TUrteil im Femizid-Prozess: Horneburger Mörder muss für viele Jahre in Haft

Das Gericht hat den Angeklagten wegen Mordes schuldig gesprochen. Foto: Battmer
Der angeklagte Familienvater habe seine Ehefrau heimtückisch umgebracht, erklärte das Stader Gericht und verurteilte ihn zu einer langen Haftstrafe. Trotz Alkoholsucht muss der 43-Jährige nicht in eine Entziehungsklinik.
Stade/Horneburg. Es war am letzten Prozesstag vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Stade unstrittig, dass der 43-jährige Angeklagte am 19. September 2023 in der Moorstraße in Horneburg seine Noch-Ehefrau mit Messerstichen getötet hat. Die Tat hatte er am ersten Prozesstag eingeräumt. Es ging nun um die entscheidende Frage: War es Mord oder wie zunächst angeklagt Totschlag?
Verteidigerin Katrin Bartels plädierte auf Totschlag. Das spätere Opfer sei wütend und aufgebracht in die gemeinsame Wohnung gekommen. Es soll laut Angeklagtem zum Streit gekommen sein. Nachdem die Frau ihn als Alkoholiker beschimpfte, habe der Angeklagte seiner Frau in den Hals gestochen, damit sie still ist, so die Verteidigerin. „Er will sie gar nicht töten“, erklärte sie. Mit einem T-Shirt habe er noch versucht, einen Druckverband anzulegen.
Mörder war zum Tatzeitpunkt sturzbetrunken
Für sie sei nicht klar belegt, dass die tödlichen Stiche auf dem Sofa passierten, wo das Opfer vermeintlich nichtsahnend saß. Stattdessen soll sich der Streit, wie ihn der Angeklagte schilderte, im Flur abgespielt haben. Hier sei sie nicht wehrlos gewesen, hätte durch die Tür fliehen können. Und die Frau wollte streiten, sei also nicht arglos gewesen, argumentierte die Verteidigung. Diese beiden Mordmerkmale wären damit nicht erfüllt.
Ihr Mandat war zu dem Zeitpunkt sturzbetrunken, hatte laut Gutachter zum Tatzeitpunkt am Mittag zwischen 2,4 und 3,7 Promille. Er will zwei bis drei Flaschen Wodka getrunken haben.
Der Angeklagte habe die schrecklichen Folgen seiner Tat nicht bedacht, handelte impulsiv und spontan im Affekt. Der Alkohol tat sein Übriges, so Bartels. „Es gab keinen Mordplan“, betonte sie. Mit Tabletten und Alkohol wollte sich der Angeklagte danach das Leben nehmen. „Auch das bringt er wieder nicht zu Ende.“ Ihr Mandant sei geständig, nicht vorbestraft und ging einen Vergleich mit den Nebenklägerinnen ein: Er zahlt den beiden Töchtern der Getöteten jeweils 14.000 Euro und verzichtet auf Ansprüche am gemeinsamen Auto.
Bartels forderte in ihrem Plädoyer eine Strafe von deutlich unter acht Jahren wegen Totschlags. Staatsanwältin Bales und die Nebenklage sprachen von Mord und forderten zwölf Jahre beziehungsweise lebenslange Haft.
Gericht ist überzeugt: Opfer fürchtete nicht um ihr Leben
Das Gericht verurteilte den Angeklagten schließlich wegen Mordes zu einer Haftstrafe von zehn Jahren. Die Kammer um den Vorsitzenden Richter Marc-Sebastian Hase war überzeugt, dass das spätere Opfer beim Betreten der Wohnung von keiner Gefahr für ihr Leben ausging. Anders als der Angeklagte in seinem Geständnis schilderte, sei es nicht zu einem handfesten Streit gekommen. „Lass uns reden“, sei der Tenor der letzten Nachrichten gewesen.
Aus den Telefonprotokollen folgerte die Kammer, dass die Frau mittags überraschend in die Wohnung kam, um ihre Post abzuholen. Der Nachsendeantrag bei der Deutschen Post habe nicht geklappt, so Hase. Die Frau verließ ihren Mann, während dieser in Polen war. In der Beziehung gab es immer wieder Ärger um häusliche Gewalt sowie seinen Kontrollzwang und Alkoholkonsum, heißt es.

Hinter dieser Tür in einem Mehrfamilienhaus in Horneburg spielte sich im September 2023 das tödliche Ehe-Drama ab. Foto: Vasel (Archiv)
Sie habe sich zum Tatzeitpunkt derart sicher gefühlt, dass sie ihr Handy im Auto ließ und ruhig auf dem Sofa Platz nahm. Hier habe das Opfer ihrem Noch-Ehemann klar gemacht, dass die Trennung endgültig sei. „In dem Moment hat der Angeklagte den Entschluss gefasst, seine Frau zu töten“, sagt Richter Hase.
Er ging in die Küche und holte ein Messer. Dies hielt er verdeckt und stach letztlich in schneller Folge sechsmal zu, so Hase weiter. Das Sofa war hinterher voller Blut. Das Gericht ist überzeugt: Hier muss der Angriff erfolgt sein. Fehlende Abwehrverletzungen zeugten davon, dass das Opfer nicht mit der Attacke rechnete.
Der Angeklagte war stark betrunken, „aber nicht so, dass er nicht versteht, was hier los ist“, so Hase. Der Mörder versuchte unter anderem, die Blutspuren zu beseitigen und versteckte die Leiche unter dem Ehebett. „Er wusste, da habe ich etwas Schlimmes gemacht und versuche, das zu vertuschen.“

Der Angeklagte vor Gericht. Foto: Battmer
Diese Umstände mildern das Strafmaß
Trotz seiner offenkundigen Alkoholsucht sah das Gericht davon ab, eine Entziehungskur anzuordnen. Zum einen sei die Tat mehr aus dem Beziehungskonflikt entstanden, Trunkenheit nur am Rande von Bedeutung. Schwerwiegender ist: Es gibt keine Erfolgsaussichten. Gut ein Dutzend Mal habe er sich in Polen in Entgiftungsbehandlungen begeben, auch eine zweimonatige Therapie zeigte vor Jahren keinen Erfolg. Er wurde immer wieder rückfällig.
Mord sieht grundsätzlich eine lebenslange Haftstrafe vor. Die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei durch den Alkohol erheblich eingeschränkt gewesen, was den Strafrahmen mildert. Und nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfe man jemandem, der alkoholkrank ist, diese Milderung nicht versagen, erklärte der Richter. „Dem müssen wir uns beugen.“
Mildernd wirkte sich zudem das Teilgeständnis aus, auch wenn das Gericht die Umstände der Tat anders festgestellt hat. Es habe sich um eine spontane Tat gehandelt; nichtsdestotrotz sagt Hase: „Mord ist die schwerste Tat, die man begehen kann. Sie haben Ihre Frau getötet und müssen dafür lange ins Gefängnis.“

Anteilnahme: Die Bürgerinnen und die Bürger in Horneburg stellten Kerzen ab. Foto: Vasel