TVom Elbe Klinikum nach China: Was die Chefärztin der Gynäkologie dort erlebte
Auch bei Operationen hatte die Ärztin Iris Cybulka Jachertz im Krankenhaus in Nanjing ihre Dolmetscherin dabei. Foto: Cybulka-Jachertz
Dr. Iris Czybulka-Jachertz war Chefärztin der Gynäkologie am Elbe Klinikum, als sie aus China ein Angebot bekam. Ein Abenteuer, das große Überraschungen lieferte.
Landkreis. Als deutsche Expertin lebte und arbeitete Iris Czybulka-Jachertz in einem Krankenhaus in Nanjing. In einem Vortrag bei den Landfrauen auf dem Delm in Beckdorf hat sie Facetten der Volksrepublik China gezeigt, die hierzulande kaum bekannt sind. „Politische Gespräche haben wir nicht vertieft“, erklärt sie und betont, dass sie nur vom dem berichtet, was sie selbst erlebt hat.
Viele Jahre war Iris Czybulka-Jachertz Chefärztin der Gynäkologie in den Elbe Kliniken. Ihr Mann, Dr. Dr. Thomas Jachertz, ist ebenfalls Arzt. Am Klinikum Lüneburg betreute der Urologe im Rahmen des Deutsch-Chinesischen Technologieaustauschs (DCTA) chinesische Kollegen.
Kerstin Wohlers (stehend vorne rechts) von den Apenser Landfrauen, von denen viele den Vortrag von Dr. Iris Czybulka-Jachertz gespannt verfolgten, überreicht ein Dankeschön an die Referentin. Foto: Richter
Auch jenseits der Klinik kümmerte er sich um sie. Das fiel auf - ebenso wie die Expertise seiner Frau als Gynäkologin. Eines Tages fragte der Generalbevollmächtigte der DCTA-Stiftung, ob das Ehepaar bereit wäre, für längere Zeit nach China zu gehen.

Ein Willkommensgruß und eine Vorstellung der neuen Kollegin aus Deutschland auf einer Leuchttafel im Krankenhaus in Nanjing. Foto: Czybulka-Jachertz
Wie Iris Czybulka-Jachertz berichtet, brachen für beide die letzten fünf Jahre ihres Berufslebens an. Sie wollten die Chance nutzen, ein fremdes Land wirklich kennenzulernen. In der Neun-Millionen-Einwohner-Stadt Nanjing im Osten Chinas sollten sie dazu beitragen, in einer technisch hochmodernen Klinik mit 1600 Betten einen hohen Standard zu etablieren. Sie reisten hin, sahen sich um und unterschrieben.
Der Auftakt: Frühbesprechung auf Chinesisch
Sie zogen in eine schöne 150-Quadratmeter-Wohnung direkt neben der Klinik, die auch die Wohnkosten übernahm und ihnen rund um die Uhr je eine englischsprachige Begleitung zur Verfügung stellte, um zu dolmetschen. Das war vor allem im Krankenhaus nötig, sagt Iris Czybulka-Jachertz.
„Wir waren nicht nur Berater, sondern mittendrin - im OP, bei anspruchsvollen Krebsoperationen.“ Die Schwestern sprachen kaum Englisch, die deutschen Ärzte arbeiteten mit unbekannten OP-Instrumenten. Czybulka-Jachertz fotografierte alles, um zeigen zu können, was sie brauchte. Ihre Übersetzerin begleitete sie in den OP.

Das Krankenhaus in Nanjing. Foto: Cybulka-Jachertz
„Wir wurden überhaupt nicht eingearbeitet. Plötzlich stand ich in der Frühbesprechung - auf Chinesisch“, erinnert sich die Gynäkologin. In der Abteilung behandelte man sowohl Brust- als auch Schilddrüsenerkrankungen.
Alle Operationen führten Chirurgen durch - wie früher in Deutschland. „Ich war die einzige Gynäkologin, die Brustkrebs behandelte und auch operierte“, sagt Czybulka-Jachertz. Ihr Ziel war es, ein Brustkrebszentrum aufzubauen, wie sie es Jahre zuvor am Elbe Klinikum getan hatte. Ihr Mann, in Lüneburg Koordinator des Prostata-Krebszentrums, hatte in seinem Bereich Ähnliches vor.
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Im Brustzentrum am Elbe Klinikum hatte Czybulka-Jachertz den Anteil brusterhaltender Operationen deutlich gesteigert. Das wollte sie auch in China erreichen, aber bis dahin hatten die Ärzte oft eine Totaloperation empfohlen.
„Die Strukturen zu verändern, war schwierig. Unser Türöffner war das Operieren“, sagt sie. Ihre Fähigkeiten brachten ihnen Respekt ein. Als einzige deutsche Ärzte in der Region waren sie auch gefragte Gäste auf Kongressen und wurden im Fernsehen interviewt.
Die Familie entscheidet als Kollektiv
Im Arbeitsalltag bekam Czybulka-Jachertz tiefe Einblicke. In China gibt es keine niedergelassenen Ärzte, die Krankenversorgung konzentriert sich auf Krankenhäuser, die auch Frauen vom Land aufsuchen.
Im Krankenhaus kümmert sich das Personal nur um das Medizinische, die Familie um die Verpflegung. Trotzdem bleibt mindestens ein Angehöriger am Krankenbett. Fotos zeigen Verwandte, die auf Liegen im Flur oder Treppenhaus campieren. Iris Czybulka-Jachertz merkt an, dass sogar über eine Brust-OP oft die Familie als Kollektiv entscheidet, nicht die Patientin selbst.

Kostenlose gynäkologische Konsultation in der Eingangshalle des Krankenhauses anlässlich des Weltfrauentags. Foto: Czybulka-Jachertz
Die jungen Frauen in Nanjing hat sie als selbstbewusst und modern erlebt. Oft war sie auf Hochzeiten eingeladen, ging mit Kolleginnen aus, besuchte deren Familien zu Hause. Dem Essen, in China von großer Bedeutung, widmete sie ein Kapitel ihres Vortrags unter dem Titel „Mit Chopsticks und Skalpell“.
Die Corona-Zeit überstand das Ärzte-Ehepaar ohne größere Einschränkungen. Weil Reisen nach Hause wegen der Quarantäne schwierig waren, nutzten sie ihren Urlaub für Reisen innerhalb von China und erlebten viele unterschiedliche Landschaften und Kulturen. Der Ukraine-Krieg sorgte dafür, dass sie ihren Aufenthalt auf dreieinhalb Jahre abkürzten.
„Gibt es einen Weltkrieg? Wie positioniert sich China? Wir wussten es einfach nicht“, sagt Iris Czybulka-Jachertz, die heute wieder im Kreis Stade praktiziert, in ihrer gynäkologischen Privatpraxis unter dem Dach der Arztpraxis Jung in Oldendorf. Die nächste China-Reise ist aber schon geplant – nächstes Jahr, zur Hochzeit einer Freundin.
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