Strukturen“, so Reinecke.

CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter befürchtet eine Schwächung der Christdemokraten.

CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter befürchtet eine Schwächung der Christdemokraten. Foto: Birgit Butter

„Der Vorschlag des Landeswahlleiters scheint am Reißbrett gemacht worden zu sein und missachtet die gewachsenen Strukturen des Wahlkreises Buxtehude“, wird Birgit Butter, CDU-Abgeordnete für Buxtehude, deutlicher. „Ich kann das absolute Unverständnis der Bürgerinnen und Bürger darüber verstehen, warum gerade sie ausgegliedert und wahltechnisch dem Nachbarlandkreis Rotenburg zugeordnet werden sollen“, so Butter.

Die Hedendorfer Bürgermeisterin legt nach: „Die Zuordnung der Samtgemeinde Harsefeld zu Bremervörde im Landkreis Rotenburg macht keinen Sinn – es sei denn, man möchte aus wahltaktischen Gründen einen CDU-dominierten Wahlkreis zerschlagen, aber soweit möchte ich derzeit noch nicht gehen.“

Björn Protze ist SPD-Fraktionsvorsitzender im Stader Kreistag.

Björn Protze ist SPD-Fraktionsvorsitzender im Stader Kreistag. Foto: Berlin

Auch Björn Protze, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, hält vom Neuzuschnitt der Wahlkreise nicht viel. „Nordkehdingen gehört zum Landkreis Stade und sollte auch Bestandteil des Wahlkreises Stade bleiben“, sagt er. „Ich spreche mich vehement dagegen aus, dass dieser schöne Teil unseres Landkreises dem Wahlkreis Cuxhaven zugeschlagen wird“, so Protze. Das gleiche gelte für die Zugehörigkeit Harsefelds zu Buxtehude. „Die drittgrößte Kommune im Landkreis und Zentralgemeinde der Stader Geest ist in einer gewachsenen Struktur mit den Nachbarkommunen“, so Protze.

Deutlich werde, dass eine Verwaltung in Hannover anhand von Zahlen einen Vorschlag gemacht hat, der keine regionalen Besonderheiten berücksichtige. Trotz der Kritik ist Protze optimistisch: „Ich setze großes Vertrauen in die Regierungskoalition, dass dieser unsinnige Vorschlag nicht umgesetzt wird.“

Mirco Dawideit ist Vorsitzender der CDU in der Samtgemeinde Harsefeld.

Mirco Dawideit ist Vorsitzender der CDU in der Samtgemeinde Harsefeld. Foto: Fehlbus

Auch vor Ort gibt es Widerstand. „Harsefeld gehört zum Landkreis Stade – Punkt. Die geplante Wahlkreisreform ignoriert gewachsene Strukturen, regionale Identität und den Willen der Menschen vor Ort“, sagt Mirco Dawideit, Vorsitzender Harsefelder CDU.

CDU-Generalsekretär: Das ist ein Schlag ins Kontor

Wenig begeistert über die Pläne ist auch der CDU-Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Bremervörde, Marco Mohrmann. Er ist auch CDU-Generalsekretär. Der bisherige Wahlkreis Bremervörde erfülle die Anforderungen an die Größe eines Wahlkreises perfekt.

Zudem handele es sich bei seinem Heimatwahlkreis in den bisherigen Ausmaßen um eine Abbildung des Altkreises Bremervörde und somit der Grenzen des Nordkreises des Landkreises Rotenburg. Das Gebiet sei eine natürliche gewachsene Struktur ­auch im Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen.

„Dieses Gebilde nun zerschlagen zu wollen, um jeweils die Einwohnerzahlen der Nachbarwahlkreise anzupassen ist für mich ein Schlag ins Kontor“, so der Christdemokrat.

So sollen die Landtagswahlkreise für die nächste Wahl 2027 aussehen.

So sollen die Landtagswahlkreise für die nächste Wahl 2027 aussehen. Foto: Landesamt für Statistik

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