Zähl Pixel
Landwirtschaft

TSchweinebauer Peter Wolters produziert lieber Edel-Pilze als Schnitzel

Sie ließ sich in die Geheimnisse der Edel-Pilze einführen: Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) war angetan von Peter Wolters Zukunftsidee für seinen Betrieb.

Sie ließ sich in die Geheimnisse der Edel-Pilze einführen: Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) war angetan von Peter Wolters Zukunftsidee für seinen Betrieb. Foto: Hansen

Grünen-Agrarminister Cem Özdemir kämpft In Berlin für mehr Tierwohl in den Schweineställen. Doch allmählich gehen ihm die Bauern aus, die das umsetzen könnten. Immer mehr Schweinehalter geben auf – oder satteln um. Wie Peter Wolters aus Midlum.

Von Inga Hansen Samstag, 13.07.2024, 09:50 Uhr

Midlum. Es ist das Prestigeprojekt, das sich Cem Özdemir (Grüne) auf die Fahnen geschrieben hat: Der Bundeslandwirtschaftsminister will den Umbau der Tierhaltung in Deutschland einläuten. Mehr Tierwohl in den Ställen, finanziert über eine Abgabe oder höhere Steuern, und der Verbraucher soll am Label auf der Schnitzel-Packung gleich erkennen können, wie das Tier aufgezogen worden ist – das ist das Ziel. Dieser Schritt soll zuerst in der Schweinehaltung umgesetzt werden. Doch das Projekt hängt in der Luft, seit Jahren schon. Derweil geben immer mehr Schweinehalter auf.

Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte zu Besuch beim Pilz-Bauern

Peter Wolters hält noch Schweine. Aber nur noch halb so viele wie früher. Der Bauer aus Midlum hat zwei seiner Schweineställe komplett umgebaut und züchtet dort Edel-Pilze. Das brachte ihm jetzt Besuch aus Hannover ein.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte schaute sich auf ihrer Sommerreise die Pilzproduktion an der Kransburger Straße an. Und hielt dort ein Loblied auf die Diversifizierung. „Wenn landwirtschaftliche Betriebe mehrere Standbeine haben, halten sie Krisen auf den Lebensmittel-Märkten besser stand“, betonte die Ministerin der Grünen. Deshalb habe ihr Ministerium auch eine Förderung dafür aufgelegt: Wer seine Schweinehaltung abstocke und stattdessen ein zweites Standbein aufbaue, könne dafür einen Investitionskostenzuschuss beantragen.

Es sind keine Champignons, sondern Edel-Pilze wie Seitlinge oder japanische Shiitake-Pilze, die der Midlumer Landwirt Peter Wolters in seinen früheren Schweineställen züchtet. Foto: Hansen

Es sind keine Champignons, sondern Edel-Pilze wie Seitlinge oder japanische Shiitake-Pilze, die der Midlumer Landwirt Peter Wolters in seinen früheren Schweineställen züchtet. Foto: Hansen Foto: Hansen

Für Peter Wolters sind mehrere Standbeine nichts Neues. Und einen Zuschuss für seine Umstellung hat er auch nicht beantragt. Auf seinem Betrieb nahe der A27 wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Kartoffeln angebaut, in den 70ern wechselte sein Vater zu Schweinemast und Ackerbau, in den 80ern wurde die Zahl der Mastplätze ordentlich aufgestockt. Mitte der 90er Jahre ist der heute 57-Jährige in den Betrieb eingestiegen. Es kamen Pensionspferde und Ferienwohnungen hinzu. Und im Jahr 2000 zwei Putenställe auf der östlichen Seite der Autobahn.

Die Pilze spukten Peter Wolters schon lange im Kopf herum

Schon damals, bevor er auf die Puten gesetzt hat, spukte Wolters die Idee mit den Pilzen im Kopf herum. Als Kind hatte er sie zusammen mit seiner Mutter im angrenzenden Wasserwerks-Wald gesammelt, jetzt hoffte er, damit die stark schwankenden Schweinepreise betrieblich ausgleichen zu können. Doch um die Jahrtausendwende hatte man nur den Massenmarkt im Visier. Ein Experte habe ihm damals abgeraten, erzählt er. Weil der Markt, der damals im Wesentlichen aus Champignons bestand, fest in der Hand weniger großer Konzerne sei. So blieb der Landwirt bei seinen Leisten und fing stattdessen an, Puten zu mästen.

20 Jahre später sieht die Lage anders aus. Schweinefleisch wird in Deutschland immer weniger gegessen, vegetarische und vegane Gerichte sind im Kommen. Und mit ihnen die Pilze, die in der fleischlosen Ernährung eine wichtige Rolle spielen. Zu Corona-Zeiten boomte das heimische Kochen wieder, die Wochenmärkte waren voll, das Interesse an Pilzen wuchs.

Unter den Schweinemästern herrscht große Unsicherheit

Peter Wolters witterte eine Marktlücke. Zumal die Schweinehalter immer stärker unter Druck stehen. Zum Auf und Ab der Märkte kommen höhere Ansprüche der Gesellschaft an Tierwohl, schärfere Auflagen und die große Unsicherheit hinzu, wie man als Mäster in Zukunft in Deutschland noch wirtschaften kann, hinzu. In den vergangenen zehn Jahren hat in Niedersachsen, dem größten Schweineland der Republik, nach Zahlen des Statistischen Landesamtes fast die Hälfte der Betriebe aufgehört. Im Kreis Cuxhaven gibt es noch 133, darunter sind aber auch eine Reihe von Betrieben, die die Borstenviecher nur zum Nebenerwerb halten.

„Es ist einem Zufall zu verdanken, dass wir die Schweine noch haben“, erzählt Peter Wolters. Eigentlich wollte er die Schweine abschaffen, dann fand er aber einen Interessenten für seine Putenställe und gab das Geflügel auf. Zwei Schweineställe behielt er, für 500 Tiere. Zur Sicherheit. Die beiden anderen entkernte er komplett, rüstete sie mit Klimaanlage, Luftfilter und einem Bewässerungssystem aus. Nun wachsen dort Seitlinge und Shiitakepilze. Zunächst in einer „Dunkelkammer“, in denen die Bio-Substrate, die er in abgepackten Beuteln von einem Händler kauft, bei wohlig warmen 23 Grad ihre Wurzeln, das Mycel, ausbilden.

Landwirt Peter Wolters: „Pilze haben ja ein gutes Image“

Dann wechseln die Säckchen den Standort, in herbstliche 13 Grad, mit viel Feuchtigkeit. Dort werden sie „aktiviert“, wie der Pilz-Bauer es nennt, sie werden mit einer Art Mini-Baseball-Schläger geschlagen, um das Wachstum zu stimulieren. Fünf Tage später zeigen sich stecknagelgroße Köpfchen, weitere fünf Tage später sind die ersten Pilze da.

„Es ist sehr viel Arbeit“, gesteht der Landwirt ein. Vor allem die Ernte und die Vermarktung. Die Pilze müssen abgeschnitten, verpackt, ausgefahren werden. Und die Kunden muss er selbst anwerben. Eine ganz neue Erfahrung. „Aber es macht auch Spaß, Pilze haben ja ein gutes Image“, sagt er und lächelt. Das war der Schweinezüchter bisher nicht gewohnt. Wie die meisten Tierhalter, die die Anerkennung der Gesellschaft für das, was sie tun, vermissen.

Wolters will auf Sicht 180 bis 200 Kilo Pilze in der Woche produzieren

100 Kilo Pilze produziert er jetzt in der Woche. Auf lange Sicht, so der Landwirt, sollen es 180 bis 200 Kilo werden. „Wenn das klappt und wir die Pilze auch an den Mann und an die Frau bringen, können wir die Schweine ganz abschaffen“, hofft er. Das ist sein Ziel. „Die größte Konkurrenz“, sagt er, „sind die Champignons.“ Denn die seien deutlich günstiger. „Aber wer meine Pilze mal probiert hat, der schwärmt auch davon“, lächelt er.

Wir blicken in die Pilzzucht von Peter Wolters und seinem Mitarbeiter Karsten Marjenhoff (Foto).

Wir blicken in die Pilzzucht von Peter Wolters und seinem Mitarbeiter Karsten Marjenhoff (Foto). Foto: Scheschonka

Zugutekommt Wolters dabei, dass er der einzige Edel-Pilz-Produzent weit und breit ist. Im Kreis Stade gebe es noch einen, erzählt er. Aber ihre „Einzugsgebiete“ hätten sie untereinander abgestimmt. Mehr Wettbewerb könne der Markt auch nicht vertragen, ist sich der Bauer sicher. Edel-Pilze sind ein Nischenprodukt und werden das wohl auch bleiben.

Weitere Artikel