TSchockdiagnose Krebs: „Dachte, dass ich meine Beerdigung planen muss“

Martina Kiehl (li.) und Annegret Meyer waren beide an Hautkrebs erkrankt. Foto: Stehr
Krebs. Viele fallen nach der Diagnose erstmal in ein Loch. Doch es gibt Hoffnung - und Hilfe vor Ort. Hier erzählen zwei Staderinnen ihre Geschichte.
Stade. „Ich bin in ein Loch gefallen und dachte, dass ich bald meine Beerdigung organisieren muss“, so beschreibt Annegret Meyer die Zeit nach ihrer ersten Krebsdiagnose im Jahr 2006.
Damals war die Staderin 60 Jahre alt, ein Fleck auf ihrer Brust kam ihr komisch vor. „Das muss sofort raus, hat mir Hautarzt Dr. Breitbart aus Buxtehude gesagt, ein anderer Arzt hatte vorher die Lage falsch eingeschätzt.
Zum Glück habe ich eine zweite Meinung eingeholt“, sagt Annegret Meyer heute. Das sogenannte maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs) auf ihrer Brust konnte vollständig entfernt werden, im Körper hatte sich der Krebs noch nicht mit Metastasen ausgebreitet.
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Bevor Annegret Meyer im Jahr 2020 die nächste Schockdiagnose bekam, gründete die frühere Vermessungstechnikerin im Jahr 2007 die Selbsthilfegruppe Hautkrebs für Betroffene und Angehörige, die sich jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Elbe Klinikum Buxtehude trifft.
„Ich wollte mich mit anderen Betroffenen austauschen und darauf aufmerksam machen, wie man mit der Diagnose umgehen kann“, sagt Annegret Meyer. Inzwischen ist sie eine bundesweit gefragte Ansprechpartnerin bei Ratsuchenden und wurde für ihr Engagement bereits mit der Ehrennadel der Hansestadt Stade ausgezeichnet.
Ich wusste, dass etwas nicht stimmt
Annegret Meyer, Krebspatientin und Gründerin der Selbsthilfegruppe Hautkrebs
Vor fünf Jahren stellte Annegret Meyer Veränderungen an ihrer Brustwarze fest und ging zur Mammografie, einer Röntgenuntersuchung zur Früherkennung von Brustkrebs. „Es wurde nichts festgestellt und aufgrund von Corona wurde ein Termin beim Arzt nach hinten verschoben“, sagt sie.
Sie kümmerte sich mit Nachdruck um einen erneuten Mammografietermin. „Ich wusste, dass etwas nicht stimmt“, sagt Annegret Meyer. Als sie dann die Bestätigung bekam, dass sie einen Tumor in der Brust hat, sei sie wieder in ein Loch gefallen. Geärgert habe sie, dass einige Menschen aus ihrem Umfeld der Meinung waren, nach einer OP sei alles wieder gut.

Einmal im Monat die Brust selbst abtasten - das wird Frauen zur Früherkennung von Brustkrebs empfohlen. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Nur mit einer Operation war es aber nicht getan. Dabei hatte Annegret Meyer Glück, dass sich der Krebs bei ihr auch dieses Mal noch nicht weiter im Körper ausgebreitet hatte. Eine aggressive Chemotherapie brauchte sie nicht. Stattdessen wurde ihre Brust 28 Mal bestrahlt. Noch heute geht sie im Rahmen der Nachsorge zwei Mal in der Woche zur Lymphdrainage, um schmerzhaften Ödemen vorzubeugen.
Diese können sich nach einer Brustkrebstherapie durch die Einlagerung von Lymphflüssigkeit im Gewebe bilden. Außerdem muss Annegret Meyer Hormontabletten einnehmen, die dabei helfen sollen, dass der Krebs nicht zurückkommt. Zweimal musste sie aufgrund von Nebenwirkungen (Gelenkschmerzen und Thrombose) die Tabletten wechseln.
Das Urvertrauen in den eigenen Körper ist weg
„Das Urvertrauen in den eigenen Körper ist nach einer Krebsdiagnose weg“, sagt Martina Kiehl. Im Alter von 43 Jahren erkrankte die Staderin im Jahr 2005 an Hautkrebs. Als Mutter zweier Kinder im Grundschulalter sei die Zeit nach der Diagnose besonders herausfordernd gewesen.
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„Ich war vorher immer kerngesund und plötzlich ständig nur noch beim Arzt. Für meine Kinder konnte ich nicht mehr so da sein, wie ich es wollte, ich hatte Angst“, sagt Martina Kiehl.
Auch in ihren Job als Fremdsprachenassistentin in der Industrie konnte sie nicht zurückkehren, weil die Erkrankung in die Zeit fiel, in der eigentlich der Wiedereinstieg geplant war. Später fand Martina Kiehl einen Job in einem Kirchensekretariat. Sie musste nach der Diagnose mehrfach unters Messer, vorsorglich wurde ihr auch ein Lymphknoten entfernt.

Gesetzlich Versicherte können ab einem Alter von 35 Jahren alle zwei Jahre ein Hautkrebsscreening in Anspruch nehmen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Weil es nichts Schlimmeres gebe, als zu Hause zu sitzen und zu grübeln, schloss auch Martina Kiehl sich der Selbsthilfegruppe Hautkrebs an. Vor einigen Jahren übernahm sie die Leitung von Annegret Meyer. Beide Frauen plädieren dafür, regelmäßig zur Krebsvorsorge zu gehen und sich im Zweifel eine Zweitmeinung einzuholen.
Krebsberatung Stade bietet kostenlose Hilfe für Betroffene und Angehörige
Kostenlose Hilfe bekommen Betroffene auch bei der Krebsberatung Stade e. V. in der Gartenstraße 2 in Stade mit Außenstellen in Buxtehude und Harsefeld. Qualifiziertes Psychoonkologie-Personal bietet hier sowohl psychologische als auch soziale Beratung an. „Die Angst vor Wiedererkrankung, der Umgang mit den Kindern oder depressive Episoden sind nicht seltene Reaktionen der Krebspatienten.
Wir helfen, diese durchzustehen“, sagt Susanne Rabenschlag von der Krebsberatung. Zudem gehe die Erkrankung auch häufig mit finanziellen und beruflichen Beeinträchtigungen einher. Betroffene und deren Angehörige bekommen deshalb bei der Krebsberatung auch Tipps und Hilfestellung zum Beispiel bei der Beantragung von Behindertenausweisen und von diversen Fördergeldern.

Susanne Rabenschlag berät in den Räumen der Krebsberatung in Stade Betroffene und Angehörige. Foto: Stehr
Als unabhängige Anlaufstelle bietet die Krebsberatung unter anderem auch Trauergespräche, psychoonkologisch geleitete Gesprächs- und Selbsthilfegruppen sowie eine Sing-, eine Jumping- und eine Atemtherapiegruppe an. Jeden ersten Montag im Monat findet zudem das Begegnungscafé Schöne Weile in den Räumen der Markusgemeinde Stade statt.
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Im Jahr 2024 hat die Krebsberatung 2808 Beratungseinheiten á 30 Minuten durchgeführt. Gefördert wird der gemeinnützige Verein vom GKV-Spitzenverband und den privaten Krankenversicherungsunternehmen sowie vom Landkreis Stade, der Hansestadt Stade und der Stadt Buxtehude, ist aber trotzdem auch auf Spenden angewiesen.

Martina Kiehl (v. li.), Annegret Meyer und Susanne Rabenschlag wollen an Krebs Erkrankten Mut machen und rufen zur Vorsorge auf. Foto: Stehr
Fast 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer Krebserkrankung, die in den letzten fünf Jahren diagnostiziert wurde. Jährlich erkranken laut dem Robert Koch-Institut (RKI) insgesamt etwa 500.000 Menschen neu an Krebs. Brustkrebs ist die mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frau, gefolgt von Darm- und Lungenkrebs. Etwa ein Prozent aller Brustkrebs-Neuerkrankungen betrifft auch Männer. Die häufigste Krebserkrankung bei Männern ist der Prostatakrebs, gefolgt von Lungen- und Darmkrebs.
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Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass sich weltweit 30 bis 50 Prozent aller Krebsfälle durch Vorbeugung verhindern ließen. Risikofaktoren sind Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel, Alkoholkonsum sowie eine Ernährung mit wenig Obst, Gemüse oder Ballaststoffen bei einem gleichzeitig hohen Anteil von rotem und verarbeitetem Fleisch. Zu den vermeidbaren Krebsrisikofaktoren gehört auch UV-Strahlung.
Zum Weltkrebstag gibt es auch gute Nachrichten
Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar 2025 gibt es auch gute Nachrichten: Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei Krebs ist zwar stark abhängig von der jeweiligen Krebsart, in den letzten Jahren aufgrund intensiver Forschung aber gestiegen.
Dank neuer Ansätze in der Immuntherapie, moderner Diagnostik und neuer Medikamentengruppen können Betroffene gezielter und schonender therapiert und müssen seltener operiert oder mit Chemotherapie behandelt werden. Für Menschen mit Melanomen könnte es sogar bald eine personalisierte, auf ihre Erkrankung zugeschnittene Impfung geben.
www.shg-hautkrebs-buxtehude.de