TWenn vom Menschen keine sichtbare Spur bleibt: Anonyme Bestattungen in Stade

Kein Schild, kein Kreuz, kein Stein markiert die Gräber auf dem Feld für anonyme Bestattungen auf dem Geestfriedhof. Foto: Anping Richter
Wenn ein Mensch einsam und mittellos stirbt, kann es passieren, dass nach seinem Tod keine sichtbare Spur von ihm bleibt. Nicht einmal sein Name. So ist das bei den Urnentiefengräbern auf dem Stader Geestfriedhof. Die Linke findet das unwürdig.
Stade. Menschen, die am Ende ihres Lebens allein sind, bleiben es oft auch bei der Beerdigung. Wer arm und ohne Angehörige stirbt, wird zum sogenannten Bestattungsfall: Die Kommune übernimmt die Kosten für Einäscherung und Beisetzung. Dabei sollten Art und Ort der Bestattung dem Willen der verstorbenen Person entsprechen. Doch oft ist dieser Wille nicht bekannt. In Stade wird die Urne in diesem Fall anonym auf dem Friedhof Geestberg beigesetzt. „Drei Urnen übereinander, namenlos, unter Rasen“, beschrieb es Linke-Ratsherr Tristan Jorde kürzlich im Ausschuss für Feuerwehr, Sicherheit und Ordnung.
Der Rat der Hansestadt Stade hatte im Dezember 2021 beschlossen, die Gebühr für diese Form der Bestattung um 26 Euro zu reduzieren. Hintergrund war die Erwartung zunehmender anonymer Bestattungsfälle im Krematorium Stade. Bis dahin waren sie anschließend meist einem Friedhof in der Wingst zugeführt worden, den Stade nun um 5 Euro unterbot, in der Hoffnung, dass sie künftig dem städtischen Friedhof Geestberg zufallen würden.
Menschenwürde gilt auch für Verstorbene
Die Verstorbenen ohne Namen beizusetzen, komme fast einem „Verscharren“ gleich, findet die Stader Linke-Fraktion. „Menschen, die aus welchen Gründen auch immer am Rande der Gesellschaft leben, sollen Anspruch auf Würdigung haben“, heißt es in einem Antrag, mit dem sie fordert, die Urnen mit Namen beizusetzen, beispielsweise einer Gravur auf einem Stein oder einer Stele am Rande des Gräberfelds. Dabei beruft sich die Linke auf die Menschenwürde, auf Artikel 1 des Grundgesetzes, aber auch auf den christlich-humanistischen Glauben: Für ein würdiges Begräbnis sei es zwingend notwendig, dass Vor- und Zuname auch für die nachfolgende Generation erkennbar bleiben - es sei denn, es liege ein gegenteiliger Wunsch vor.
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„Wenn wir wissen, dass sich jemand eine bestimmte Bestattungsform gewünscht hat, halten wir uns daran“, sagt Stadtrat Carsten Brokelmann. 2023 habe es 120 anonyme Bestattungen gegeben, davon 23 Amtsbestattungen. Im Schnitt lägen die Kosten bei 1500 Euro, mit Namen und Pflege seien es etwa 2000 Euro. Bevor über den Antrag entschieden wird, wollen sich die Fraktionen noch einmal beraten.
Der Name würdigt den Menschen über den Tod hinaus
Auf dem Horstfriedhof der evangelisch-lutherischen Kirche in Stade gibt es keine anonymen Bestattungen. Auch bei einer Urnenbestattung unter Rasen bleibt der Name des Verstorbenen auf einer Stele zu lesen. Aus gutem Grund, erklärt Pastor Volker Dieterich-Domröse. Mit dem Namen werde ein Mensch individuell gewürdigt, auch über den Tod hinaus. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“ ( Jesaja 43, Vers 1) - das ist nur eine von mehreren Bibelstellen, die dem Pastor dazu gleich einfallen.
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Es sei wichtig, über Bestattungswünsche zu sprechen: „Denen, die von anonymer Bestattung sprechen, geht es gar nicht um die Anonymität, sondern darum, nicht mit Grabpflege zur Last zu fallen.“ Ihm ist es auch wichtig, klarzumachen, dass die Möglichkeit einer Trauerfeier in der Kirche immer besteht, auch, wenn es keine Angehörigen gibt. Das ermögliche zum Beispiel Nachbarn, sich zu verabschieden: „Dafür fallen keine Kosten an.“