TWahlkreis Stade – Rotenburg: Vanessa Zobel von der CDU gewinnt klar

Die Siegerin Vanessa Zobel (Mitte) und die Gratulanten: Melanie Reinecke, Kreisvorsitzende der Stader CDU, und Dirk Stelling. Er ist stellvertretender Kreisvorsitzender in Rotenburg. Foto: Wisser
Jubel in Bremervörde und Buxtehude, Ernüchterung in Stade: So sah es am Wahlabend geografisch aus. Eine Rundreise durch den Wahlkreis Stade I - Rotenburg II.
Landkreis. Es ist kurz vor 21 Uhr, als Kreiswahlleiter Thorsten Heinze in den BBS Stade ein „gesichertes vorläufiges Endergebnis“ verkündet. Er erklärt Vanessa Zobel zur Wahlsiegerin - in Abwesenheit der CDU-Politikerin, die in ihrer Heimat Bremervörde feiert.
Dass Zobel nicht nach Stade gekommen ist, wo deutlich mehr Wahlberechtigte des Wahlkreises Stade I - Rotenburg II leben, stößt bei einigen Beteiligten in den BBS sauer auf. So kann der Stader Landrat Kai Seefried (CDU) seiner Parteikollegin nur telefonisch gratulieren.
Zobel bekommt 60.000 von 160.000 Stimmen
Von knapp 166.000 gültigen Stimmen im Wahlkreis Stade/Rotenburg bekommt Zobel mehr als 60.000. Knapp 36,4 Prozent aller Erststimmen bedeuten einen klaren Sieg für die Christdemokratin. Frauke Langen (SPD) kommt auf 25,6 Prozent. Platz drei belegt AfD-Kandidatin Marie-Thérèse Kaiser (18 Prozent). Alle anderen Kandidaten bleiben einstellig: Joachim Fuchs (Grüne) erreicht 9,8 Prozent, Benjamin Koch-Böhnke (Die Linke) 6,2 Prozent, Jan Koepke (FDP) 2,8 Prozent und Malte Hermsteiner (Volt) 1,3 Prozent. Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis liegt bei starken 84,45 Prozent.
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Langens erster Komentar zur Wahlniederlage: „Ich hätte mir das anders gewünscht und hatte noch gehofft, es vor Ort drehen zu können.“ Ihr Weg sei noch nicht zu Ende, sagt die Sozialdemokratin und denkt dabei an den Kommunalwahlkampf im kommenden Jahr.
Jetzt ist Langen erst mal froh, dass „wir uns alle ausruhen können“. Aber sie wäre auch gern nach Berlin zur ersten Sitzung der neuen SPD-Fraktion gefahren. Auf Nachfrage gesteht sie nach einem sehr engagierten Wahlkampf: „Ein bisschen enttäuscht bin ich schon.“
Alles andere als enttäuscht ist naturgemäß Vanessa Zobel. „Stade und Rotenburg haben nicht links gewählt, Stade und Rotenburg haben CDU gewählt“, freut sich die erfolgreiche Kandidatin, die mit einem Berufssoldaten verheiratet und Mutter zweier Kinder ist. Die 37-Jährige erlebt den Abend mit Familie, Freunden und Unterstützern in der Gaststätte Alt Bremervörde.
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Zobel will in Berlin Interessen des ländlichen Raums vertreten
Zobel bedankt sich bei ihrer Familie und dem Unterstützerteam für einen „kalten Winterwahlkampf“. „Was haben wir zusammen gefroren“, sagt Zobel. Sie verspricht, sich besonders für die Interessen des ländlichen Raums in Berlin einzusetzen. Ihr Sieg hatte sich schnell abgezeichnet, sie lag immer deutlich vorn. Sie konnte, außer in der Hansestadt Stade, alle Kommunen im Wahlkreis für sich entscheiden.
Zobel tritt die Nachfolge des bisherigen Seriensiegers Oliver Grundmann aus Stade an. Der Christdemokrat konnte den Wahlkreis seit 2013 drei Mal in Folge gewinnen. „Meiner Nachfolgerin Vanessa Zobel gratuliere ich sehr herzlich. Sie konnte den Wahlkreis erwartungsgemäß souverän verteidigen. Ich wünsche ihr, dass sie perspektivisch auch einen starken Fußabdruck hinterlässt“, sagt Grundmann (53), der auf eine erneute Kandidatur verzichtet hatte. Grundmann ist am Wahlabend in Berlin.
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„Schiet egal ob Stade oder Rotenburg, wir sind alle stolz auf dich“, sagt Melanie Reinecke. Die Stader Kreisvorsitzende der CDU ist von den BBS in Stade nach Bremervörde gefahren, als sich der Sieg von Vanessa Zobel abzeichnete. „Du hast uns alle im Sturm erobert“, sagt die Landtagsabgeordnete Reinecke. Auch die Buxtehuder CDU-Landtagsabgeordnete Birgit Butter ist nach Bremervörde gekommen und gratuliert der Siegerin.
So reagiert das SPD-Lager auf den Wahlabend
Im Gegensatz zu Bremervörde herrscht im SPD-Lokal an der Achivstraße in Stade, wo sich etwa 30 Sozialdemokraten um ihre Direktkandidatin Langen versammelten, keine Hochstimmung. „Die kleinen Orte sind oft CDU-lastig“, sagt Annekatrin Wolff-Meuter aufmunternd zu Frauke Langen, als die Auszählungen der ersten Wahllokale einlaufen. Doch am Ende liegt Zobel klar vorn, rund zehn Prozent vor der SPD. Frauke Langen sagt, sie schmerzten besonders die vielen Stimmen für die AfD. In Harsefeld, in ihrem eigenen Wahllokal, hat die in Teilen rechtsextreme Partei sogar mehr Stimmen als die SPD bekommen.
„Die SPD sollte sich jetzt mal wieder auf sich selbst konzentrieren und nicht auf die AfD“, sagt Oliver Holtermann aus Harsefeld, der das Büfett ins Wahllokal geliefert hat. Es gehe darum, den Leuten zuzuhören: „Von mir aus auch in der Opposition.“
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„Frauke Langen liegt mit ihrem Ergebnis deutlich über dem Bundestrend. Das freut uns sehr“, sagt die Landtagsabgeordnete Corinna Lange. Sie ist auch SPD-Kreisvorsitzende. Dass Vanessa Zobel sich an diesem Abend nicht in Stade blicken lässt, sei aber kein gutes Omen: „Wenn das so bleibt, war es kein guter Tag für den Landkreis Stade.“
Wie die SPD trifft sich auch die FDP in Stade. Zu Beginn des Wahlabends zeigen sich die Liberalen noch optimistisch. „Der FDP-Wähler ist ein scheues Reh, der zeigt sich nicht so leicht“, sagt Christiane Leuchtenberger mit Blick auf die Umfragen. Kilian von Allwörden kommentiert die 18-Uhr-Prognose: „Das wird ‘ne knappe Kiste.“
Von Kartoffeln und Wein bei der FDP
Ingo Reincke zittert nicht nur um die Zukunft der FDP, sondern auch um einen Zentner Kartoffeln. Den gewinnt er von einem Mitarbeiter, falls die FDP über fünf Prozent kommt. Wenn nicht, kostet es ihn eine Flasche Rotwein - so wird es später kommen.
In der anderen Hansestadt des Landkreises feiern zwei andere Parteien. „Die Stimmung bei uns ist einfach mega“, freut sich der Direktkandidat der Linken, Benjamin Koch-Böhnke, als die ersten Prognosen und Ergebnissen kurz nach 18 Uhr am Buxtehuder Westfleth in der Kneipe Bierbaum über den Bildschirm flimmern.
Seine Anhänger strahlen vor Freude. Das Super-Ergebnis im Land und im Wahlkreis zeige, dass die Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit von vielen geteilt werde, so Koch-Böhnke. Im Laufe des Wahlkampfes seien viele junge Leute eingetreten.
Viele Sozialdemokraten wählten links, das mache Hoffnung für den Kommunalwahlkampf 2026. Das sei auch ein Erfolg der Co-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek. Bedauerlich sei das Abschneiden der rechtsextremistischen AfD. Die Linke werde das soziale Gewissen im neuen Bundestag sein.
Einige 100 Meter entfernt von Linke und Bierbaum treffen sich die Grünen im Pub The Rebels Choice. „Hundertprozentig zufrieden können wir nicht sein, wir wollten mehr“, sagt der Direktkandidat Jochim Fuchs ganz offen. „Wir können aber stolz auf das sein, was wir geschafft haben.“ Beifall.
AfD-Kandidatin Kaiser „zufrieden“ und kämpferisch
Beunruhigend sei der Rechtsruck, so Fuchs mit Blick auf die AfD. Das Wahlergebnis mache allerdings Hoffnung auf die Kommunalwahl. Die Kreis-Grünen seien um 22 Prozent auf 350 Mitglieder gewachsen, mit 9048 Haustürgesprächen belege der Kreisverband den Spitzenplatz in Niedersachsen.
Geschäftsführerin Amalien Meyer startet eine Online-Umfrage: Die meisten Gäste wählen die Aussage „Stolz auf unsere Leistung“ und „Enttäuscht, aber nicht entmutigt“. Fuchs hält eine Regierungsbeteiligung für möglich, sofern „unsere roten Linien beim Klimaschutz nicht überschritten werden“.
Die AfD verzichtet an diesem Abend auf eine große Wahlveranstaltung in der Region. Die in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei hat einige Mitglieder für Wahlbeobachtungen im Einsatz. Diese schauen in Wahllokalen bei der Auszählung zu.
Die AfD-Direktkandidatin Marie-Thérèse Kaiser ist in Berlin. Sie ist Mitarbeiterin von AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Im Vergleich mit der Bundestagswahl 2021 kann die AfD ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. „Das ist für Frau Kaiser ein sensationelles Ergebnis“, kommentiert Stades AfD-Pressesprecher Helmut Wiegers den Erfolg.
Kaiser selbst sagt über ihr Abschneiden: „Ich bin mit unserer Leistung im Wahlkampf zufrieden.“ Ihr Landesverband von der AfD Niedersachsen hatte ihr keinen Listenplatz eingeräumt, weshalb ihre Chancen nach der Wahlrechtsreform ohnehin schlecht standen, in den Bundestag einzuziehen. Doch das Ex-Model beirrt dies nicht: „Ich werde weiter ein Angebot machen, um einen besseren Listenplatz zu bekommen“, so die 28-Jährige aus Sottrum.
Zufrieden mit seinem Ergebnis ist der 22-jährige Malte Hermsteiner: Seine Partei Volt schaffte zwar nur 0,74 Prozent der Zweitstimmen, aber auf 2100 Erststimmen (1,27 Prozent) ist er stolz: „Für mich als Newcomer ist das ein toller politischer Erfolg, der auch meinem Team zu verdanken ist, das mit wenig Mitteln viel auf die Beine gestellt hat.“

Ernüchterung bei der SPD um Spitzenkandidatin Frauke Langen (Mitte). Foto: Strüning