Zähl Pixel
24-Stunden-Reportage

TDie grüne Hölle von Buxtehude: Unterwegs mit den Grünpflegern der Stadt

Gärtnerin Petra Mewes versorgt die Blumenkästen am Fleth.

Gärtnerin Petra Mewes versorgt die Blumenkästen am Fleth. Foto: Anping Richter

Bei Sonnenaufgang mit den Grünpflegern der Stadt Buxtehude in einen warmen Sommertag zu starten, klingt romantisch. Doch heute ist Schietwetter. Nein, korrigiert die Gärtnerin: „Starkwuchswetter.“

author
Von Anping Richter
Sonntag, 30.06.2024, 13:50 Uhr

Buxtehude. Blumen gießen - das ist im Sommer eine der wichtigen Aufgaben der Buxtehuder Grünpfleger. In regnerischen Zeiten nicht ganz so oft, doch die Tour am frühen Freitagmorgen ist gesetzt. Ab fünf Uhr werden die Blumenampeln an den Laternen und die Kästen am Fleth gegossen. Was wäre Buxtehudes historische holländische Hafenanlage ohne Blumenschmuck?

Am Fleth geht es freitags immer um fünf Uhr los

„Sonst haben wir um sechs Uhr Arbeitsbeginn, aber hier fangen wir immer so früh an, weil es am Fleth eng ist und wir den Leuten nicht im Weg stehen wollen“, erklärt Gärtnerin Petra Mewes. Auf dem Hof der Städtischen Betriebe Buxtehude (SBB) haben sie und ihr Kollege Jörg Goerke den 600-Liter-Tank ihres Fahrzeugs mit Gießwasser gefüllt.

Ein Wasserschwall ergießt sich über die Blumenampel am Fleth.

Ein Wasserschwall ergießt sich über die Blumenampel am Fleth. Foto: Anping Richter

„Eigentlich fasst unser Tank 2000 Liter, aber das richtige Fahrzeug ist gerade in der Reparatur“, sagt Goercke. Ihm ist es etwas peinlich, mitten im Sommer mit einem Traktor unterwegs zu sein, auf dem für jeden sichtbar steht, wofür er sonst benutzt wird: Winterdienst.

Das Gießen ist mit diesem Traktor etwas weniger komfortabel als sonst. Das andere Fahrzeug hat einen Arm, der extrem flexibel fahrbar ist. Der Traktor muss zielgenau an die Laternen herangefahren werden, um den Schlauch genau über der Blumenampel zu platzieren. Goercke steuert das vom Fahrerhäuschen aus per Joystick.

Mehr 24-Stunden-Reportagen

Am Ende des Schlauchs ist ein Trichter aus Metall, der aussieht wie der einer Trompete. Wer das Steuern als Laie ausprobiert, ist froh, wenn das Glas der Laterne beim Manövrieren heil bleibt. Wasser marsch: Über die Blumenampel am Zwinger ergießt sich ein kräftiger Schwall. Dann rückt Goercke mit dem Traktor vor zur nächsten Laterne.

Petra Mewes ist derweil auf der anderen Straßenseite am Werk: In den Kästen am Fleth blüht alles in Gelb und Blau, den Farben des Buxtehuder Wappens. Die Namen der Blumen weiß Petra Mewes alle auf Latein: Fächerblume (Scaevola), Goldmarie (Bidens), Felsen-Steinkraut (Alyssum) und Salbei. Es ist eine bienenfreundliche Mischung.

Die bienenfreundlichen Farben des Buxtehuder Wappens

„Wenn ich morgens herkomme, brummt und summt es hier oft schon richtig“, sagt sie, während sie mit der rechten Hand die Wasserspritze in den Kasten hält und mit links ein paar unerwünschte Kräutlein aus dem Blumenkasten rupft.

Jörg Goercke steuert den Arm mit dem Wasserschlauch per Joystick.

Jörg Goercke steuert den Arm mit dem Wasserschlauch per Joystick. Foto: Anping Richter

Die bienenfreundliche Mischung ist pflegeintensiver als die robusten Geranien, für die Bienen aber viel wertvoller, erklärt Mewes. Sehr viele Insekten gebe es auch am Koggen-Kreisel: „Da fliegen mir die Tiere nur so um die Beine: Bienen, Hummeln, Schmetterlinge. Marienkäferlarven gibt es auch viele. Die sehen aus wie kleine Skorpione.“

Ihr Kollege Jörg Goercke ist inzwischen schon ein ganzes Stück vorgerückt. „Ich muss schnell sein“, sagt er. Sonst blockiere er Leute, die durchwollen. Die Grünpfleger wollen so wenig wie möglich stören. Doch weil sie am Fleth so früh unterwegs sind, haben Anwohner auch schon mal gefragt, ob sie ihre Tour nicht zu einer anderen Uhrzeit machen können. „Wir kommen nur zum Wässern um fünf Uhr und machen von sechs bis sieben Uhr nichts, was Lärm macht. Trotzdem gibt es noch genug Leute, die schimpfen“, sagt Goercke.

Oft schimpfen Leute auch, wenn sie Bäume herausnehmen. „Aber das tun wir nie ohne Grund, und wir ersetzen sie alle. Nur nicht immer am selben Ort“, erklärt Jörg Goercke. In dieser Saison, also von Herbst 2023 bis zum Frühjahr 2024, haben sie nach Pflanzplan und Standortvorgabe schon 150 Bäume gepflanzt, erklärt Christian Meyer, der Leiter der Abteilung Grünanlagen mit 30 Mitarbeitern.

Im Herbst stecken sie zehntausende Blumenzwiebeln

Dazu kommen jede Saison noch mehrere tausend Stauden, bodendeckende Gehölze und Sträucher. In jedem Herbst stecken sie außerdem zwischen 20.000 und 30.000 Zwiebeln - die Krokusteppiche im Stadtpark und die Frühblüher in den vielen städtischen Staudenbeeten kommen nicht von ungefähr. Den Pflanzplan macht Gärtnermeisterin Andrea Zitko-Ecks, die früher beim Bauhof angesiedelt war, jetzt aber bei der Fachgruppe 66 der Stadt Buxtehude arbeitet und plant. Staudenbeete, die zu jeder Jahreszeit schön aussehen, sind ihre Spezialität.

Der Buxtehuder Bulle grast im Blütenmeer und neben ihm steht ein Insektenhotel. Ein Werk der Grünpflege, erklärt Abteilungsleiter Christian Meyer.

Der Buxtehuder Bulle grast im Blütenmeer und neben ihm steht ein Insektenhotel. Ein Werk der Grünpflege, erklärt Abteilungsleiter Christian Meyer. Foto: Anping Richter

Der Bullen-Kreisel an der Harburger Straße ist ein Beispiel dafür, das Christian Meyer gerne vorstellt. Gegossen werden musste er in diesem Jahr noch gar nicht, denn der Buxtehuder Bulle steht bewusst auf Schotter. Nicht auf irgendeinem, sondern auf einer 20 Zentimeter dicken Schicht Naturstein-Bruch. Obendrauf kommt nur eine hauchdünne Schicht Kompost, denn dieses Beet wird bewusst mager gehalten.

Wie der Bulle das ganze Jahr über grasen kann

Rund um den friedlich grasenden Bullen haben sie Stauden und Saaten gepflanzt, die Trockenheit abkönnen und wenig Nährstoffe brauchen: Mohn und Kornblumen, Margeriten, Nelken und Kamille, Bodendecker wie Sedum, Katzenminze und Thymian, die den Duft des Südens verströmen. Das Federgras der Stipa wiegt sich sanft im Wind - nicht nur jetzt, sondern auch im Winter, merkt Meyer an: „Der Bulle soll ja immer auf einer Wiese stehen.“

Gemeinsam mit dem Nabu haben die SBB auch aus dem alten Industriegleis bei Synthopol eine Blühfläche gemacht. Zwischen blühenden Gräsern und Kräutern blitzen die alten Gleise noch malerisch hervor. Hier wird nur ein- bis zweimal im Jahr mit dem Balkenmäher gemäht. Die Mahd wird eine Weile liegengelassen, damit sie ihre Samen abwerfen kann, dann aber abgefahren, damit es nicht zu viel Biomasse wird. „Die Fläche soll mager bleiben, sonst ist es bald keine Blühwiese mehr“, erklärt Meyer.

Krautbürste und Heißwassergerät statt Pestiziden

Solche Streifen gibt es an mehreren Stellen in der Stadt. Die Gärtner werden öfters gefragt, wann dort endlich mal gemäht wird. Doch es steckt ja Absicht dahinter. Genau wie hinter dem konsequenten Verzicht auf Pestizide, der allerdings Arbeit macht, wie Meyer einräumt. Die Mitarbeiter sind oft mit Heißwassergerät und Krautbürsten in der Stadt unterwegs, um die gepflasterten Wege freizuhalten.

An der Halepaghenstraße gönnt SBB-Mitarbeiter Jens Klindworth einer Zierbirne eine Extra-Portion Wasser. Wie alle im Vorjahr gepflanzten Bäume wird sie regelmäßig gegossen, damit sie sich gut entwickelt. Unten am Stamm ist ein Wassersack angebracht, der 75 Liter fasst. Die werden innerhalb der nächsten 9 Stunden gezielt langsam an Baum und Wurzeln abgegeben.

Genau wie die Häuser haben Buxtehudes Bäume übrigens Nummern. So werden sie im Baumkataster geführt. Baum Nr. 7 am Westfleth ist zum Beispiel eine Mehlbeere - Sorbus Aria, wie Gärtnerin Petra Mewes erklärt. Sie ist der Baum des Jahres , und darum wurde in Stade kürzlich von Stadt, Landkreis und BUND eine gepflanzt. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist sie robust und ein idealer Stadtbaum.

In Buxtehude ist das offenbar schon länger bekannt: Alle Bäume rund ums Fleth sind Mehlbeeren. Ihre hübschen orangeroten Früchte dürften viele im Herbst schon bewundert haben. Wasser brauchen sie heute gar nicht. Die Gärtner beenden ihre Freitagsstunde am Fleth früh. In der grünen Hölle Buxtehude ist noch genug zu tun. Zurzeit wuchert alles. Starkwuchswetter.

Weitere Artikel