TSirenen-Ärger in Drochtersen: Großes Geheule um die Fördermittel
Die Gemeinde Drochtersen wollte ihr Sirenennetz mit Fördermitteln ausbauen. Das ist schief gegangen. Foto: Büttner/dpa-Zentralbild/dpa
Drochtersens Politiker ärgern sich über den Landkreis. Der Gemeinde gehen jetzt wohl 86.750 Euro an bereits bewilligten Sirenen-Fördermitteln durch die Lappen.
Drochtersen. Nach der Ahrtal-Katastrophe 2021 setzte sich bundesweit die Erkenntnis durch, dass der vorhandene Warnmittelmix zur Warnung der Bevölkerung in Krisenfällen ausgebaut werden soll. Der Bund beschloss ein einmaliges Sirenenförderprogramm.
Drochtersen will vier zusätzliche Sirenen
Auch die Gemeinde Drochtersen hatte sich auf dieses Förderprogramm beworben, über den Landkreis Stade als untere Katastrophenschutzbehörde. 14 Sirenen gibt es in der Gemeinde, vier zusätzliche neue Sirenen-Standorte sollten her. Zwei davon in Assel, an der Ecke Asseler Straße /Apfelstieg und an der Peerkoppel und zwei in Hüll, eine an der Ecke Draackenstieg/Bauernreihe und eine in Niederhüll.
In diesen Bereichen kann die Wahrnehmbarkeit von Sirenensignalen nach Auffassung von Verwaltung und Feuerwehr eingeschränkt sein. In Ritsch sollte zudem eine Sirene in der Wiesenstraße den Standort wechseln.
Sammelausschreibung wird zum Fiasko
So hatte es die Drochterser Kommunalpolitik Ende 2021 beschlossen - unter dem Vorbehalt, dass Fördermittel fließen. Zunächst lief alles nach Plan. Im Dezember 2022 erteilte der Landkreis Stade der Gemeinde einen Fördermittelbescheid über 86.750 Euro. Die Sirenen müssen laut der Förderbestimmungen bis zum 31. Dezember 2024 errichtet sein.
Mit der Kreisverwaltung und weiteren Kommunen wurde eine Sammelausschreibung über den Landkreis Stade verabredet, um bessere Beschaffungskonditionen zu erzielen.
Erst im Mai 2024 folgte die kalte Dusche. Der Landkreis Stade teilte mit, dass eine Sammelausschreibung nicht möglich sei. Auch könne das Land nicht zusichern, dass die Fördermittel auf 2025 übertragen werden könnten. Gleichzeitig hätten mehrere infrage kommende Firmen mitgeteilt, dass sie nicht die Kapazitäten haben, um bis Ende 2024 noch Sirenenstandorte zu errichten, so die Gemeindeverwaltung.
Landkreis hat „möglicherweise gepennt“
Ratsherr Heino Baumgarten (SPD) bezeichnete es als „höchst ärgerlich, dass uns durch den Landkreis nun erhebliche Mittel durch die Lappen gehen“. Joachim Grantz (CDU) kritisierte: Da hätten sich Gemeindeverwaltung und Landkreis zwei Jahre lang nicht miteinander unterhalten. Bürgermeister Mike Eckhoff wehrte ab: Die Verwaltung habe „regelmäßig nachgefragt“ - aber erst Ende Mai dieses Jahres sei die Antwort gekommen.
Ausschussvorsitzender Albert Boehlke (SPD) resümierte, die Angelegenheit sei „ärgerlich“ und der Landkreis habe „möglicherweise gepennt und geschlurrt“.
Landkreis: „Förderprogramm nicht rechtssicher realisierbar“
Auf TAGEBLATT-Nachfrage erläuterte Landkreis-Pressesprecher Daniel Beneke, dass eine Sammelausschreibung der Kreisverwaltung im Rahmen des Förderprogramms „nicht rechtssicher realisierbar“ gewesen wäre. „Die Prüfung einer ins Auge gefassten Sammelausschreibung konnte aufgrund der mannigfaltigen aktuellen Aufgaben, die im Bereich Katastrophenschutz zu bearbeiten sind, leider nicht in der Geschwindigkeit stattfinden, die wünschenswert gewesen wäre.“
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Andere Kommunen hätten nach Kenntnis der Kreisverwaltung zwischenzeitlich selbstständig zusätzliche Sirenen installieren lassen, so Beneke. Nach Kenntnisstand des Fachamtes seien lediglich in der Gemeinde Drochtersen und in der Samtgemeinde Nordkehdingen keine Ausschreibungen erfolgt.
Verzichtet Drochtersen auf Fördermittel?
Die Drochterser Verwaltung hatte im Ausschuss vorgeschlagen, dass die Gemeinde 2025 und 2026 jeweils 40.000 Euro für je zwei Sirenen bereitstellen soll. Fördermöglichkeiten sollten derweil fortlaufend „geprüft“ werden.
Während die SPD-Fraktion sich mit diesem Vorschlag anfreundete, hielt die CDU-Fraktion dagegen: Schon 2021 habe Drochtersen sich für die Zusatz-Sirenen entschieden, aber nur unter der Voraussetzung, dass diese wirklich gefördert würden. Auch jetzt solle erst abgewartet werden, ob es doch noch Fördergelder gebe, falls nicht, könne immer noch neu beraten werden, sagte Bernd Mattern (CDU).
Büter: „Ihr spielt mit der Sicherheit der Bevölkerung“
Stefan Knüttel (SPD) äußerte, er habe Bauchschmerzen, wenn an der Sicherheit gespart werde. Hildegard Büter vom Senioren- und Behindertenbeirat warf dem Feuerschutzausschuss aufgebracht vor: „Ihr spielt mit der Sicherheit der Bevölkerung“.
Kreis: Warnung der Drochterser Bürger ist möglich
Die CDU-Fraktion wehrte das ab. Drochtersen verfüge schließlich über ein Sirenen-Netz - es sind 14 Stück. Landkreis-Pressesprecher Beneke weist darauf hin, dass auch ohne die zusätzlichen Sirenenstandorte „eine flächendeckende Warnung der Bevölkerung im Gemeindegebiet Drochtersen möglich ist“. Kreisweit gibt es rund 230 Sirenen, die - wie auch Warn-Apps - zuletzt am Warntag getestet wurden. Mit fünf Stimmen aus CDU und FWG gegen vier SPD-Stimmen empfahl der Ausschuss, 86.750 Euro im Haushalt 2025 für zusätzliche Sirenen bereitzustellen - aber unter dem Vorbehalt, dass Fördermittel fließen. Woher auch immer.