TUrteil nach Messer-Attacke in Cuxhaven: Achteinhalb Jahre wegen versuchten Mordes

Im Saal 209 des Landgerichts Stade wurde am Mittwochmorgen das Urteil gegen einen 51-jährigen Familienvater und dessen 30-jährigen Sohn gesprochen. Foto: Koppe
Nach 20 Verhandlungstagen ist der Prozess um eine Messer-Attacke in Cuxhaven vor dem Landgericht Stade zu Ende gegangen. Die Kammer ging im Urteilsspruch über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus und entschied auf „versuchten Mord“.
Stade. Er habe nicht nur den Vorsatz verfolgt, zwei seiner Widersacher zu töten. Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stade sieht es auch als erwiesen an, dass ein Mann (51) aus Cuxhaven die Arglosigkeit seiner Gegenüber ausnutzte, als er im Zuge eines Familienstreits zum Messer griff: Aus einem Totschlagsvorwurf wurde am Tag der Urteilsverkündung „versuchter Mord“. Auch gegen den mitangeklagten Sohn (30) wurde eine Haftstrafe verhängt.
Während der jüngere der beiden Beschuldigten wegen Beihilfe zum versuchten Totschlag sowie gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt wurde, fällt das Strafmaß gegen den Familienvater wesentlich höher aus: Auf eine Gesamtstrafe von achteinhalb Jahren beläuft sich das erstinstanzliche Urteil, mit welchem die Kammer über die Forderung der Staatsanwältin hinausgeht.
Richter sieht Mordmerkmal der Heimtücke
Der Vorsitzende Richter Marc Sebastian Hase bewertete das Handeln des Hauptangeklagten als eine unter das Mordmerkmal Heimtücke fallende Attacke. Aus Sicht des Gerichts waren die vier Kontrahenten, die am Tattag vor fast genau einem Jahr an der Gartenpforte des Beschuldigten in der Mittelstraße auftauchten, nicht nur unbewaffnet, sondern auch arglos.
Diesen Umstand habe der 51-Jährige ausgenutzt, als er ein unter seiner Strickjacke verborgenes Messer zückte und viermal auf einen der Geschädigten einstach. Das Opfer wurde am Bauchfell und an der Leber verletzt und soll zudem Schnitt- oder Stichwunden an Ellenbogen und Oberschenkel davon getragen haben.
Kammer widerspricht der Notwehr-These
„Es ist grober Unfug, dass das alles Notwehr gewesen sein soll“, widersprach der Strafrichter der Argumentation der Verteidigung. Vater und Sohn hätten einem der flüchtenden Widersacher nachgesetzt und ihn nach Einschätzung des Gerichts mit Schlägen und Stichen traktiert.
„Wenn ich verfolge, verteidige ich mich nicht, ich greife an!“, lautete eine Schlussfolgerung der Kammer. Der Sohn habe ebenfalls gewusst, was er tat, als er den Baseballschläger einsetzte: Auf eine Person einzuschlagen, die von anderer Seite mit einem Messer verletzt werde, sei „zu heftig“, um mit einer Bewährungsstrafe davonkommen zu können.
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Auch an einen der Rechtsbeistände der beiden Angeklagten verlor Hase ein Wort: „Mit höchstem Befremden“ habe die Kammer im Verlauf von knapp 20 Prozesstagen Drohungen zur mutmaßlichen Verfahrensdauer registriert. „Diese Kammer lässt sich nicht erpressen“, sagte Hase und beanstandete auch den Ton, den Strafverteidiger Turhal Özdal in seinem Freispruch-Plädoyer gegenüber der Staatsanwältin angeschlagen hatte.
Die von Özdal thematisierten soziokulturellen Zwänge, unter denen der aus Südosteuropa stammende Familienvater gehandelt haben soll, „um sein Gesicht zu wahren“, ließ die Kammer nicht gelten. „Es gelten hier die deutschen Gesetze“, nicht der Ehrbegriff eines anderen Kulturkreises, bekräftigte der Vorsitzende.
„Sie sind kein schlechter Typ“
Den beiden Angeklagten sei das Gericht gleichwohl entgegengekommen, habe strafmildernde Umstände und die für die Beschuldigten günstigste Strafzumessung zugrunde gelegt. „Wir sehen“, wandte sich der Vorsitzende Richter an den 51-Jährigen, „dass sie kein schlechter Typ sind“.
Im Laufe des sich zuspitzenden Streits um ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Sohn und Schwiegertochter habe der Vater vieles richtig gemacht. „Aber dann sind Sie falsch abgebogen.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.