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Rechtsstreit

TVerwaltungsgericht Stade rüffelt Landkreis Stade im Wolfsurteil schwer

Schäfter steht vor seinen Schafen auf einem Deich.

Deichschäfer Vasile Buza steht auf den vom Land Niedersachsen geförderten Zauntyp, der für den Wolf kein Hindernis war. Foto: Vasel

Das Verwaltungsgericht Stade hatte am 26. Juni den geplanten Abschuss des Wolfs in der Gemeinde Jork gestoppt. Jetzt legen die Richter ihre Begründung vor. Der Landkreis Stade kommt dabei gar nicht gut weg.

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 24.07.2024, 11:41 Uhr

Jork/Stade. Im März und April hatte der Wolf wie mehrfach berichtet am Elbdeich insgesamt 24 Schafe getötet oder verletzt. Landrat Kai Seefried (CDU) erteilte am 6. Juni eine Ausnahmegenehmigung. Bis zum 15. September sollten Jäger den Problemwolf mit der amtlichen Bezeichnung GW-4032f töten.

Der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. stoppte den Sofortvollzug allerdings. Der Verein erreichte vor der Ersten Kammer unter Vorsitz der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Stade, Susanne Lang, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. Damit ist die von Seefried angeordnete „zielgerichtete letale Entnahme des Individuums“ zurzeit untersagt.

Jetzt haben die Richter die Kernpunkte ihres 13-seitigen Beschlusses (1 B 896/24) öffentlich gemacht. Dieser Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist noch nicht rechtskräftig. Der Kreis Stade legte Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg ein.

Richter rechnen mit Erfolg der Wolfsfreunde

Die Verwaltungsrichter in Stade vertreten die Rechtsauffassung, dass „eine Klage voraussichtlich Erfolg haben würde, da die Erteilung der Ausnahmegenehmigung aller Voraussicht nach zu Unrecht erfolgt ist“.

Der Landkreis hatte seine Abschusspläne - unterstützt vom Umweltministerium in Hannover - auf eine Regelung im Bundesnaturschutzgesetz gestützt. Demnach könne laut Paragraf 45 das Tötungsverbot von wild lebenden Tieren besonders geschützter Arten wie des Wolfes aufgehoben werden.

Zwei Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden: Es dürfe keine zumutbaren Alternativen mehr geben und der Erhaltungszustand der Populationen dürfe sich nicht verschlechtern. In ihrer Begründung äußert die Kammer offen Bedenken an der Rechtsauffassung im Kreishaus. „Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen vorliegen“, so das Gericht.

Kammer spricht von Mängeln bei der Abschussanordnung

Das Kreis vertritt die Auffassung, dass Schafe unverzichtbar für die Deichsicherheit sind. Sie sorgen für eine feste Grasnarbe, diese schützt bei Sturmfluten wie ein Panzer den kleiummantelten Sandkern des Deichs - und letztlich mehrere 10.000 Menschen.

Demnach ist für den Landrat der Paragraf 45 anwendbar. Die in Absatz 7 (4) festgeschriebene Vorgabe sei gegeben. Ausnahmen können mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit - einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung - und den möglichen Auswirkungen auf die Umwelt begründet werden. Diese Begründung hält das Gericht für höchst fraglich. Es sei heute noch nicht absehbar, ob weitere Schafsrisse durch den Wolf von Jork tatsächlich die Wehrfähigkeit der Deiche bedrohen.

Drei Personen der Deichwacht schauen sich ein totes Schaf an.

Für die Richter ist offen, ob es sich um einen Problemwolf handelt. Das Tier tötete auf Hahnöfersand auch dieses Schaf. Foto: Deichverband

Außerdem habe der Landkreis nicht deutlich machen können, dass es sich bei dem Tier „tatsächlich um einen problematischen Wolf handelt, bei dem Übergriffe auf Menschen zu befürchten sind“, so das Gericht. Der Verlust der Menschenscheu ist für die Richter eine bloße Behauptung.

Allerdings hat die Kammer die von ihr selbst aufgeworfenen Fragen nicht abschließend beantwortet. Der Grund: Dies sei nicht notwendig. Denn laut Gericht habe der Landkreis „weder ausreichend dargelegt noch nachgewiesen“, dass es zu der genehmigten Ausnahme vom strengen Artenschutz keine zumutbaren Alternativen gebe.

Mindestanforderungen bei der Alternativenprüfung seien nicht erfüllt worden. Unter anderem hätten mobile 1,20-Meter-Elektrozäune in Kombination mit Herdenschutzhunden, Nachtpferche, Behirtung durch Anwesenheit eines Schäfers oder hohe sturmflutsichere und wolfsabweisende Festzäune mit Untergrabungs- und Überkletterschutz und Toren für Fußgänger geprüft werden müssen. Die Richter verweisen auf Empfehlungen der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBBW) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).

Auf einer grünen Wiese steht ein Wolf.

Der Wolf streift weiter durch die Gärten und Plantagen in Königreich und in Borstel. Foto: privat

Der Landkreis Stade hätte die einzelnen Vorgaben im Praxisleitfaden Wolf der Umweltministerkonferenz von 2021 tiefergehend prüfen müssen. So hätten die Juristen des Landkreises Stade deutlicher machen müssen, dass höhere Zäune aufgrund der Windlast auf dem Deich nicht möglich wären - so wie es auf Seite 28 des Ministerpapiers heißt („nicht mit zumutbarem Aufwand umsetzbar, nur unzureichende Wirkung“).

Die Erläuterungen sind den Richtern zu pauschal, wissenschaftliche und technische Nachweise fehlten. Warum andere Zäune, vom Land nicht gefördert, als Alternative unzumutbar seien, hätte der Kreis in der Ausnahmegenehmigung besser darlegen müssen. Außerdem gebe es formale Mängel, die Fundorte der toten und verletzten Tiere und der Ort des Angriffs seien nicht konkret angegeben worden. Borstel und Königreich ist den Richtern zu ungenau.

Landrat Seefried setzt auf die höhere Instanz

Der Landrat hofft weiter auf die nächste Instanz. „Es ist schon erschreckend, dass die Bedeutung der Schafhaltung für die Deichunterhaltung und den Küstenschutz durch die Wolfsfreunde so verkannt wird“, sagt Landrat Seefried (CDU).

Die vom Gericht angeführten Alternativen „gehen an der Realität des Küstenschutzes und an der notwendigen Schafhaltung auf den Deichen völlig vorbei“, sie stellten auch eine Gefahr für Deichsicherheit und Vogelschutz dar. Der Herdenschutz sei im Bereich der mobilen Schafhaltung auf den Deichen schlicht nicht umsetzbar. Notwendig sei eine wolfsfreie Zone.

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