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Pflegekrise

TWenn das Pflegeheim plötzlich schließt: Eine Betroffene berichtet

Ingrid Görlich ist dankbar dafür, wie liebevoll und rührig ihr an Demenz erkrankter Mann Johann in der Tagespflege der Johanniter betreut wird. Dass die Einrichtung nun geschlossen wird, ist für sie eine Katastrophe. „Ich verstehe es einfach nicht", sagt die 79-Jährige.

Ingrid Görlich ist dankbar dafür, wie liebevoll und rührig ihr an Demenz erkrankter Mann Johann in der Tagespflege der Johanniter betreut wird. Dass die Einrichtung nun geschlossen wird, ist für sie eine Katastrophe. „Ich verstehe es einfach nicht", sagt die 79-Jährige. Foto: Glückselig

Der Mann von Ingrid Görlich ist an Demenz erkrankt. Er besucht die Tagespflege der Johanniter. Doch nun wird die Einrichtung geschlossen.

Von Detlef Glückselig Mittwoch, 09.07.2025, 06:50 Uhr

Nordenham. Ingrid Görlich hat Schmerzen in der Schulter. Bei Stress und Sorgen reagiert ihr Körper umgehend mit Beschwerden. Als ihr Mann Johann vor einigen Jahren die Diagnose Demenz bekam, waren es die Nieren. Dafür, dass jetzt die Schulter Probleme macht, gibt es ebenfalls einen Grund: Johann Görlich besucht regelmäßig die Tagespflege der Johanniter an der Sophie-Scholl-Straße. Seine Frau ist froh und dankbar über die Entlastung, die sie dadurch hat. Doch Ende August soll die Einrichtung geschlossen werden. Ingrid Görlich ist verzweifelt. Sie weiß nicht, wie es danach weitergehen soll.

Johann Görlich hat sein Berufsleben als Zimmermann verbracht. Er war an großen Bauprojekten beteiligt, hat seine Fähigkeiten beim Bau der Köhlbrandbrücke in Hamburg und der Schleuse in Uelzen eingesetzt. Er war in einem Kegelclub aktiv, sang bei der Atenser Liedertafel und später im Chor Absiliat. Der Chor hat sich inzwischen aufgelöst. Aber die Mitglieder treffen sich noch immer. Bei diesen Zusammenkünften ist Johann Görlich ebenso weiterhin dabei wie bei den Kegelabenden. Doch es ist nur physisch anwesend, sitzt nur da, sagt nichts.

Noch heute dankbar für den guten Rat der Tochter

Die ersten Anzeichen einer möglichen Demenz machten sich bei Johann Görlich 2015 bemerkbar. Der heute 83-Jährige räumte die Spülmaschine aus und wusste nicht mehr, wo er das Geschirr hinstellen muss. 2020 war die Krankheit so akut geworden, dass Johann Görlich einer Betreuung bedurfte. Ingrid Görlich, die schon ihre Eltern gepflegt hatte, nahm sich dieser Aufgabe an. Als alles zu viel wurde, hörte sie auf einen Rat ihrer Tochter, für den sie heute noch dankbar ist: Am 1. Januar 2023 gab sie ihren Mann, der die Pflegestufe 4 hat, in die Obhut der Tagespflege der Johanniter.

Die Johanniter geben die Tagespflege-Einrichtung an der Sophie-Scholl-Straße auf. Am 31. August ist Schluss.

Die Johanniter geben die Tagespflege-Einrichtung an der Sophie-Scholl-Straße auf. Am 31. August ist Schluss. Foto: Glückselig

Ingrid Görlich bringt ihren Mann morgens in die Einrichtung, die Johanniter fahren ihn am späten Nachmittag wieder nach Hause. Dazwischen hat die 79-Jährige ein wenig Zeit für sich selbst. Weil sie sich auch nachts um ihren Mann kümmern muss, nutzt sie diese Zeit, in der sie ihren Johann in der Tagespflege gut betreut weiß, um Schlaf nachzuholen. Sie kann außerdem zu den regelmäßigen Treffen ihres Strick- und Literaturkreises gehen. Und gelegentlich kann sie auch einfach mal durchatmen.

„Alle sind so rührig und kümmern sich toll um meinen Mann“

„Mein Mann ist in der Tagespflege gut aufgehoben. Alle sind so rührig und kümmern sich ganz toll um ihn“, sagt Ingrid Görlich. Dass all das nun Ende August vorbei sein soll, kann die Nordenhamerin „einfach nicht verstehen“.

Der in Oldenburg ansässige und auch für die Einrichtung in Nordenham zuständige Regionalverband Weser-Ems der Johanniter-Unfall-Hilfe hat auf Nachfrage der Kreiszeitung eine zu geringe Auslastung der Tagespflege als Grund für die Schließung angegeben. Aktuell seien nur 28 Verträge mit Tagesgästen abgeschlossen. Es müssten aber 45 sein, damit die finanzielle Rechnung aufgeht, heißt es aus Oldenburg. Die Zahl der Tagesgäste sei kontinuierlich zurückgegangen. Es sei alles getan worden, um den Abwärtstrend zu stoppen, jedoch ohne Ergebnis.

Ingrid Görlich gibt die Hoffnung noch nicht auf

Wurde tatsächlich alles getan? Ingrid Görlich meldet daran leise Zweifel an. Die Einrichtung sei zu wenig bekannt, weil die Verantwortlichen in Oldenburg nicht genügend Werbung gemacht hätten, vermutet sie. Nun könnte es dafür zu spät sein. Und das ist für Ingrid Görlich eine Katastrophe. „Ich bin wütend, enttäuscht und traurig hoch drei“, sagt die Nordenhamerin.

Ingrid Görlich hat von der zweiten und ab September einzigen Tagespflege-Einrichtung, die in Nordenham verbleiben wird, bereits eine Absage erhalten. Bei der Betreuung ihres Mannes wollen künftig ihre in Oldenburg lebende Tochter und ihr in Rastende wohnender Enkel noch stärker mit einspringen.

Ingrid Görlich ist jedoch klar, dass das keine Dauerlösung sein kann. Ihren Mann in ein Pflegeheim geben, das möchte sie auf keinen Fall, solange es zu Hause noch irgendwie geht. Deshalb mag sie auch die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Johanniter ihre Entscheidung vielleicht doch noch überdenken und die Einrichtung an der Sophie-Scholl-Straße, die für sie und ihren Mann so wichtig ist, erhalten. Ingrid Görlich: „Das wäre das Beste, was uns passieren kann.“

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