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TWas es kostet, die Gerichtsverhandlung zu schwänzen

Eine Zeugin erhebt schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten - und erscheint nicht zur Verhandlung.

Eine Zeugin erhebt schwere Vorwürfe gegen den Angeklagten - und erscheint nicht zur Verhandlung.

Bei Strafsachen offenbart sich das pralle Leben. In Buxtehude kommt es zu einem skurrilen Telefonat zwischen Richter und Zeugin, die unentschuldigt fehlt.

Von Redaktion Sonntag, 13.10.2024, 09:50 Uhr

Buxtehude. Ein seltsames Bild bot in dieser Woche eine Zeugin vor dem Amtsgericht Buxtehude. Genau gesagt: Was irritierte, war ihre fehlende Anwesenheit - und ihre verblüffende Weltfremdheit.

Der Vorwurf wiegt schwer: Laut Staatsanwaltschaft soll ein 28 Jahre alter Mann im vergangenen Jahr in Harsefeld eine Frau in ihrer Wohnung sexuell belästigt und mit der Hand auf den Körper geschlagen haben. Der Angeklagte, ein Nachbar, bestreitet den Vorwurf. Er habe die Wohnung der Frau an dem Abend nicht einmal betreten.

Ungewöhnliches Telefonat zwischen Richter und Zeugin

Möglicherweise, vermutet er, wolle seine Nachbarin ihm schaden, weil er sich an dem Abend wegen des Lärms aus ihrer Wohnung beschwert habe.

Ohne die Aussage der Frau geht nichts, macht Strafrichter Dr. Sebastian Hackemack deutlich. Die Frau ist als Zeugin geladen. Aber sie erscheint nicht.

Daraufhin erleben Prozessbeobachter ein ungewöhnliches Telefonat, das sich zwischen dem Richter und der Zeugin ereignet. Die Antworten der Frau lassen sich aus den Worten des Richters nachvollziehen, damit die anderen Prozessbeteiligten informiert sind.

„Wir sitzen hier in einer Strafsache...“, beginnt der Richter. Antwort der Zeugin: „Ich habe gedacht, die Verhandlung ist an einem anderen Tag.“

Vor dem Amtsgericht Buxtehude kam es zu einem ungewöhnlichen Telefonat zwischen dem Richter und einer Zeugin, die unentschuldigt fehlte.

Vor dem Amtsgericht Buxtehude kam es zu einem ungewöhnlichen Telefonat zwischen dem Richter und einer Zeugin, die unentschuldigt fehlte. Foto: Sulzyc

„Können Sie jetzt noch kommen?“, möchte der Richter wissen. Nein, sagt die Frau, sie sei beruflich weiter entfernt unterwegs.

Zeugin will Prozesstermin verhandeln. Im Ernst?

„Sie haben den Termin verbaselt“, stellt der Richter lakonisch fest. Ein schlechtes Gewissen ereilt die Zeugin aber offenbar nicht. Sie schlägt dem Richter Ersatztermine vor. Sie habe im Dezember oder Januar Zeit.

Gelassen macht der Richter der Frau deutlich, dass Zeugen sich Prozesstermine nicht aussuchen können. „Es geht auch nach meinem Terminplan!“ Die Frau werde eine Ladung zu einem neuen Termin erhalten.

Der Richter beendet das Telefonat - und setzt die Verhandlung aus. Was die Frau später schriftlich erfahren wird: Weil sie unentschuldigt fehlte, muss sie ein Ordnungsgeld bezahlen.

Was kostet es, das Gericht zu schwänzen?

100 Euro - oder ersatzweise zwei Tage Haft. Außerdem muss die Frau für entstandene Kosten aufkommen. In diesem Fall: die Kosten für eine Dolmetscherin. Der Angeklagte spricht Arabisch und wenig Deutsch.

Strafsachen ereigneten sich oft im Milieu. Da komme es schon mal vor, dass Zeugen unentschuldigt fernbleiben, sagte Dr. Hackemack auf Nachfrage dem TAGEBLATT. „Im Milieu meinen manche, dass sie bessere Sachen vorhaben.“

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