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Radierungen

TSensation: Kunsthaus Stade zeigt verschollenen Rembrandt

Sammlerin Charlotte Meyer steht neben Rembrandts "Der Tod der Maria", die vom Format deutlich größer ist als die meisten der im Kunsthaus präsentierten Werken des Künstlers

Der Tod der Maria: Zu dieser Rembrandt-Grafik hat Sammlerin Charlotte Meyer eine ganz persönliche Verbindung. Foto: Weselmann

Eine Rembrandt-Ausstellung in Stade? Dem Kunsthaus ist dieser Coup gelungen. Zu verdanken ist das einer Sammlerin, die anfangs gar nicht wusste, welchen Schatz sie geerbt hat.

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Von Fenna Weselmann
Dienstag, 01.10.2024, 19:54 Uhr

Stade. Mehr als ein Jahrhundert schlummerte diese Rembrandt-Kollektion im Verborgenen. Mit der neuen Ausstellung „Rembrandt. Out of the Dark“ holt das Kunsthaus Stade diesen Bilderschatz nun erstmals ins Licht der Öffentlichkeit. Das umfangreiche Konvolut an Druckgrafiken des berühmten Künstlers stammt aus dem Besitz der niederländischen Sammlerin Charlotte Meyer.

Die Rembrandt-Grafiken lagen in einem Banksafe

„Ich wusste gar nicht, was ich da hatte“, erzählt die Niederländerin von ihrem überraschenden Fund. Die Mappe mit Grafiken war halb vergessen in einem Banksafe verwahrt - ohne jedwede Info. Lange war Charlotte Meyer gar nicht klar, welches Erbe ihr damit zuteil wurde.

Charlotte Meyers Großvater - der erfolgreiche Kaufmann und Arakhändler Edwin Meyer (1884-1952) - war leidenschaftlicher Sammler. Zu seiner Zeit standen die Radierungen von Rembrandt van Rijn nicht im Fokus der Sammler, weshalb er als Kunstkenner mehr als 50 bedeutende Drucke zu sehr günstigen Preisen erwerben konnte.

Ein Rembrandt hing jahrelang über ihrem Bett

Diese lagerte er zusammen mit seiner Münzsammlung und Wertpapieren stets im Tresor einer Amsterdamer Privatbank. Sein Tod änderte nichts daran, denn seine Frau kannte sich mit der Materie nicht aus. Charlotte Meyers Mutter sichtete die Sammlung ihres Vaters zwar, beließ diese aber ebenfalls im Banksafe. Die Bildermappe geriet erneut in Vergessenheit.

Erst Charlotte Meyer änderte das, wenngleich nicht sofort. Nach dem Tod ihrer Mutter sollte es noch weitere Jahre dauern, bis sie die Rembrandt-Kollektion endgültig aus dem Dunkel des Tresors barg. Nur einzelne Werke fanden ihren Platz im Wohnhaus der Familie. Die Radierung „Tod der Maria“ hatte Charlotte Meyer schon als Kind über dem Bett hängen. Bis heute ist es eines ihrer liebsten Sammlungsstücke.

Die Sammlerin ist süchtig nach Rembrandt

Die Corona-Pandemie brachte schließlich Licht ins Dunkel. Charlotte Meyer nutzte die Zeit, um die Werke vom Museum Rembrandthuis in Amsterdam professionell begutachten zu lassen. Nun wurde ihr bewusst, welchen Schatz ihr der Großvater hinterlassen hatte.

Der junge Rembrandt mit lockigem Haar und einer Pelzmütze

Selbstbildnis mit Pelzmütze von Rembrandt van Rijn, 1630. Foto: Charlotte Meyer Collection

„Once in a lifetime“ umschreibt die Sammlerin die Bedeutung dieser Entdeckung für sie und die hinzugezogene Expertin Ghizlaine Jahidi und Kuratorin Regina Wetjen. Die Aufarbeitung der Sammlung wurde zur außergewöhnlichen Aufgabe. „Das hat mein Leben verändert“, sagt Meyer, die ihr Sammler-Augenmerk bis dahin vor allem auf Porzellan und moderne Kunst gelegt hatte. Nun sei sie süchtig nach Rembrandt.

Das Kunsthaus macht die Virtuosität sichtbar

Mit großer Hingabe widmet Charlotte Meyer sich der Erforschung und dem Ausbau ihrer Sammlung. Mit der Ausstellung möchte sie ihre Begeisterung teilen und zeigen, von welcher Virtuosität Rembrandts Grafik ist. „Er war ein Meister der Malerei, aber in meinen Augen ist er ein noch größerer Meister der Radierung“, so Meyer.

Rembrandt van Rijn (1606–1669) war ein begnadeter Künstler, dessen Schaffen seit über 400 Jahren fasziniert und begeistert. Sein Werk bewirkte einen Wandel im allgemeinen Kunstgeschmack: Statt idealisierter Darstellungen stand nun das ungeschönte, reale Abbild des Menschen im Mittelpunkt.

Schon zu Lebzeiten war seine Druckgrafik sehr begehrt. Intensiv setzte er sich mit dem noch jungen Medium der Radierung auseinander, brachte mit lebhaftem Strich alltägliche sowie dramatische Erzählungen, Porträts und Landschaften aufs Papier.

Rembrandt spielt mit Hell und Dunkel

Tausende Linien erzeugen erzählerische Stimmungen oder machen feinste Nuancen des menschlichen Ausdrucks sichtbar. Für sein spannungsreiches Spiel von Hell und Dunkel reizte Rembrandt die technischen Möglichkeiten der Radierung bis zum Äußersten aus.

Joseph wandert mit einer Laterne in der Hand durch das tiefe Dunkel der Nacht, mit Maria auf dem voll bepackten Esel reitend

Rembrandts Druckgrafik zeigt viele christliche Motive: „Flucht nach Ägypten bei Nacht“ ist ein eindrucksvolles Beispiel für sein Spiel mit Hell und Dunkel. Foto: Charlotte Meyer Collection

Durch die sorgfältig inszenierte Darstellung von Lichtquellen schuf er faszinierende Kontraste und betonte damit die zentralen Elemente einer Szene. Mit dichten Schraffuren erzeugte Rembrandt ein engmaschiges, aber nicht undurchsichtiges Liniengeflecht. Dabei sind Lichteffekte entstanden, die fast mystisch wirken. Rembrandts Helldunkel gilt als Essenz seines Werkes. Und bei genauem Hinsehen finden sich in den kleinformatigen Grafiken erstaunliche Details.

„Rembrandt. Out of the Dark“ läuft bis zum 26. Januar. Zu sehen sind 53 Rembrandt-Radierungen, darunter dessen erste und letzte, sowie Werke von Zeitgenossen. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm, darunter eine Führung mit der Sammlerin Charlotte Meyer am 25. Oktober. Los geht es Mittwoch, 2. Oktober, um 17.30 Uhr mit der After-Work-Führung.

In Kooperation mit dem Kunsthaus bietet das Stadtmarketing zudem Wochenend-Führungen. Erster Termin ist der 12. Oktober um 15.30 Uhr. Ein Rundgang durch die Altstadt macht Rembrandts Schaffenszeit und Parallelen zur Hansestadt sichtbar. Nach einer passenden Stärkung geht es ins Kunsthaus. Nähere Infos gibt es hier.

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