TVon Oma bis Leiche: Sechs besondere Geschichten eines Supermarktdetektivs

Ein Mann steckt eine Flasche in seinen Rucksack. Eine Person hat ihn im Auge: der Bremerhavener Supermarktdetektiv Andreas Hausner. Foto: dpa
Im Supermarkt begegnen sich alle Gesellschaftsschichten. Alle gehen einkaufen. Seit 35 Jahren ist Andreas Hausner Supermarktdetektiv. Er erzählt seine besten Geschichten.
1. Oma Lotti
Eine ältere Frau, über 80 Jahre alt, befindet sich im Supermarkt. Soweit nichts Besonderes. Besonders ist jedoch, dass sie einen Ladendiebstahl begeht. Ihr Diebesgut: Käse, Aufschnitt, Butter und ein halbes Pfund Brot.
Ladendetektiv Andreas Hausner (57) - Name geändert - erwischt sie dabei und führt sie ins Büro. Die Situation ist ihr sichtlich peinlich. Sie erklärt glaubhaft, dass sie bitterarm sei und sich die Lebensmittel kaum leisten könne. Hausner zeigt Verständnis: „Diese Frau hat jahrzehntelang gearbeitet und ist jetzt im hohen Alter gezwungen, ein Stück Käse zu klauen, weil das Geld vorne und hinten nicht reicht“, erzählt er.
Ausnahmsweise verzichtet er auf eine Anzeige und das Einschalten der Polizei. Im Gegenteil: „Ich habe ihr dann noch den Einkauf bezahlt“, sagt Hausner.
Daraus entwickelt sich eine kleine Freundschaft zwischen dem Supermarktdetektiv und „Lotti“, wie er sie nennt. Er besucht sie regelmäßig, bringt Kuchen mit und unterhält sich mit ihr. Sie sei sehr einsam gewesen. Hausner beschreibt sie als einen „warmherzigen, tollen Menschen“. „Man war irgendwie immer mit Ömchen verbunden“, erzählt der 57-Jährige.
Diese Freundschaft hielt etwa drei Jahre – bis sie verstarb. Ihr Tod habe ihn eine Zeit lang beschäftigt. „Ich habe damals auch eine Träne verdrückt“, sagt Hausner.
2. Eiskalter Fehler
Es ist Heiligabend. In einem riesigen Supermarkt drängen sich unzählige Menschen durch die Gänge. Alle Kassen sind geöffnet, die Schlangen sind lang.
Ladendetektiv Hausner sitzt in seinem Überwachungsraum und beobachtet das Gewusel auf den Monitoren. „Ich sah, wie ein Mann mit einer riesigen schwarzen Wollmütze im Kassenbereich plötzlich umfiel“, erzählt er. Der Mann kippte nach links weg.
„Und dann rollte auf einmal ein tiefgefrorenes Hähnchen nach rechts durch die Menge“, berichtet Hausner schmunzelnd weiter. Gelächter bricht im Supermarkt aus.
Das eiskalte Hähnchen, das der Mann offenbar unter seiner Mütze versteckt hatte, hatte ihn ohnmächtig werden lassen. Er hatte es wegen der langen Warteschlange zu lange auf dem Kopf behalten und einen Kälteschock bekommen. Einige Zeit später kam der Mann wieder zu sich. „Er war völlig verwirrt und wusste gar nicht, was passiert war“, sagt Hausner.
3. Eine zweite Chance
Der Edeka in der Schiffdorfer Chaussee liegt gegenüber einer Sozialeinrichtung in Bremerhaven. Ein alkoholkranker Mann von dort kommt regelmäßig in den Supermarkt. Er trägt auffällige Gesichtstattoos.
„Ich habe ihn immer beobachtet, aber er hat nie etwas angestellt“, erzählt Ladendetektiv Hausner. Im Gegenteil: Der Mann ist positiv aufgefallen. Eine ältere Kundin hatte ihren Geldbeutel verloren. Er hob ihn auf und gab ihn ihr zurück.
Irgendwann sprach Hausner ihn an. Er fragte ihn, wie lange er das mit dem Alkoholkonsum noch so weitermachen wolle. „Es ging ihm nicht gut, er ging ihm von Tag zu Tag schlechter“, berichtet Hausner.
Er habe ihm dringend zu einem Alkoholentzug geraten und im Gegenzug Unterstützung angeboten: einen Arbeitsplatz, Hilfe bei der Rückkehr in ein normales Leben, falls er die Therapie durchziehe. „Von seiner Art her ist er ein super höflicher, zuvorkommender Mensch“, erklärt Hausner seine Motivation.
Seit zehn Wochen ist der Mann nun im Klinikum Reinkenheide in Suchttherapie. „Toi, toi, toi – bis jetzt scheint er es durchzuhalten“, sagt Hausner und klopft auf den Tisch. Eine Kassiererin bei Edeka habe ihn vor Kurzem gesehen und berichtet, dass er schon deutlich besser aussehe. „Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient“, sagt Hausner überzeugt.
4. Der erste Eindruck
Vor einiger Zeit hatte Hausner einen russischen Mann im Verdacht. Er war zwei Meter groß und schielte. „Er erinnerte mich an einen James-Bond-Bösewicht“, erzählt der Ladendetektiv. Der Hüne wirkte einschüchternd, sogar gefährlich.
Hausner nahm all seinen Mut zusammen und sprach ihn an. „Ich habe mir fast in die Hose gemacht“, sagt er rückblickend. Er hatte sich aufgerichtet, wollte mit breiter Brust klarmachen, wer hier der Chef ist. Mit Erfolg.
Der Mann folgte ihm ins Büro. Dort brach er plötzlich in Tränen aus. „Er meinte noch, dass er das nie wieder tun würde - wie ein kleines Kind“, berichtet Hausner, der nach wie vor sichtlich überrascht davon ist. Der Mann hatte versucht, Zigaretten zu stehlen. „Und dann gibt es wiederum so 1,50-Meter-Typen, die komplett am Rad drehen und dir direkt ins Gesicht springen“, erzählt der 57-Jährige.
5. Verkehrte Welt
Hausner sitzt in seinem Büro in einem Supermarkt. Im Laden ist nicht viel los. Ein sonderbarer Besucher betritt das Geschäft. Er trägt nur eine Badehose. „Er war oberkörperfrei und hatte nicht einmal Latschen an“, sagt Hausner.
Eine Mitarbeiterin ist gerade dabei, die Regale einzuräumen. Der Mann schleicht um sie herum. Dann packt er ihr plötzlich von hinten an die Brüste. Hausner sieht die Szene auf der Videokamera und stürmt sofort zum Ort des Geschehens. Er stellt den Mann zur Rede. Doch der packt ihn am Hals und drückt zu.
Durch das Geschrei der Kunden eilen weitere Mitarbeiter herbei, und der Mann lässt schließlich von ihm ab. Hausner, aufgebracht, eilt zurück in sein Büro. Dort hat er einen Baseballschläger. „Und den habe ich benutzt“, sagt er.
Dabei wird er von zwei Frauen beobachtet. Beide sind Polizistinnen. Verkehrte Welt: Am Ende landet der Supermarktdetektiv selbst vor Gericht. Auf die Frage, ob er heute noch einen Baseballschläger im Büro habe, antwortet er scherzhaft: „Seit dem Vorfall habe ich zwei – falls einer kaputtgeht.“
6. Die Leiche
Hausner berichtet von einem besonderen Fall: Ein Supermarkt in Bremerhaven half dabei, ein Verbrechen aufzuklären. Es geht um das Jahr 2022. „An der Geeste wurde eine Leiche gefunden“, erzählt er. Dabei handelte es sich um Tamara T., eine Frau aus dem Kreis Cuxhaven. Sie war in mehrere Mülltüten verpackt, nachdem sie zuvor von einem Mann grausam erdrosselt worden war.
„Die Kriminalpolizei hat dann versucht herauszufinden, woher diese Tüten stammten“, berichtet der Supermarktdetektiv. Die Ermittlung gestaltete sich nicht allzu schwierig. Das Ergebnis: Die Tüten stammten von Edeka Roter Sand. „Die Tüten waren von der Eigenmarke“, erklärt Betreiber Jens Knauer. Daher kamen nur wenige Verkaufsstellen in Frage.
Anschließend sicherte man das Videomaterial der Überwachungskameras. Es konnte nachgewiesen werden, dass der verdächtige, auffällig tätowierte Mann die Tüten dort gekauft hatte. „Auch die damaligen Fahndungsfotos stammten von unseren Kameras“, erzählt Knauer. Der Täter wurde später wegen Totschlags zu 13 Jahren Haft verurteilt.