Zähl Pixel
24-Stunden-Reportage

TTradition und Handwerk: So entsteht Käse in der Bargstedter Hofkäserei

Klaus Tipke ist Käsemeister und Gründer der Käserei. In seiner Schatzkammer lagern etwa 1000 verschiedene Käse.

Klaus Tipke ist Käsemeister und Gründer der Käserei. In seiner Schatzkammer lagern etwa 1000 verschiedene Käse. Foto: Dammer

Käse und Wein sind wie alte Freunde: Sie begleiten besondere Momente und zaubern ein Lächeln auf die Gesichter derer, die sie genießen. Was oft im Hintergrund bleibt, ist die Sorgfalt und Hingabe, die in jedem kleinen Stück Käse steckt.

Von Silvia Dammer Dienstag, 02.07.2024, 19:00 Uhr

Landkreis. Einblick in diese Welt erhält man nur, wenn man einen Blick hinter die Kulissen wirft - zum Beispiel in der Jithofer Käserei in Bargstedt, wo Tradition und Handwerkskunst harmonisch verschmelzen. Es ist 7 Uhr morgens, und der Tag beginnt hier mit einer Sinfonie aus Gelbtönen und Aromen, die nur darauf warten, entdeckt zu werden. Eigentlich beginnt er mit dem weißen Gold: der Milch der artgerecht gehaltenen Kühe vom Jithof.

Käsemeister Klaus Tipke hat bereits vor einer halben Stunde den wichtigsten Schritt für den Käseproduktionstag in der Bargstedter Hofkäserei eingeleitet: Er hat den Milchhahn aufgedreht. Über eine komplexe Apparatur strömt die frische Milch aus dem hofeigenen Kuhstall in die Thermisierungsanlage. Dort wird sie schonend auf 68 Grad erhitzt, um schädliche Keime abzutöten, aber gleichzeitig die wertvollen Nährstoffe und Aromen zu bewahren.

Tipke stellt drei Sorten am Tag her

Die Milch durchläuft diesen Prozess, bevor sie in die Bottiche gelangt. Davon gibt es in der Jithofer Käserei drei: mit jeweils 500, 1000 und 1500 Litern Fassungsvermögen. Im Moment hängt der Milchschlauch im 500-Liter-Kessel. Warum nicht gleichzeitig alle Kessel gefüllt werden, erklärt Klaus Tipke mit der Kapazität der Anlage: „Mehr als 1500 Liter in der Stunde kann die Anlage nicht thermisieren.“ Außerdem sei es von der Arbeitsorganisation her praktischer, die Kessel nacheinander zu befüllen. Im Jithof passiert das im Dreiviertelstunden-Takt. So können drei Käsesorten am Tag hergestellt werden - und das nacheinander.

Das Milchsäurepulver sorgt für die Säuerung der Milch. Zusammen mit Lab ist es eine der wichtigsten Zutaten für die Käseherstellung.

Das Milchsäurepulver sorgt für die Säuerung der Milch. Zusammen mit Lab ist es eine der wichtigsten Zutaten für die Käseherstellung. Foto: Dammer

Ist der 500-Liter-Behälter voll, geht es hier in eine kurze Ruhephase, in der die Milch dank ihrer zwei Zutaten zu Käsebruch eindickt. In der Zeit wandert der Milchschlauch zum 1000-Liter-Kessel. 3000 Liter Käsebruch, erklärt der Käsemeister, könne seine kleine Mannschaft nicht gleichzeitig verarbeiten. Klaus Tipke reißt eine kleine Tüte auf und gibt den Inhalt in die Milch. Die erste wichtige Zutat, damit aus Milch irgendwann Käse wird: „Das sind Milchsäurebakterien“, erklärt er.

Weitere Artikel der Serie

Das Enzym stammt aus dem Magen junger Wiederkäuer

Die Jithofer Käserei in Bargstedt wurde 1998 von Klaus Tipke gegründet, nachdem der Landwirt und Milchbauer während einer Studienreise in die Niederlande seine Leidenschaft für Käse entdeckt hatte. Die Familie Tipke lebt auf dem Jithof, auf dem seit zwölf Generationen Landwirtschaft betrieben wird. Im vergangenen Jahr feierte die Käserei ihr 25-jähriges Bestehen und beschäftigt derzeit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Das Rührwerk im Kessel wirbelt alles gut durcheinander und mit einer guten Nase kann man kurze Zeit später den leicht säuerlichen Geruch schon erschnuppern. Später kommt das Lab dazu. Dann, so erklärt der Meister, wird nicht mehr gerührt. Lab ist ein Enzym, das traditionell aus dem Labmagen junger Wiederkäuer gewonnen wird, heute aber oft auch mikrobiell oder gentechnisch hergestellt wird.

Die Kombination aus Milchsäurebakterien und Lab führt dazu, dass die Milch gerinnt. Das Milcheiweiß Kasein fällt aus und bildet eine feste Masse. Diese feste, geronnene Masse wird als Käsebruch bezeichnet. Sie hat eine weißliche, leicht körnige Konsistenz. Der Käsebruch wird anschließend mit einer Käseharfe in kleine Würfel geschnitten. Dabei setzt sich die Molke ab. Wie groß die Würfel sind, hängt davon ab, ob ein weicher oder ein fester Käse produziert werden soll. Und auch die weitere Verarbeitung des Bruchs hängt von der Art des Käses ab, der hergestellt werden soll.

27 Sorten Käse werden in der Jithofer Hofkäserei hergestellt. Sie sind auf Märkten und in großen Discountern erhältlich, können aber auch bei Annette Alpers-Tipke im Hofladen gekauft werden.

27 Sorten Käse werden in der Jithofer Hofkäserei hergestellt. Sie sind auf Märkten und in großen Discountern erhältlich, können aber auch bei Annette Alpers-Tipke im Hofladen gekauft werden. Foto: Silvia Dammer

Genussgeheimnis: Käse mit Erdbeeren

Je nach Käsesorte wird der Bruch unterschiedlich behandelt, gepresst und gereift, um die gewünschten Eigenschaften des fertigen Käses zu erzielen. Im Jithof wird heute auch Camembert produziert. Ein sehr wohlschmeckender, wie Annette Alpers-Tipke, die Ehefrau des Käsemeisters, versichert. Sie verrät auch ein Genussgeheimnis: Besonders gut schmeckt er mit frischen Erdbeeren.

Solche Extravaganzen kannten die Käseentdecker der ersten Stunde sicher nicht. Es waren Weichkäse, wie die Forschung herausgefunden hat, die den Beginn der Käseherstellung begründeten. Die ersten Formen von Käse entstanden vermutlich in der Steinzeit, etwa zwischen dem 10. und 8. Jahrtausend vor Christus.

Vorfahren entdecken den Käse aus Zufall

Der Auslöser war die Domestizierung von Tieren wie Ziegen, Schafen und später Rindern, wodurch den Menschen erstmals größere Mengen von Milch zur Verfügung standen. Es gibt verschiedene Theorien, wie die ersten Menschen Käse entdeckten. Unter anderen diese, dass an der Sonne oder am Feuer gelagerte Milch sauer wurde und zu einem essbaren Quark gerann.

Andere Theorien führen die Käseherstellung darauf zurück, dass Steinzeitjäger in den Mägen erlegter junger Wiederkäuer weißliche, gallertartige Klumpen fanden – fermentierter Labquark aus der Milch, die die Tiere getrunken hatten. Die gezielte Herstellung von Käse begann aber vermutlich um 6000 vor Christus mit einfachen Frischkäseformen. Erste Aufzeichnungen über Molkereien und die Käseherstellung stammen aus Mesopotamien um 3000 vor Christus.

Gewichte pressen den Käse

Dabei haben sich die wesentlichen Abläufe, wie die Stunde in der Jithofer Käserei zeigte, über diese Zeit erhalten: Milch wird mit Milchsäurebakterien und Lab zu Käsebruch, diesem wird durch das Schneiden die Molke entzogen. Danach kommt die Masse in Formen und wird entweder mit zusätzlichen Gewichten gepresst - für die festeren Käsesorten - oder die Molke tritt einfach über Nacht von selbst aus dem Käselaib.

Dann kommen die Käselaibe in eine Salzlake, in der sie ein paar Stunden ziehen, bevor sie dann zum Trocknen und zur weiteren Pflege in den Reiferaum gebracht werden. Der Reiferaum ist auch die Schatzkammer in der Jithofer Käserei. Um die Tausend Laibe in verschiedenen Gelbtönen lagern hier in ammoniakgeschwängerter Atmosphäre.

Was für den Laien ein zugegeben strenger Geruch ist, das ist für den Käsemeister und seine Mitarbeiter ein Aroma, das zum Betrieb gehört und das niemand als störend empfindet. In der Hofkäserei werden 27 Sorten Käse hergestellt, verpackt, an Wiederverkäufer wie große Discounter mit Bioangebot, Hofläden und im eigenen Hofladen und auf Märkten verkauft.

Kräuterkäse wie bei den Kelten

Eine Spezialität ist Käse mit Kräutern. Und da tritt die Jithofer Käserei, vielleicht ohne es zu wissen, in die Fußstapfen der Kelten, die - so die Forschung - eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Verbreitung der Käseherstellung in Europa spielten. Sie betrieben umfangreiche Viehzucht und stellten vor allem mageren Sauermilchkäse her, der oft mit Kräutern oder Gewürzen verfeinert war.

Auch wenn Niedersachsen nicht unbedingt ein Kerngebiet der Kelten war, so spielt die Käseproduktion hier eine bedeutende Rolle. Die Hofkäsereien entlang der Niedersächsischen Milch- & Käsestraße sind ein Garant für hochwertige, handwerklich hergestellte Hofkäse- und Milchprodukte. Sie verwenden naturbelassene Milch von Tieren, die - wie auf dem Jithof - artgerecht und oft zum Hof der Käserei gehörend, gehalten werden. Um 8 Uhr beginnt auch im zweiten Kessel der Jithofer Käserei, die Milch sich in Käsebruch zu verwandeln. Die Käseverarbeitung geht jetzt in die Hochphase.

Weitere Artikel