TVorbild für Handball-WM? Was unsere Weltmeisterinnen 1993 auszeichnete
BSV-Spielerinnen Andrea Bölk (rechts) und Heike Axmann bei der Ankunft am Hamburger Flughafen mit der Goldmedaille. Foto: Privat
Am 26. November startet die Handball-WM. In Deutschland und den Niederlanden geht es um den Frauen-Titel. Der letzte deutsche Triumph ist 32 Jahre her - Andrea Bölk und Heike Axmann waren dabei.
Buxtehude. Der 5. Dezember 1993 ist als „Wunder von Oslo“ in die Geschichte des deutschen Handballs eingegangen. Zum ersten Mal tritt eine deutsche Mannschaft als gesamtdeutsches Team bei einer WM an – und triumphiert.
Deutschland besiegt den Favoriten Dänemark nach einer nervenaufreibenden Verlängerung. Zu den strahlenden Siegerinnen gehören auch die BSV-Spielerinnen Heike Axmann und Andrea Bölk. Auf den sportlich glanzvollen Moment folgt für die BSV-Stars eine ruhige WM-Feier.
Heute: Heike Axmann und Andrea Bölk sind dem BSV treu geblieben und Stammgäste in der Halle Nord. Foto: Iso Jürgens
Heike Axmann und einige andere plagt ein Infekt. „Ich bin nach dem Finale mit der Goldmedaille direkt ins Bett“, erzählt Axmann, die fünf Tore erzielt hat. „Ich bin eigentlich eine Feiermaus“, gesteht Bölk. Sie bleibt aber im Hotel und kümmert sich um ihre kranke Zimmerpartnerin.
Schneeballschlacht statt Training
Diese gegenseitige Unterstützung ist sinnbildlich für den Erfolg. Trainer Lothar Doering hatte im Vorfeld ein Team aus Ost und West zusammengewürfelt. „Er brauchte uns nichts beibringen, sondern musste uns nur als Mannschaft formen“, sagt Bölk.
Doering gelingt es, die Spielerinnen bei Laune zu halten, eine Gemeinschaft zu bilden und den Druck herauszunehmen. „Wir haben das Training vor dem wichtigsten Spiel ausfallen lassen und in Oslo eine Schneeballschlacht gemacht“, erinnert sich Bölk.
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Die Teamchemie wirkt sich auf das Finale aus. Die Mannschaft ist resistent gegen äußere Einflüsse. „Wir waren es eigentlich nicht gewohnt, vor so vielen Leuten zu spielen“, sagt Axmann. Das Endspiel verfolgen 7600 Zuschauer. „Die ganze Halle war voll mit Skandinaviern und natürlich gegen uns.“
Nur noch Mittelmaß
Heute baut das Team auf einer etablierten Struktur auf, zu der Spielerinnen wie Xenia Smits, Annika Lott und die gebürtige Buxtehuderin Emily Vogel (geborene Bölk) gehören. Das Trio spielt auf hohem Niveau in der Champions League. Die Basis ergänzen Talente wie Nina Engel, Nieke Kühne und Viola Leuchter.
„Jetzt ist der Trainer gefordert, die Stärken herauszukitzeln“ so Bölk. Und er muss Schwächen am Kreis und auf Außen kaschieren. Hier fällt das Team international ab.
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„Deutschland hat eine richtig starke Mannschaft“, findet auch Heike Axmann. Sie könne es bislang aber nicht abrufen, wenn es darauf ankomme. Auch deshalb stecken die DHB-Frauen im Mittelmaß fest. Die letzte Medaille (Bronze) gewann das Team vor 18 Jahren.

Haben die DHB-Frauen bald wieder Grund zum Jubeln? Foto: Marco Wolf/dpa
Familientreffen im Ruhrpott
Die WM 2025 findet in Deutschland und den Niederlanden statt. Deutschland spielt in der Vorrunde in Stuttgart und würde die Hauptrunde in Dortmund bestreiten.
Dank einer günstigen Auslosung hat Deutschland zunächst machbare Gegner. „Das müssen sie nutzen, um mit den eigenen Fans im Rücken in einen Flow zu kommen. So wie wir damals“, sagt Bölk. Dann hätte man auch Chancen gegen größere Kaliber.
Andrea Bölk wird die WM zunächst vor dem Fernseher und ab der Hauptrunde in Dortmund verfolgen. Der DHB lädt Spielerinnen ein, die mehr als 100 Länderspiele absolviert haben. Für Bölk ist es wieder einmal ein besonderer Moment. Seit der Hochzeit im Juni kann sie ihre Tochter wieder in die Arme schließen.

Emily Vogel, Tochter von Bölk, zählt zu den erfahrensten Spielerinnen. Foto: Frank Cilius/Ritzau Scanpix Foto via AP/dpa
DHB hat große Ziele
Der DHB hat längst das „Jahrzehnt des deutschen Handballs“ ausgerufen. Die WM im eigenen Land gilt als einer der Höhepunkte.
Der Verband erhofft sich große Impulse, insbesondere für den Frauenhandball. „Dieses Turnier ist ein Auftrag an uns alle und soll ein Katalysator für den gesamten Frauenhandball sein“, sagte Axel Kromer, damaliger Vorstand Sport des DHB, im Sommer 2023.
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Gelingt es, den Sport weiter zu professionalisieren und die Wertschätzung zu erhöhen? Dafür ist auch ein Schub bei der medialen Präsenz nötig. Um den zu bekommen, muss das DHB-Team über sich hinauswachsen.
Die WM-Spiele gibt es live zunächst nur hinter der Bezahlschranke bei dyn und Sporteurope.TV. Heike Axmann hat ein Abo. Sie will von den Malediven einschalten.
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ARD und ZDF, die Sender mit deutlich größerer Reichweite, steigen frühestens ab einem Viertelfinale mit deutscher Beteiligung ein. Das erste K.o.-Duell könnte allerdings auch das letzte sein. Bei einem normalen Turnierverlauf würden Top-Favorit Norwegen oder Schweden warten.
Die aktuellen TV-Rechte sind immerhin ein Fortschritt zu 1993. Das Finale lief damals nur im Radio, das Fernsehen zeigte den Davis Cup. „Deutschland ist Weltmeister geworden und keiner hat es mitbekommen“, sagt Bölk.
Von Nachbarländern abgucken
Sportlich erinnern sich Bölk und Axmann gerne an DDR-Zeiten zurück. Vieles sei dem Sport untergeordnet und die staatliche Unterstützung größer gewesen. Heute seien viele Vereine notgedrungen von der strauchelnden Privatwirtschaft abhängig, findet Bölk. Länder wie Frankreich, die Niederlande, Ungarn und Skandinavien würden es besser machen.
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Sollten sich die DHB-Frauen ihren Traum vom Edelmetall erfüllen, hofft Bölk, dass ihre Tochter den Erfolg ausgiebig mit Freunden und der Familie feiern kann
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Sie und Axmann hatten damals kaum Zeit, um zu realisieren, was ihnen gelungen war. Nur wenige Stunden nach dem WM-Erfolg saßen sie im Flieger und am nächsten Tag ging es zurück zur Arbeit - an den Bankschalter beziehungsweise ins Reisebüro.
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