TGewaltherrschaft: So erinnert Stade an Wladislaw Steciuk und andere NS-Opfer

Wladislaw Steciuk. Foto: NLA ST, Rep. 274 Stade, Nr. 4998
Auch auf dem Friedhof in Campe werden am Tag der Befreiung wieder Blumen für die NS-Opfer niedergelegt. Die Grabstelle zeugt vom Rassenwahn der Nazis.
Stade. Ein überparteiliches Bündnis demokratischer Kräfte ruft seit 2015 auf, Blumen am Jahrestag der Befreiung an den Gräbern und Gedenkorten von Opfern des Nationalsozialismus niederzulegen.
In diesem Jahr wird es am Donnerstag, 8. Mai, gemeinsame Blumenniederlegungen in der Stadt Buxtehude (18.30 Uhr; Friedhof Ferdinandstraße) und in der Stadt Stade geben, wo zwei Treffen stattfinden: um 17 Uhr am Garnisonsfriedhof an den Gräbern französischer Opfer und um 18 Uhr am Eingang zum Camper Friedhof.
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In Campe erinnert ein Gedenkstein mit einer Tafel an die ab 1943 in der Stadt Stade verstorbenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Diese wurden bis 1943 in Reihengräbern auf dem Horstfriedhof begraben. Doch das missfiel den Nazis, allen voran dem NSDAP-Kreisleiter und der NSDAP sowie dem Rat und der Verwaltung.
Die Bestattung von Deutschen, Engländern, Franzosen und „fremdländischen Zivilarbeitern“ auf dem Horstfriedhof lehnte sie ab. „Das Volksbefinden wird durch diese Art der Bestattung verletzt. Es muss deshalb schnellstens eine andere Lösung getroffen werden“, heißt es in einer Vorlage für die Ratssitzung vom 15. März 1943.
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Wenig später teilte der Bürgermeister der Kreisleitung der Partei mit, dass „für ausländische Zivilarbeiter ein Platz auf einem städtischen Grundstück in der Nähe des Camper Friedhofes“ bestimmt worden sei. Das Gelände lag außerhalb des Friedhofs.
Im Vorgriff auf den Ratsbeschluss wurden hier am 12. März die ersten polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter sowie ihre Kinder beerdigt, so der frühere Stader Stadtarchivar Jürgen Bohmbach. Lungen-Tbc, Entkräftung, Ernährungsstörung und Totgeburt werden als Todesursache genannt.
Stadt hat Gedenktafel nicht aufgestellt
Der Begräbnisplatz wurde nach dem 8. Mai 1945 für die in Stade bis 1946 verstorbenen Displaced People benutzt. Der ursprüngliche Gedenkstein erinnerte an 71 Tote.
Er wurde 1974 ersetzt durch einen Gedenkstein mit der Inschrift: „Den hier ruhenden 62 Opfern des Krieges 1939 - 1945 zur Ehre“. Bei einer Gedenkveranstaltung der Stadt Stade und des Landkreises Stade wurde am 8. Mai 1995 eine Bodenplatte mit den Namen aller Toten vor dem Gedenkstein niedergelegt.

Blick auf den Gedenkstein mit der Namenstafel der auf dem Friedhof in Campe begrabenen Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Foto: Vasel
Auf dieser steht: „Hier ruhen 71 Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 24 zur Zwangsarbeit verpflichtete Frauen und Männer sowie 47 Kinder aus Polen, Russland und der Ukraine, verachtet und entrechtet, gestorben 1943-46“.
Ein einstimmiger Beschluss des Stader Stadtrates vom 19. Dezember 2022, eine Geschichts- und Erinnerungstafel am Rande des Gräberfeldes aufzustellen, „wurde bis heute nicht umgesetzt“, kritisiert der Experte für die NS-Unrechtsherrschaft an der Unterelbe, Michael Quelle aus Stade. Der Begräbnisplatz befindet sich heute innerhalb des Friedhofes.
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Auf der Gedenkplatte steht auch der Name vom Wladislaw Steciuk. Seit dem Mai 1942 musste er Zwangsarbeit in Breitenwisch leisten, da war er gerade 16 Jahre alt. Er wurde im Januar 1945 im Landgerichtsgefängnis Stade von der Gestapo Stade in Polizeihaft genommen und wurde von dort in das Arbeitserziehungslager Hamburg-Wilhelmsburg gebracht. Aus diesem kam er krank und entkräftet wahrscheinlich im März 1945 zurück.
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Wladislaw Steciuk starb nach der Befreiung am 16. Mai 1945 im Stader Krankenhaus an offener Lungen-Tbc. Rund 8500 Zwangsarbeiter waren im Zweiten Weltkrieg in den Landkreis Stade verschleppt worden. Mangelernährung, fehlende ärztliche Versorgung, Rassenhass und Willkür bestimmten ihr Leben.
Weitere Infos: www.8-mai-stade.de

Wladislaw Steciuk. Foto: NLA ST, Rep. 274 Stade, Nr. 4998
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