Zähl Pixel
Krankheit

TSchicksalsschlag: Staderin bekommt Brustkrebs trotz abgenommener Brüste

Mareike Henning hat eine lange Reise als Brustkrebspatientin inklusive Chemotherapie und Haarverlust hinter sich. Die Perücke, die sie in der Hand hält, hatte sie aber fast nie auf.

Mareike Henning hat eine lange Reise als Brustkrebspatientin inklusive Chemotherapie und Haarverlust hinter sich. Die Perücke, die sie in der Hand hält, hatte sie aber fast nie auf. Foto: Stehr

Mit der Diagnose eines Gendefekts beginnt für Mareike Henning 2018 eine körperliche Tortur, die noch immer nicht vorbei ist. Die Geschichte einer Kämpferin.

author
Von Lena Stehr
Freitag, 20.06.2025, 18:50 Uhr

Stade. Mareike Henning kann sich noch gut an den Traum erinnern, mit dem 2023 eines der furchtbarsten Kapitel in ihrem Leben begann. Ihre Mutter und ihre Oma, beide waren bereits tot, erschienen ihr und sagten: Wenn du dich nicht endlich um dich selbst kümmerst, kommen wir dich bald holen.

Damals hatte Mareike Henning bereits mehrere Operationen überstanden. Die Staderin hatte sich prophylaktisch beide Brüste abnehmen lassen und dachte, sie hätte das Schlimmste hinter sich - doch so war es leider nicht.

Schockdiagnose erhöhtes Brustkrebsrisiko

Ihre erste Schockdiagnose bekommt Mareike Henning im März 2018, damals ist sie 38 Jahre alt. Bei ihr wird der Gendefekt BRCA1 festgestellt. Das bedeutet, dass sie ein besonders hohes Risiko hat, an der aggressivsten Brustkrebsform zu erkranken, die es gibt - dem sogenannten Triple negativ. Auch Eierstöcke können davon betroffen sein. Männer, die den Gendefekt haben, können ebenfalls Brustkrebs bekommen. Kurz zuvor war bei Mareike Hennings Mutter genau dieser Brustkrebs diagnostiziert worden. Sie verlor den Kampf gegen die Krankheit im Februar 2020.

Wie sie mit ihren blonden Haaren aussieht, hielt Mareike Henning kurz vor der Chemotherapie im Bild fest.

Wie sie mit ihren blonden Haaren aussieht, hielt Mareike Henning kurz vor der Chemotherapie im Bild fest. Foto: Stehr

„Direkt nach der Diagnose war für mich klar, dass ich mir die Brüste abnehmen lassen will“, sagt Mareike Henning. Weil auch schon ihre Schwiegermutter an Krebs gestorben ist, wollte sie alles dafür tun, die Krankheit nicht zu bekommen.

Insgesamt muss Mareike Henning bis 2022 sieben Operationen über sich ergehen lassen, bis ihre Brust mit Eigengewebe wieder aufgebaut ist. Teilweise liegt sie nach den Eingriffen mit ihrer Mutter im gleichen Zimmer einer Hamburger Klinik.

Nach überstandener Brustabnahme, der sogenannten Mastektomie, sortiert Mareike Henning ihr Leben neu, hängt den Job als Tagesmutter an den Nagel und tritt eine Stelle in einer Zahnarztpraxis an. Sie erfüllt sich gemeinsam mit ihrem Mann und ihrem Sohn Reiseträume, lebt Momente bewusster. „Trotzdem habe ich mir in all den Jahren zu wenig Zeit für mich genommen“, sagt Mareike Henning rückblickend.

Schockdiagnose Tumor in der Brust

Die zweite Schockdiagnose schlägt ein wie eine Bombe. Wenige Tage nach dem bedrückenden Traum spielt Mareike Hennings Körper verrückt. Sie fühlt sich müde, ihr ist schwindelig, sie hat Kopfschmerzen. Eigentlich steht die Entfernung der Eierstöcke und ihrer Gebärmutter an, doch daraus wird nichts.

Mareike Henning hat einen bösartigen Tumor in der Brust. Er ist in ihrem wenigen noch vorhandenen Brustgewebe gewachsen. Dass es dieses geringe Restrisiko gibt, war ihr nicht bewusst, sagt Mareike Henning. Ihrer Meinung nach haben die Ärzte nicht genug Gewebe entfernt und es wurde versäumt, ein Kontroll-MRT zu machen.

Mareike Henning ist immer offen mit ihrer Krebsdiagnose umgegangen und hat auch ihre Glatze nicht versteckt.

Mareike Henning ist immer offen mit ihrer Krebsdiagnose umgegangen und hat auch ihre Glatze nicht versteckt. Foto: Stehr

„Ich fühlte mich wie im falschen Film“, sagt die 45-Jährige. Sie fängt an, ihre Geschichte auf Instagram (mareike_brustkrebsreise) zu teilen, tauscht sich dort mit anderen Betroffenen aus. Fast 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Krebserkrankung, die in den vergangenen fünf Jahren diagnostiziert wurde. Jährlich erkranken laut dem Robert Koch-Institut (RKI) insgesamt etwa 500.000 Menschen neu an Krebs. Brust­krebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen, gefolgt von Darm- und Lungenkrebs. Etwa ein Prozent aller Brustkrebs-Neu­erkrankungen betrifft auch Männer.

Mareike Henning hat ihre Glatze nicht versteckt.

Mareike Henning hat ihre Glatze nicht versteckt. Foto: privat

Auf die Krebsdiagnose im Herbst 2023 folgen eine Operation, 16 Chemobehandlungen und 20 Bestrahlungen. Mareike Henning rasiert sich ihre blonden Haare ab, weil sie selbst entscheiden will, wann sie eine Glatze bekommt. Ihre zwei Perücken trägt sie kaum, geht offen mit ihrer Krankheit um, versteckt sich nicht.

Seit wenigen Wochen nimmt sie jetzt auch psychologische Hilfe in Anspruch. Es fällt ihr grundsätzlich schwer, Hilfe anzunehmen. Sie meint, immer funktionieren zu müssen, kann schlecht nein sagen - daran konnte auch der Krebs nichts ändern, sagt Mareike Henning. Dabei weiß sie, wie wichtig es ist, auf den Körper zu hören und dass Selbstfürsorge nichts mit Egoismus zu tun hat.

Mareike Henning Therapie ist aber immer noch nicht abgeschlossen. Noch bis September muss sie jeden Tag vier Tabletten nehmen, die einen Rückfall verhindern sollen. Die Nebenwirkungen sind heftig und reichen von Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bis zu Kopfschmerzen und Erschöpfung.

Während ihrer Chemotherapie ging es es Mareike Heninng oft schlecht.

Während ihrer Chemotherapie ging es es Mareike Heninng oft schlecht. Foto: Stehr

Trotzdem hat sie mit Hilfe einer Autorin ein Buch über ihre Geschichte geschrieben. „Irgendwann werde auch ich ein Engel sein“ konnte mit Hilfe von Crowdfunding (auf Deutsch: Schwarm- oder Gruppenfinanzierung) realisiert werden und ist seit einigen Tagen im Buchhandel erhältlich. Einen Teil des Erlöses will Mareike Henning an den Wünschewagen Niedersachsen spenden.

Mareike Henning hat ein Buch über ihre Brustkrebsreise geschrieben.

Mareike Henning hat ein Buch über ihre Brustkrebsreise geschrieben. Foto: Stehr

Ein großer Wunsch von Mareike Henning ist gerade in Erfüllung gegangen. Ihr Sohn Joris hat sein Abitur geschafft, gemeinsam feierte die Familie auf dem Abiball. Feiern wird Mareike Henning auch den Tag im Jahr 2026, an dem sie drei Jahre krebsfrei ist. Denn wenn der Krebs zurückkomme, dann meistens in den ersten zwei bis drei Jahren. „Die Angst ist da, die kann man nicht wegoperieren“, sagt Mareike Henning.

Stolze Mama: Mareike Hennings Sohn Joris hat gerade sein Abitur bestanden.

Stolze Mama: Mareike Hennings Sohn Joris hat gerade sein Abitur bestanden. Foto: privat

Seit ihrer Brutskrebsdiagnose lebt Mareike Henning noch bewusster und erfüllt sich ihre Träume. Dazu gehörte auch eine Reise nach New York.

Seit ihrer Brutskrebsdiagnose lebt Mareike Henning noch bewusster und erfüllt sich ihre Träume. Dazu gehörte auch eine Reise nach New York. Foto: privat

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Weitere Artikel