TWenn den Toten der Zugang zum Jenseits verwehrt wird

Kuratorin Julia Schubert vor ihrem Lieblingsexponat: mit Blut gefüllte Röhrchen, angefertigt von der Schweizer Künstlerin Alexandra Meyer. Foto: Alexandra Bisping
Halloween. Zeit für Geister, Vampire und Untote, sich in Stade und Umgebung auf den Weg zu machen. Ihre Mission: die Lebenden heimzusuchen. Dass die Furcht vor Untoten nicht von ungefähr kommt, ist ab morgen im Schwedenspeicher zu sehen.
Stade. Im Stader Museum stehen Gräber. Also keine richtigen Gräber, aber in Form und Bedeutung ähnlich. Es sind rechteckige Projektionsflächen. Sie symbolisieren Grabstätten. Ungewöhnliche Grabstätten, die Geschichten erzählen.
Davon, wie diese Menschen beerdigt wurden und was die Lebenden befürchteten - zum Beispiel die Rückkehr der Toten. Es geht um die Ausstellung „UNTOT. Archäologie BISS Popkultur“. Noch vor der Eröffnung hat Kuratorin Julia Schubert dem TAGEBLATT Einblicke in dieses faszinierende Thema gewährt.
Steine im Grab einer angeblichen Mörderin
Warum hat ein Toter eine Münze im Mund? Warum liegt auf dem Kopf eines jungen Mannes ein schwerer Stein? Diesen und anderen Funden will die Ausstellung nachspüren. Julia Schubert hat schon mal eine Erklärung: „Steine sind ein starkes Manifest, um jemanden in der Erde zu halten“, sagt sie. Bei den Ausgrabungen in den 1980ern waren Steine nur ein Hindernis. Jetzt werden sie als Zeugnisse von Bannriten hinterfragt. Als ein Mittel, Tote aus der Glaubensgemeinschaft auszuschließen und ihnen den Frieden im Jenseits zu verweigern.
Illustrationen von Paula Müller geben Grabsituationen wieder. Eine Projektion zeigt das Grab der angeblichen Giftmörderin Anna Marlena Prink, der „roten Lena“. Sie wurde 1842 in Ohrensen geköpft. Angeblich hatte sie ihren Mann vergiftet. Nach jüngsten Erkenntnissen war sie unschuldig und beteuerte das bis zu ihrer Hinrichtung. Ihr Grabdeckel war mit Steinen beschwert. Das zeigen archäologische Funde. Wurde ihr der Zutritt ins Jenseits verwehrt?
Insgesamt beschäftigen sich 40 Exponate mit dem, was anders ist. Mit Abweichungen von gewöhnlichen Bestattungen, Wiederkehrern oder Nachzehrern, die aus ihren Gräbern heraus für Seuchen wie die Pest gesorgt haben sollen. Zum Beispiel wurde den Toten etwas unter das Kinn gelegt - oder eine Münze in den Mund.
Stader Kreisarchäologie hat Ausstellung angeregt
Die Ausstellung spürt der Frage nach, was Menschen zu diesem Handeln getrieben hat. War es ihr Glaube? Und wie steht’s um Vampire? Die Vorstellung der blutsaugenden Untoten ist spätestens seit Bram Stokers Roman Dracula (1897) und Friedrich Wilhelm Murnaus Film Nosferatu (1922) weltweit verbreitet - und aktuell. „Der heutige Vampirglaube ist stark mit Blut verbunden“, sagt Schubert. Auch das hat seinen Platz in der Ausstellung.
Sie mag viele Exponate, doch das sei ihr liebstes, so die Kuratorin. Es handelt sich um eine Wand voller Röhrchen. In jedem einzelnen steckt Blut - ein Werk der Schweizer Künstlerin Alexandra Meyer. „Blut ist ein naturwissenschaftliches Substrat“, sagt Julia Schubert. Das mag sie und auch den Titel des Werkes, „Porträts“. „Er lässt sich mit Bedeutung aufladen.“ Untote, Blut, Wiederkehrer - wie kam Schubert zu der Ausstellung?
Der Kreisarchäologe Daniel Nösler hatte das Thema an sie herangetragen, sagt sie. Gemeinsam mit der Archäologin Angelika Franz hatte er das Buch „Geköpft und gepfählt - Archäologen auf der Jagd nach den Untoten“ geschrieben. Schubert selbst sei durch Popkulturelles damit in Berührung gekommen. „Ich bin großer Fan von der Vampirjägerin Buffy“, sagt sie. „Es ist spannend, auch mal auf die Jägerinnen und Jäger zu blicken.“
Die Ausstellung „UNTOT. Archäologie BISS Popkultur“ beginnt am Dienstag, 31. Oktober, und läuft bis zum 1. April 2024, zu sehen im Museum Schwedenspeicher in Stade, Wasser Wet 39. In dieser Zeit laufen Sonderveranstaltungen wie Filmabende (Zombie-Donnerstag), Gruseliges Kinderkino, Spieleabende, Gespräche und Vorträge. Geplant ist auch eine Blutspendeaktion. Angeboten werden außerdem öffentliche Führungen. Weitere Infos unter 04141/7977310 oder www.museen-stade.de.