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Nachbarkreise

TVom Start-up ins Café: Merle Grastorff übernimmt die Koffiestuv

Ein Herz und eine Seele: Koffiestuv-Besitzer Detlef Grastorff mit seiner Tochter und Unternehmensnachfolgerin Merle Grastorff im Garten ihres Café-Restaurants in Dorum-Neufeld.

Ein Herz und eine Seele: Koffiestuv-Besitzer Detlef Grastorff mit seiner Tochter und Unternehmensnachfolgerin Merle Grastorff im Garten ihres Café-Restaurants in Dorum-Neufeld. Foto: Photographer:Heike Leuschner

Merle Grastorff, unlängst noch Führungskraft in der Hauptstadt, wagt den Sprung in die Gastronomie. Was sie in dem Café am Deich vorhat.

Von Heike Leuschner Sonntag, 16.11.2025, 11:00 Uhr

Wurster Nordseeküste. Merle Grastorff stand auf der Karriereleiter. Nach dem Abitur hatte die gebürtige Cuxländerin in Oldenburg Sozialwissenschaften studiert, ihr Masterstudium im Bereich Gesundheitsmanagement absolviert und anschließend nach beruflichen Herausforderungen in Deutschlands größter Millionenmetropole gesucht.

Fünf Jahre lang arbeitete sie in Berlin - suchte und warb qualifizierte Mitarbeiter für offene Stellen in Unternehmen an und schulte Führungskräfte. Schließlich landete sie bei dem Start-up Patient21, das gegründet wurde, um die ambulante Gesundheitsversorgung zu digitalisieren und zu verbessern.

Nach fünf Jahren: Von der Metropole Berlin zurück ins Dorf

Am Ende war sie selbst Führungskraft. „Es war eine sehr fordernde und intensive Zeit, aber auch sehr wertvoll“, sagt sie im Rückblick.

Merle Grastorffs Herz hängt am Café und Restaurant De Koffiestuv, das ihre Eltern vor 30 Jahren hinter dem Nordseedeich in Dorum-Neufeld eröffnet haben. Zum Familienbetrieb gehört auch Der Deichbäcker.

Merle Grastorffs Herz hängt am Café und Restaurant De Koffiestuv, das ihre Eltern vor 30 Jahren hinter dem Nordseedeich in Dorum-Neufeld eröffnet haben. Zum Familienbetrieb gehört auch Der Deichbäcker. Foto: Leuschner

Anfang dieses Jahres kehrte die 29-Jährige Berlin den Rücken. Sie kletterte von der Karriereleiter und fuhr zurück in die Heimat ihrer Eltern und der eigenen Kindheit - nach Dorum in der 17.000-Einwohner-Gemeinde Wurster Nordseeküste. Sie spricht von einer „spontanen Entscheidung aus tiefem Herzen“.

De Koffiestuv sollte ursprünglich nur eine Filiale werden

Merle Grastorff sitzt mit einer Tasse Kaffee im Café-Restaurant ihrer Eltern Petra und Detlef Grastorff. De Koffiestuv heißt das gastliche Haus mit der hübschen weiß-grünen Giebelseite und der kleinen Deichbäckerei, die sich direkt anschließt.

Detlef Grastorff ist Bäcker von Beruf. Klar, dass er die meisten Brote, Brötchen und Kuchen in der Backstube der Koffiestuv selbst backt.

Detlef Grastorff ist Bäcker von Beruf. Klar, dass er die meisten Brote, Brötchen und Kuchen in der Backstube der Koffiestuv selbst backt. Foto: Photographer:Heike Leuschner

Mitte der 1990er Jahre eröffnete Detlef Grastorff mit seiner Frau das Café in Dorum-Neufeld. Es liegt im Haupttourismusort der Gemeinde, gleich hinter dem Deich, nur wenige Gehminuten vom Wattenmeer entfernt.

„Ursprünglich sollte De Koffiestuv eine Filiale unserer Backstube in Misselwarden werden - mit kleinem Café“, erinnert sich der Gastronom und Bäckermeister. „Damals war das fast ein revolutionäres Konzept, so etwas gab es hier eigentlich noch nicht.“

„Ich habe nie gesagt, dass wir das für unsere Kinder machen“

Doch der Spagat zwischen Misselwarden und Dorum-Neufeld erweist sich als schwierig. Wenig später gibt Grastorff seine Existenz in Misselwarden auf. Das Paar konzentriert sich auf das Café und die kleine Backstube mit Verkaufstresen in Dorum-Neufeld. In den 2000er Jahren erweitern sie das Café um ein Restaurant.

Die Kinder der Grastorffs, Merle und ihr jüngerer Bruder, wachsen mit der Koffiestuv auf. Als Jugendliche arbeiten sie an den Wochenenden und in den Ferien mit.

Doch ein Plan, den Betrieb einmal an die nächste Generation zu übergeben, habe nicht existiert. „Ich habe nie gesagt, dass wir das für unsere Kinder machen“, sagt Detlef Grastorff. Eher noch habe er davon abgeraten, ergänzt Tochter Merle.

Romantische Vorstellung von arbeitsfreien Wochenenden

Trotzdem habe sie immer mal darüber nachgedacht, das Restaurant eines Tages weiterzuführen. Aber nach dem Abitur siegt zunächst der Wunsch, etwas anderes zu machen.

Es zieht sie weg aus Dorum. Zum Studium. Als Kind eines Gastronomenpaares habe sie das Büroleben mit seinen Arbeitszeiten von Montag bis Freitag und den freien Wochenenden regelrecht romantisiert, erzählt Merle Grastorff und lacht. „Aber kein Modell ist immer ideal und passt zu allen.“

Nach 30 Jahren: Eltern kündigen allmählichen Rückzug an

Vor zwei Jahren sprechen ihre Eltern zum ersten Mal darüber, nicht ewig so weiterarbeiten zu wollen. Für die Tochter steht erneut die Frage der Nachfolge im Raum. Damals habe sie sich noch dagegen entschieden. „Ich steckte gerade noch mittendrin im Job.“

Ein gutes Jahr später deutet der Vater an, dass er sich vorstellen könnte, die Koffiestuv zu verkaufen. „Das hat etwas in mir ausgelöst“, erinnert sich die 29-Jährige. Ihre Eltern nach 30 Jahren vor dem möglichen Ende ihres Lebenswerks zu sehen, bewegt sie tief. „Ich hab festgestellt, dass ich doch sehr daran hänge. Das ist auch mein Leben.“

Nach der ersten Saison ist die Entscheidung gefallen

Merle Grastorff spricht mit ihrem Freund Magnus, mit dem sie in Berlin-Schöneberg lebt, nur einen Katzensprung vom Kudamm entfernt. Als er signalisiert, auch seine Karriere in Berlin aufgeben und die Koffiestuv gemeinsam mit ihr führen zu wollen, ist die Entscheidung gefallen.

Das Paar kündigt Jobs und Wohnung. Drei Monate später ziehen sie an die Wurster Küste.

Inzwischen liegt die erste Saison hinter ihnen. Merle Grastorff und ihr Partner arbeiten im Service, erkunden auf Gastronomiemessen neue Trends, wälzen Artikellisten von Großhändlern. Ganz langsam wächst die 29-Jährige in die Rolle der Chefin und Arbeitgeberin hinein. „Mein Leben“, sagt sie, „hat sich komplett verändert.“

Aus der Probezeit wird eine Zukunftsvision

Aus der „Probezeit“ ist längst eine Zukunftsvision geworden. Es gibt kein Hintertürchen, keine Rückkehr in die Großstadt. „Wir haben entschieden, dass wir die Koffiestuv ab 2026 weiterführen - aber nicht mehr mit den Eltern als Chefs, sondern mit uns in leitender Funktion.“

Detlef Grastorff ist bereit, das Zepter aus der Hand zu geben. „Ich freu mich riesig, dass die Kinder das wirklich machen wollen“, sagt er. Ob er weiterhin in der Koffiestuv Brot und Kuchen backen wird? Der Bäckermeister lächelt. „Ich möchte da unterstützen, wo die nächste Generation Hilfe haben möchte, nicht da, wo ich helfen will.“

Konzept, das gut zur Region, aber auch zu jungen Menschen passt

Merle Grastorff setzt auf ihren Vater. Und sie will am Bäckerhandwerk festhalten. „So lange wir das Personal dafür haben, wollen wir besondere Stücke schaffen, die man so nicht mehr überall bekommt.“

Aber die junge Gastronomin möchte auch neue Wege einschlagen. Einerseits soll das Konzept gut zur Region passen, andererseits auch jüngere Leute an die Küste locken. „Die Ideen sind sehr vielschichtig, aktuell sind wir dabei, die ganze Koffiestuv neu zu denken“, erklärt sie und nennt Begriffe wie vegane Küche, Regionalität und Zero Waste (Abfallvermeidung).

Vater Grastorff nickt anerkennend. „Ich hoffe, dass die Kinder was anderes wollen.“ Das bisherige Konzept, sinniert er, würde vielleicht noch fünf oder auch zehn Jahre tragen. „Aber es ist kein Konzept, mit dem ich dafür sorgen könnte, dass eine künftige Generation Urlauber angezogen wird.“

Renovierungsphase und E-Learning-Plattform

Für Merle Grastorff und ihren Partner beginnt die Zukunft jetzt. Im kommenden Jahr möchten sie „eine kleine Renovierungspause“ einlegen. Nicht nur für Gäste, auch Einheimische hat das Paar im Fokus. „Die Menschen in der Region haben uns bisher nicht 100-prozentig auf dem Schirm.“

Und dann lässt Merle Grastorff doch noch ihre berufliche Vergangenheit im Personalwesen aufblitzen. Angesichts der vielfältigen Personalherausforderungen in der Gastronomie wolle sie den Onboarding-Prozess, die systematische Einarbeitung und Integration neuer Mitarbeiter, neu aufstellen, erklärt sie. Eine E-Learning-Plattform fürs Team könne manches erleichtern und beschleunigen.

Detlef Grastorff ist inzwischen zu einem Termin geeilt. Doch er hätte sicher anerkennend geschmunzelt.

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