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BSV-Spielerin

TWM-Silber und Tabellenkeller: Jolina Huhnstocks zwei Handball-Welten

Jolina Huhnstock feiert WM-Silber. Durch ihre Verletzung trägt sie eine Schiene am linken Arm.

Jolina Huhnstock feiert WM-Silber. Durch ihre Verletzung trägt sie eine Schiene am linken Arm. Foto: Marco Wolf

WM-Silber trotz Verletzung: Nationalspielerin Jolina Huhnstock arbeitet in Buxtehude an ihrem Comeback und steht vor einer wichtigen Entscheidung.

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Von Tim Scholz
Dienstag, 23.12.2025, 05:50 Uhr

Buxtehude. Schwer und schön - so fühlt sie sich an, sagt Jolina Huhnstock und lacht. Die Silbermedaille der Handball-WM trug sie nach dem Finale gegen Norwegen fast ununterbrochen. „Sie ist mega schön“, sagte die 24-Jährige vergangene Woche. Noch habe sie nicht wirklich realisiert, was passiert sei.

Ein WM-Finale, rund sechs Millionen Zuschauer im Fernsehen, Silber mit der deutschen Nationalmannschaft. Die Medaille soll zu Hause einen Ehrenplatz bekommen, an der Wand. Als Erinnerung an ein Turnier, das für Huhnstock trotz Verletzung „ein mega cooles Ereignis“ war.

Sehnenanriss - ausgerechnet die Heim-WM war beendet

Kurz nach dem Finale in Rotterdam ist die Kreisläuferin wieder in Buxtehude angekommen. Dort wartet der harte Bundesliga-Alltag: acht Spiele, kein Sieg, vorletzter Platz. Am 30. Dezember geht es in der ausverkauften Halle Nord gegen den Tabellenzweiten Bensheim/Auerbach weiter. Zwei Welten, die kaum gegensätzlicher sein könnten.

Jolina Huhnstock bewegt sich im Moment dazwischen. Auf der einen Seite die Medaille und die große Bühne, auf der anderen Seite eine historische Durststrecke, Verletzungssorgen und ein Trainerwechsel.

Bei der WM sammelte Huhnstock 30 Minuten Einsatzzeit und erzielte einen Treffer.

Bei der WM sammelte Huhnstock 30 Minuten Einsatzzeit und erzielte einen Treffer. Foto: Marijan Murat/dpa

Selbst wird Huhnstock voraussichtlich im Januar wieder auf der Platte stehen. Im zweiten Vorrundenspiel zog sie sich eine Armverletzung zu, einen Sehnenanriss im linken Ellenbogen. Das Turnier war nach insgesamt 30 Minuten Einsatzzeit und einem Treffer für sie beendet - ausgerechnet die Heim-WM, ein Kindheitstraum. Der Kopf habe Zeit gebraucht, um das zu verarbeiten, sagt sie. „Das war ein mega schlechter Zeitpunkt.“

Die Familie „hat mich aufgepäppelt“

Nach dem dritten Vorrundenspiel reiste Huhnstock ab, fuhr zu ihrer Familie nach Bad Langensalza in Thüringen. „Die haben mich aufgepäppelt“, sagt sie. Physiotherapie, Ruhe, ein bisschen Abstand bekommen. Immerhin war keine Operation nötig. Huhnstock sieht es als das Positive an der Situation.

Während sie nach der Woche bei der Familie wieder in Buxtehude trainierte, marschierte die deutsche Mannschaft Richtung WM-Finale. Teammanagerin Anja Althaus schrieb ihr, sie könne gerne zur Mannschaft kommen. Mit einer Freundin fuhr Huhnstock nach Rotterdam, saß nah an der Bank, feuerte an, gab der ARD in der Halbzeit ein kurzes Interview. „Ich hatte trotz meiner Verletzung das Gefühl, Teil der Mannschaft zu sein“, sagt sie. Die Mannschaft habe es ihr leicht gemacht.

Das war der „negative Punkt“ der WM

Dass das Finale im Free-TV lief, bewertet sie als wichtigen Schritt für den Frauenhandball. „Sichtbarkeit umfasst so viel“, sagt Huhnstock. Vereine, Spielerinnen, Verbände - alle seien jetzt gefragt, damit das auch so bleibt. Dass das Fernsehen erst ab dem Viertelfinale einstieg, sei der negative Punkt. „Aber es war trotzdem ein sehr positives Ereignis.“

Zurück in Buxtehude ist vom Glanz erst mal wenig zu spüren. „Man muss sich auch erst wieder daran gewöhnen, dass es kein Hotelessen mehr gibt“, sagt Huhnstock im Scherz. Wochenlang lebte sie mit der Nationalmannschaft in Hotels.

Beim ersten Training unter dem neuen Trainer Nicolaj Andersson steht Huhnstock zwar in der neuen Halle Nord, trainiert aber individuell. Sie macht Läufe neben dem Spielfeld und Übungen auf der Matte. Ihr linker Arm ist in einer Schiene, mit rechts darf sie werfen. „Es wird immer besser“, sagt sie. Ein MRT soll zeigen, wie weit die Heilung ist.

Huhnstock wird voraussichtlich im Januar wieder auf dem Feld stehen.

Huhnstock wird voraussichtlich im Januar wieder auf dem Feld stehen. Foto: Jan Iso Jürgens

Die Situation beim BSV ist angespannt. Mit ihr sind aktuell alle drei Kreisläuferinnen verletzt, Verstärkung kommt wohl nicht. „Es ist natürlich schwierig, das zu sehen“, sagt Huhnstock, „aber ich möchte nichts überstürzen.“ Sie mache sich keinen zusätzlichen Druck, so schnell wie möglich zurückzukehren. „Ich schaue nach vorne.“ Der neue Trainer komme positiv rüber, fordere viel, mache einen sehr guten Eindruck. „Das brauchen wir in dieser Situation.“

Das sagt Huhnstock über das Aus von Trainer Leun

Über die Trennung von Dirk Leun, der fast 18 Jahre Trainer in Buxtehude war, spricht sie zurückhaltend. Die Nachricht erreichte sie bei der Nationalmannschaft, kurz vor der WM. Kapitänin Teresa von Prittwitz rief sie an. „Für mich kam das sehr plötzlich“, sagt sie. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt andere Dinge im Kopf und habe versucht, es auszublenden.“ Menschlich tue es ihr leid. „Er hat viel zu meiner Entwicklung beigetragen.“ Mehr möchte sie dazu nicht sagen.

Trotz allem fühlt sich Huhnstock in Buxtehude gut aufgehoben. Die Fans, das Umfeld, die Mannschaft: „Ich habe den Norden lieben gelernt, habe hier auch meinen Freund Louis kennengelernt.“ Während der WM passten sogar zwei Mitglieder aus dem BSV-Fanclub auf ihre Katze auf, „zwei Katzenliebhaber“, sagt sie.

Vertrag läuft aus - das sind ihre sportlichen Ziele

Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus. Gedanken darüber hat sie sich noch keine gemacht. Aber es dürfte kein Geheimnis sein, dass eine Nationalspielerin internationale Erfahrung braucht. „Sportlich kann ich mir vorstellen, auch mal europäisch zu spielen“, sagt Huhnstock. „Das wäre eventuell der nächste Step.“

Huhnstock hat in acht Saisonspielen für den BSV 31 Tore erzielt.

Huhnstock hat in acht Saisonspielen für den BSV 31 Tore erzielt. Foto: Felix Schlikis

Parallel studiert sie Ernährungswissenschaften im Fernstudium, „ganz ohne Stress“, wie sie sagt. Eine Ausbildung zur chemisch-technischen Assistentin hat sie während ihrer Zeit in Bad Wildungen bereits abgeschlossen - ein Rat ihrer Eltern, den sie heute zu schätzen weiß.

Jetzt steht erst mal Weihnachten an. „Ich weiß nicht, wann ich zuletzt über die Feiertage wirklich frei hatte“, sagt sie. In diesem Jahr ist es so. Sie verbringt Weihnachten bei ihrer Familie. Am 25. Dezember gibt es Thüringer Klöße mit Ente, traditionell bei ihrer Oma. Jolina Huhnstock freut sich auf ein paar schöne, entspannte Tage.

BSV-Fans fahren nach Halle

Am Samstag, 3. Januar (19 Uhr), spielt der Buxtehuder SV in der Handball-Bundesliga gegen den SV Union Halle-Neustadt. Der Fanclub Has‘ & Igel organisiert eine Busfahrt dorthin. Abfahrt ist um 12.30 Uhr an der alten Halle Nord. Nichtmitglieder zahlen 60 Euro, Kinder die Hälfte. Die Eintrittskarte kommt hinzu. Anmeldungen nimmt der Fanclub per Mail entgegen: fansvonbuxte@gmx.de. (bt/tim)

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