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Handball-Bundesliga

TTraditionsvereine in der Krise: „Der Hexer“ plant zweigleisig

Andreas Thiel wird wegen seiner unglaublichen Reflexe „Der Hexer“ genannt. Heute ist er Abteilungsleiter bei Bayer Leverkusen und Ligavorsitzender.

Andreas Thiel wird wegen seiner unglaublichen Reflexe „Der Hexer“ genannt. Heute ist er Abteilungsleiter bei Bayer Leverkusen und Ligavorsitzender. Foto: Oliver Berg/dpa

Der Buxtehuder SV und Bayer Leverkusen führen die ewige Tabelle an, stehen aber in dieser Saison am Tabellenende. Für Torwart-Legende Andreas Thiel keine Überraschung.

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Von Tim Scholz
Donnerstag, 02.01.2025, 19:20 Uhr

Buxtehude. Am 21. März 1990 sorgte der Buxtehuder SV für eine Sensation. Mit 26:20 besiegte die Mannschaft von Trainer Hans Dornbusch Bayer Leverkusen. „Das war absolute Spitze“, jubelte der Trainer. „Eine bittere Pille“ für das Werksteam des Chemiegiganten Bayer, urteilte das TAGEBLATT.

Der BSV mit Starspielerin Jara Ivancikova war gerade erst aufgestiegen und traf erstmals in der Bundesliga auf den Rekordmeister und Titelfavoriten aus Leverkusen, der zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Meistertitel gefeiert hatte.

Bis heute spielen Buxtehude und Leverkusen in der ersten Liga. Leverkusen führt die ewige Tabelle nach 50 Spielzeiten mit großem Abstand an, gefolgt vom BSV, der am Sonntag den 1021. Punkt verbuchte.

Erstes Duell 1990: BSV-Handballerin Anja Ivers drückt ihre Mitspielerin Sabine Fricke nach dem Sieg gegen Leverkusen.

Erstes Duell 1990: BSV-Handballerin Anja Ivers drückt ihre Mitspielerin Sabine Fricke nach dem Sieg gegen Leverkusen. Foto: Liesenfeld-Dehning (Archiv)

Duell Vorletzter gegen Letzter

Vor dem Aufeinandertreffen am Samstag (16 Uhr) in der Halle Nord sieht die Gegenwart für die beiden Traditionsvereine anders aus: Buxtehude steht nach zuletzt zwei Siegen auf dem vorletzten Tabellenplatz, schnuppert aber an den Play-off-Plätzen. Leverkusen ist sogar Letzter.

Mit den Nationalspielerinnen Viola Leuchter und Mareike Thomaier hat Bayer im Sommer zwei wichtige Führungsspielerinnen an die HB Ludwigsburg verloren. Kompensiert werden sollte dies durch die seit Jahren gute Jugendarbeit des Vereins. Mit einem kleinen und jungen Kader wollte Trainer-Routinier Michael Biegler den Abstieg nach 50 Spielzeiten in der Bundesliga verhindern.

Abstiegskandidat Nummer eins

Doch das dürfte schwer werden. Vor dem Jahreswechsel setzte es ein 18:39 gegen Vizemeister Bensheim/Auerbach und ein 16:26 gegen Oldenburg. Kurz vor dem Ende der Hinrunde hat das Gründungsmitglied der Bundesliga noch null Punkte auf dem Konto und stellt den schwächsten Angriff der Liga.

Eine Überraschung scheint das nicht zu sein. „So leid es mir tut: Leverkusen ist in diesem Jahr mein Abstiegskandidat“, sagte die Buxtehuderin und DHB-Kapitänin Emily Bölk der „Handball Woche“ vor Saisonbeginn.

„Der Hexer“ von der Talfahrt nicht überrascht

Anruf bei Abteilungsleiter Andreas Thiel. Der ehemalige Weltklassetorwart, wegen seiner unglaublichen Reflexe „Der Hexer“ genannt, ist gerade in die Hall of Fame des europäischen Handballs aufgenommen worden. „Das betrachte ich als große Ehre“, sagt der 64-Jährige.

Andreas Thiel erwartet ein enges Duell zwischen Buxtehude und Leverkusen.

Andreas Thiel erwartet ein enges Duell zwischen Buxtehude und Leverkusen. Foto: Schlikis/Lobeca.de (Archiv)

Im beruflichen Alltag beschäftigt ihn dagegen die sportliche Talfahrt der Leverkusener Handballerinnen. Überrascht wirkt Thiel aber nicht, wenn man ihn darauf anspricht. „Uns war vor der Saison sonnenklar, dass wir die Play-offs nicht erreichen werden und uns den Play-downs stellen müssen“, sagt er. „Realistisch betrachtet wird sich an dieser Erwartung bis zum Ende der Hauptrunde nichts ändern.“

„Man kann sagen, dass wir ausbluten“

Bereits im Mai hatte Thiel in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ beklagt, dass es für Leverkusen immer schwieriger werde, konkurrenzfähig zu bleiben. „Man kann sagen, dass wir ausbluten. Wenn ich daran denke, wer uns in den letzten zehn oder zwölf Jahren verlassen hat“, sagt er und verweist auf namhafte Handballerinnen wie Clara Woltering, Kim Irion (vormals Naidzinavicius) und Viola Leuchter, die in der Bayer-Talentschmiede ausgebildet wurden.

Den Leverkusenern geht es wie dem BSV, der in den vergangenen Jahren seine größten Talente an die Konkurrenz verloren hat und immer wieder personelle Umbrüche verkraften musste. „Warum? Weil wir nicht einmal ansatzweise auf den Durchschnittsetat in der Liga kommen“, sagt Thiel, der als Ligavorsitzender die Zahlen kennt. Bereits 2008 hat die Bayer AG ihre Ausgaben für den Spitzensport außerhalb des Fußballs stark reduziert.

Thiel sorgt sich um die Traditionsvereine

Thiel gönnt den Leverkusener Fußballern ihren Erfolg. „Aber den anderen Sportarten wird es in Leverkusen durch die Dominanz des Fußballs nicht leichter gemacht“, sagt er dem Kölner Stadt-Anzeiger. In den vergangenen Jahren verzichteten die Volleyballerinnen wegen finanzieller Einschnitte auf den Aufstieg in die Bundesliga; in diesem Jahr zogen die Basketballer, die Bayer Giants, ihren Lizenzantrag für die zweite Liga zurück.

Andreas Thiel, hier mit der ehemaligen Bayer-Torhüterin Clara Woltering, beklagt die finanzielle Situation in Leverkusen.

Andreas Thiel, hier mit der ehemaligen Bayer-Torhüterin Clara Woltering, beklagt die finanzielle Situation in Leverkusen. Foto: Thomas Kienzle/dpa

Und es dürfte nicht leichter werden. Mit der Professionalisierung der Handball-Bundesliga steigen die Anforderungen und die finanzielle Belastung für die Vereine. „Wir müssen uns ernsthaft Gedanken darüber machen, ob wir mit der Weiterentwicklungsstrategie nicht Tradition vernichten“, sagt Thiel.

Bayer Leverkusen plant zweigleisig

In Leverkusen denkt man bereits an die zweite Liga. „Wir planen zweigleisig“, bestätigt Thiel. „Das soll aber nicht resigniert klingen, wir hoffen schon noch auf den Klassenerhalt.“ Das Spiel gegen Buxtehude wird sich Thiel im Livestream anschauen. Ob es für die ersten Punkte reicht? „Vielleicht. Ich rechne mit einem knappen Ausgang.“

Der BSV ist nach zwei Siegen in Folge im Aufwind und hat am Samstag im besten Fall die Chance, auf einen Play-off-Platz zu klettern. „Wir müssen auf uns gucken und haben weiterhin Arbeit vor uns, unsere Leistung zu stabilisieren. Für die Stimmung und für den Kopf tun uns die Erfolge zuletzt natürlich dennoch extrem gut“, sagt Trainer Dirk Leun vor dem 72. Duell der beiden Traditionsvereine, das vorerst eines der letzten sein könnte.

Livestream und Tickets

Die Partie wird live bei sportdeutschland.tv und Dyn übertragen. Tickets gibt es unter tickets.bsv-live.de, im BSV-Shop und an der Tageskasse.

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