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Historie

TVon der Drehbrücke über die Oste zum Dauer-Provisorium seit 80 Jahren

Die Ostebrücke Mitte der 80er Jahre.

Die Ostebrücke Mitte der 80er Jahre. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Sie ist ein 80 Jahre altes Provisorium: Die Eisenbahn-Behelfsbrücke über die Oste bei Burweg. Der Blick auf die Geschichte zeigt: Zwei Mal explodierten Sprengladungen.

Von Thorsten Ratzke und Grit Klempow Montag, 02.06.2025, 09:50 Uhr

Burweg. Am 3. Mai 1945 zündeten Soldaten einer deutschen Marineartillerie-Einheit um 16.30 Uhr die Sprengladungen an der Eisenbahnbrücke über die Oste bei Burweg. Die stählerne Rundbogen-Konstruktion versank im Fluss.

Die Brücke war erst 1938 gebaut worden und hatte ein spezielles Bauwerk ersetzt - eine Drehbrücke. Die Geschichte dieser Ostebrücke ist eingebettet in die Historie der Eisenbahnstrecke. Thorsten Ratzke, Vorsitzender des Heimatvereins Burweg, hat sie für den Verein nachgezeichnet. Ein Auszug:

Bahngesellschaft geht bankrott

Zwar wurde schon 1863 mit den ersten Planungen der Bahnstrecke von Harburg nach Stade begonnen, aber erst 1872 war das Projekt Teil eines Gesetzesentwurfs. Langfristig sollte die Bahnstrecke bis nach Cuxhaven und zu einem Hafen führen. Die „Cuxhavener Eisenbahn-, Dampfschiff- und Hafen­ Aktiengesellschaft“ mit Sitz in Berlin wurde drei Monate später gegründet, stellte aber ein Jahr später aus Geldmangel die Arbeiten wieder ein.

Brücke mit Dampflok

Brücke mit Dampflok Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Erst 1879 konnte die bankrotte Gesellschaft ihre Konzession an die „Societé Belge de chemines de fer“ in Brüssel verkaufen, die daraufhin die „Unterelbische Eisenbahngesellschaft“ mit Sitz in Harburg gründete. Sie übernahm den Weiterbau der Strecke. Die Trassenführung der Bahnlinie am Geestrand zur Marsch bot sich an.

Eingleisig von Harburg nach Cuxhaven

Am 13. November 1880 fuhr der erste Zug der „Unterelbischen Eisenbahn“ zwischen Harburg und Horneburg. Ein Jahr später war die 104 Kilometer lange eingleisige Strecke der „Unterelbischen Eisenbahn“ von Harburg nach Cuxhaven fertig.

Das größte Hindernis für Bau und Betrieb der Eisenbahn aber war der Brückenbau über die Oste. Aufgrund des regen Güterschiffsverkehrs zu den Häfen Gräpel und Bremervörde mit Segelschiffen und der Einwände der Flussschiffer, entschied man sich für den Bau der technisch aufwendigen Drehbrücke.

Drehbrücke für die Osteschiffer

Die Firma Krupp aus Essen errichtete die Drehbrücke mit einem Mittelpfeiler und zwei Durchfahrtsöffnungen von je 13,5 Meter. Die Gründung der Brückenpfeiler erwies sich als sehr schwierig, weil eine Moorschicht durchgraben werden musste. Die Brücke wurde durch zwei Brückenwärter bedient, die auf beiden Seiten der Oste ihre Wärterhäuschen hatten.

Die geöffnete Drehbrücke über die Oste. Die Konstruktion machte es möglich, dass auch der Segelschiff-Verkehr zu den Häfen in Gräpel und Bremervörde passieren konnte. Die Drehbrücke wurde 1938 ersetzt.

Die geöffnete Drehbrücke über die Oste. Die Konstruktion machte es möglich, dass auch der Segelschiff-Verkehr zu den Häfen in Gräpel und Bremervörde passieren konnte. Die Drehbrücke wurde 1938 ersetzt. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Der Betrieb war von technischen Schwierigkeiten geprägt. Die Stahlkonstruktion war massiv, das Verschlusssystem kompliziert - und bei heißem Sommerwetter ließ sich die Brücke aufgrund der Wärmeausdehnung nicht öffnen. Die Schiffer mussten sich bis in die kühleren Abendstunden gedulden.

Der Bahndamm mit Blickrichtung Burweg im Jahr 1937. Der Damm musste für die neue Brücke verbreitert werden.

Der Bahndamm mit Blickrichtung Burweg im Jahr 1937. Der Damm musste für die neue Brücke verbreitert werden. Foto: Archiv Ratzke

Bereits nach knapp zehn Jahren war der Verkehr auf der Bahnstrecke so stark angestiegen, dass sie zwischen 1892 und 1894 zweigleisig ausgebaut wurde. Mitte der 20er Jahre dachte die Bahnverwaltung über den Neubau einer Bahnbrücke nach. Auch eine Straßenbrücke war im Zuge der Planung im Gespräch.

Abfindung für die Oste-Ewer

Der Segelschiffsverkehr konnte trotz Protestes der Schiffer, nicht mehr aufrechterhalten werden. Die Schiffer, die oberhalb der Ostebrücke beheimatet waren und Schiffe mit einem nicht legbaren Mast hatten, bekamen vom Staat eine Abfindung zum Umbau der Takelung. Ab 1920 wurden ohnehin immer mehr Motorschiffe in Betrieb genommen.

Brückenwärterhaus (HGA) etwa 1910 aufgenommen.

Brückenwärterhaus (HGA) etwa 1910 aufgenommen. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

1936 wurde zunächst die Autobrücke über die Oste eingeweiht, die die Fähre an der Hechthausener Mühle ersetzte. Von 1936 bis 1938 wurde die neue Eisenbahnbrücke über die Oste errichtet. Die Bauausführung des Stahlbaus übernahm die Fa. C.H. Jucho aus Dortmund, die unter anderem auch die Rendsburger Hochbrücke sowie den Portalkran der Sietas-Werft in Neuenfelde baute.

Sprengung der alten Brückenpfeiler der Drehbrücke 1938.

Sprengung der alten Brückenpfeiler der Drehbrücke 1938. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Die neue Stabbogenbrücke wurde nördlich der alten Drehbrücke gebaut, während der Zugverkehr weiter über die alte Brücke rollte. Hierzu musste der Bahndamm auf beiden Seiten der Oste verbreitert werden. Als die neue Brücke fertig war, wurden die Fundamente der alten Drehbrücke gesprengt.

Briten geben neue Brücke in Auftrag

Die neue Bogenbrücke tat nur wenige Jahre Dienst, bevor sie am 3. Mai 1945 nach der Sprengung durch die abziehenden deutschen Truppen in der Oste versank.

Die britische Besatzungsmacht beauftragte nur drei Wochen nach der Sprengung, am 31. Mai 1945, die Firma Habermann & Guckes AG aus Kiel mit dem Wiederaufbau der Brücke. Der Brückenbereich mit den Vollwandträgern auf der Hechthausener Seite waren nach der Sprengung unversehrt geblieben. So galt es, einen Ersatzbau für das 71,20 Meter breite Feld über die Oste zu finden.

Die Wahl fiel auf ein RE-Brückengerät, eine mobile, schnell aufzubauende Eisenbahnbehelfsbrücke. Entwickelt wurde das RE-Brückengerät von den Firmen Waagner-Biro (Wien), Stahlbau Eggers (Hamburg) und der Dortmunder Union vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Zweck: Die „Organisation Todt“ sollte damit die Nachschubwege der Wehrmacht in eroberten Gebieten aufrechterhalten. Als Vorteile dieser Rautenbrücke galten die einfache Konstruktion, der relativ leichte Aufbau und die Anpassung an verschiedene Stützweiten.

Provisorium seit 80 Jahren

Auch eine gewisse Langlebigkeit hat das Provisorium bewiesen: In Auftrag gegeben und montiert vor 80 Jahren, erfüllt sie bis heute ihren Dienst. Die Behelfsbrücke über die Oste soll im Hamburger Hafen demontiert und auf dem Wasserweg an ihren Bestimmungsort transportiert worden sein. Seit 1988 wird der Bahnbetrieb zwischen den Bahnhöfen Hechthausen und Himmelpforten wieder eingleisig geführt - ein Zustand, der immer wieder bemängelt wird, wenn es um den Ausbau und die Beschleunigung der Strecke für einen zeitgemäßen Nahverkehr geht.

Quellen: Hechthausen in alten Bildern, Heimatverein Hechthausen, Klauder, Ann-Katrin, Und damals war es Borchweghe, Die Unterelbe‘sche Eisenbahn, Hans-Otto Schlichtmann, Archiv Hans Gerhard Alstedt, Hechthausen

Die gesprengte Brücke, vorne links die neue Brücke.

Die gesprengte Brücke, vorne links die neue Brücke. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Die gesprengte Brücke am 3. Mai 1945.

Die gesprengte Brücke am 3. Mai 1945. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

Die geöffnete Drehbrücke im Januar 1938.

Die geöffnete Drehbrücke im Januar 1938. Foto: Archiv Heimatverein Burweg

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