TWeinreben mitten in der Stadt: Stader Hobbywinzer stellen edle Tropfen her

Margret und Ernst-August Heinemeyer stoßen mit ihrem Rotwein an. Foto: Stehr
Gibt es guten Wein aus Norddeutschland? Das wollte Ernst-August Heinemeyer aus Stade wissen und wurde Hobbywinzer. Welche Tipps er hat und wie der Alkohol in den Wein kommt.
Stade. Wenn im Sommer der Lavendel und die Mohnblumen zwischen ihren Rebstöcken blühen, glauben Margret und Ernst-August Heinemeyer manchmal, sie wären in Südfrankreich. Dabei leben die beiden mitten in Stade, in einem Haus mit großem Garten. Hier ist genug Platz für etwa 100 Rebstöcke, an denen weiße und rote Trauben wachsen. Zwischen 50 und 100 Liter Wein stellen die Hobbywinzer daraus jedes Jahr her.
Lieber Wein statt Kartoffeln im Garten
„Meine Mutter hat hier früher ganz klassisch Erbsen und Kartoffeln angebaut. Wir wollten etwas Verrücktes machen“, sagt Margret Heinemeyer. Die ehemalige Lehrerin übernahm zusammen mit ihrem Mann 1985 ihr Elternhaus in Stade und vermietete es.

Ernst-August Heinemeyer beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, ob Weinanbau in Norddeutschland möglich ist. Foto: Stehr
Seit einem Jahr lebt das Paar wieder selbst dort. Um den Garten hatten sich die beiden aber auch vorher regelmäßig gekümmert, vor allem um den Wein. Bereits Anfang der 1980er Jahre pflanzte Ernst-August Heinemeyer hier die ersten Rebstöcke. „Ich war neugierig, ob Weinanbau auch in Norddeutschland gelingen kann“, sagt er.
Weiß- und Rotwein aus Stade
Als der promovierte Mikrobiologe 2014 in den Ruhestand ging, nahm sein Hobby Fahrt auf. Inzwischen baut Ernst-August Heinemeyer die weiße Sorte Solaris sowie die beiden Rotweinsorten Rondo und Cabernet cortis an. Alle sind recht robust, widerstandsfähig gegen Pilze und früher reif als bekanntere Sorten wie Riesling oder Spätburgunder. Schutz vor Wespen, Amseln und Essigfliegen bieten Traubenschutzbeutel.

Zum Schutz vor Amseln, Wespen und Essigfliegen sind die Rotweintrauben eingenetzt. Foto: Stehr
Was ist sonst noch wichtig für einen guten Ertrag? Was den Boden angeht, sei Wein insgesamt recht anspruchslos. Der richtige Schnitt Ende Februar/Anfang März sei aber notwendig. An einem Trieb sollten höchstens zwei Trauben hängen, sagt Heinemeyer. Außerdem braucht der Wein Luft und sollte immer wieder ausgedünnt werden.
Lange Wartezeit bis zur ersten Ernte
Um der Pilzkrankheit Mehltau vorzubeugen, sprüht der Hobbywinzer seinen Wein zwei bis drei Mal im Jahr mit Netzschwefel ein. Ein Mittel, das auch im Bioanbau zulässig ist. Wichtig zu wissen: Erst im zweiten oder dritten Jahr nach der Pflanzung kann man zum ersten Mal ernten.

Mit dem Refraktometer kann Ernst-August Heinemeyer den Reifegrad der Beere optisch bestimmen. Foto: Stehr
Den Reifegrad seiner Trauben überprüft Heinemeyer mit einem Refraktometer. Das kleine Gerät sieht aus wie ein Monokular und misst den Zuckergehalt der einzelnen Beere. Je höher der sogenannte Oechsle-Wert, desto reifer sind die Trauben und desto mehr Potenzial für komplexe Aromen und Süße hat der Wein. Der Zuckergehalt wirkt sich auch auf den Alkoholwert aus.
Weinherstellung wie vor 100 Jahren
„Damit der ausreichend ist, wird manchen Weinen extra Zucker zugesetzt, das brauchen wir aber nicht“, sagt Heinemeyer. Sein Weißwein hat einen Alkoholwert von 11 bis 12 Prozent, der Rotwein kommt auf 13 Prozent. Hergestellt wird der Wein mit klassischen Geräten wie vor 100 Jahren.

Mit diesen Geräten stellen die Heinemeyers in ihrem Keller Wein her. Foto: Stehr
Freunde und Familienmitglieder helfen bei der Lese sowie beim Pressen der Trauben, dem Keltern. Danach wird der Wein in Glasballons im Keller gelagert und gärt. Zugesetzte Hefe wandelt dabei den Zucker in Alkohol um. Der Weißwein wird zur Konservierung noch geschwefelt, beim Rotwein sei das nicht nötig, sagt Heinemeyer.
Mediterrane Aromen im Stader Wein
Bis der Wein im Glas landet, braucht der Hobbywinzer Geduld. Während der Weißwein im Frühjahr bereit zur Verköstigung ist, braucht der Rotwein aus der „Villa Hedwig Stade“ mindestens ein Jahr. Doch das Warten lohnt sich. Der Solaris schmeckt fruchtig-aromatisch, der Rotwein vollmundig-kräftig. „Wir waren anfangs selbst überrascht, wie gut vor allem der Rotwein schmeckt, fast mediterran“, sagt Ernst-August Heinemeyer.
Weinanbau
Neue Rebsorten werden immer wichtiger
Besondere Tradition
Erstmals wieder Weinlese am Hamburger Stintfang
Er freut sich jetzt schon auf den nächsten Jahrgang. Vor wenigen Tagen hat er dafür 135 Kilo reife weiße Trauben geerntet. Die Rotweinlese folgt im Oktober. Vorher ist noch Zeit für ein Gläschen Rotwein. Am liebsten im eigenen Garten.
Weinanbaufläche in Niedersachsen wächst
Die Heinemeyers sind offensichtlich nicht die einzigen, die von norddeutschen Weinen begeistert sind. Seitdem der Weinbau 2016 in Niedersachsen erlaubt wurde, steigt die Zahl der Weinanbauer in Niedersachsen laut des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) kontinuierlich an. Derzeit wird auf gut 31 Hektar von 48 Winzern professionell Wein angebaut - sogar im Landkreis Stade, zum Beispiel in Wangersen.

Die Heinemeyers beweisen, dass mitten in Stade leckerer Wein angebaut werden kann. Foto: Stehr
Gut zu wissen: Weinanbau für den Eigenbedarf ist auf einer Fläche von maximal 1000 Quadratmetern ohne eine Anmeldung beim Laves erlaubt. Eine Anzeigepflicht gegenüber dem Laves besteht bereits ab einer Fläche von 500 Quadratmetern Hauswein.
www.heinemeyer-mikrobiologie.de/weinanbau-in-norddeutschland

Margret und Ernst-August Heinemeyer bauen in ihrem Stader Garten Rot- und Weißwein an. Foto: Stehr
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.