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Mehrwertsteuer

TWird Essengehen jetzt zum Luxus? Was Gastronomen aus dem Kreis Stade dazu sagen

Engin Gül, Betreiber des "Gül Gemüse Döner", rasiert in seinem Geschäft in Dollern einen Döner-Spieß.

Elgin Gül, Betreiber des „Gül Gemüse Döner“, bei der Arbeit. Foto: Anping Richter

Ob Döner-Grill oder Landgasthof: Seit Jahresbeginn wird auf Speisen im Restaurant wieder der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent fällig. Wird Essengehen jetzt teurer? Nicht unbedingt, wie Gespräche mit Gastronomen aus dem Kreis Stade zeigen.

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Von Anping Richter
Dienstag, 30.01.2024, 19:01 Uhr

Landkreis. Seit Anfang des Jahres kostet das Jägerschnitzel mit Beilagen im „Vier Linden“ in Stade 22,10 Euro. „Ich habe die Preise im Restaurant zum 1. Januar zwischen 16 und 20 Prozent erhöht“, erklärt Gastronom Lutz Feldtmann. Er ist auch Vorsitzender des Dehoga im Kreis Stade. Die Rückkehr von 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen im Restaurant, die wegen Corona- und Ukraine-Krise vorübergehend abgesenkt worden war, war ein Grund für die Preiserhöhung.

Aber nicht der einzige: Fleisch und Fisch seien um 30 Prozent teurer geworden, Gemüse um 20 Prozent. Feldtmann und seine Mitstreiter hatten dafür gekämpft, den reduzierten Satz beizubehalten. Sie hoffen noch immer, ihn zurückzubekommen, weshalb der Dehoga sich dem Protest der Landwirte angeschlossen und bei der Großdemo am 15. Januar in Berlin Präsenz gezeigt hat.

Für 69 Prozent ist Essengehen Luxus

Ein Streik steht nicht an und würde den Gastronomen kaum nützen: Auswärts zu essen ist für die meisten Luxus. Laut einer NDR-Umfrage, an der sich im September 2023 mehr als 15.000 Personen beteiligten, gilt das für 69 Prozent. Bei Menschen mit Kindern im Haushalt sind es sogar 78 Prozent. Manche Ökonomen finden die Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer deshalb richtig. Ihr Argument: Die Senkung kam vor allem Besserverdienenden zugute. Bund und Länder schätzen, dass sie durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent 3,6 Milliarden Euro pro Jahr weniger eingenommen haben.

„Mir ist bange um die ländliche Gastronomie“, sagt Feldtmann. Restaurants, Cafés und Kneipen seien die Wohnzimmer der Dörfer, soziale Treffpunkte. Seine Kunden hätten größtenteils verständnisvoll auf die Preiserhöhung reagiert. Doch wer vor allem junge Familien zu seinen Kunden zähle, bemerke die Einschnitte.

Kampfpreis gegen die Flaute: 5 Euro pro Döner

Junge Familien gehören zu den typischen Kunden von Engin Gül. Unter dem Namen „Gül Gemüse Döner“ betreibt er je einen Imbiss in Stade, in Dollern und in Buxtehude. Er sagt: „So schlimm wie jetzt war es noch nie.“ Er hat die Preise Anfang des Jahres nicht erhöht. Doch die Kunden bleiben trotzdem weg: „Früher haben wir Geld verdient. Im Moment geht es nur noch darum, ob wir das Geschäft behalten können.“ Er wirbt mit Aktionstagen und Kampfpreisen. 5 Euro pro Döner - eigentlich müsste das ziehen. „Aber die Leute haben kein Geld“, sagt Gül. Gäste, die zwei, drei Mal pro Woche kamen, lassen sich nur noch einmal im Monat sehen. Wegen der Spritkosten überlege er sogar, das Liefern aufzugeben, obwohl die Mehrwertsteuer dort bei sieben Prozent geblieben ist. Auch die Stromkosten seien gestiegen: „Ich arbeite viel. Ich kämpfe, aber wie lange noch?“

Gastronom Mojtaba Abadi in seinem Restaurant "Amadeus" in Buxtehude.

Mojtaba Abadi vom „Amadeus“ in Buxtehude hat die Preise auf der Speisekarte nicht erhöht. Foto: Anping Richter

Auch Mojtaba Abadi, Geschäftsführer des „Amadeus“, sagt, dass er noch nie einen so ruhigen Januar erlebt hat. Das Restaurant in Buxtehudes ältestem Steinhaus hat 170 Sitzplätze, mit Außengastronomie sogar rund 250. Die Speisekarte in dem bei Familien beliebten Restaurant reicht von der kleinen Pizza Margherita für 5,50 Euro bis zum Filetsteak vom Grill für 27,90 Euro. Abadi hat die Preise zum Januar nicht erhöht. Das könne er seinen Kunden nicht antun, zumal es letztes Jahr eine kleine Erhöhung gab. Nur der Mittagstisch soll acht Prozent teurer werden. „Ich kämpfe zurzeit mit meinen Lieferanten, damit sie mir etwas entgegenkommen“, sagt Abadi.

Personalmangel und die Neigung zu Schwarzarbeit

Er setzt außerdem auf Musik und veranstaltet an jedem dritten Freitag Live-Konzerte. Das komme gut an. Als Gastronom erfolgreich zu sein, werde immer herausfordernder, sagt Abadi. Das „Amadeus Feine Kost“, das er in der Corona-Zeit in der Ritterstraße eröffnete, musste er trotz hoher Investitionen in den Innenausbau aufgeben. Es steht leer, er hofft, es vermieten zu können. Eine Herausforderung sei es auch, Personal zu finden. Im „Amadeus“ arbeiten 65 Personen, die Hälfte in Vollzeit. Abadi könnte mehr gebrauchen: „Aber die meisten, die anfragen, wollen nur schwarz arbeiten.“

Robert Seir vom „Hollerner Hof“ kalkuliert jetzt genauer - aber auch er hat die Preise nicht erhöht.

Robert Seir vom „Hollerner Hof“ kalkuliert jetzt genauer - aber auch er hat die Preise nicht erhöht. Foto: Anping Richter

Robert Seir, der als Österreicher ein Restaurant im Alten Land betreibt, hat eine andere Sicht der Dinge: „Deutschland hat die günstigsten Lebensmittelpreise in ganz Europa.“ Der Chef des Hollerner Hofs räumt ein, dass vieles - Strom, Lebensmittel - teurer geworden sei, gibt aber zu bedenken: „Es geht auch um die Wertschätzung von Lebensmitteln. Da hakt es total.“ Für das Auto hätten viele Geld, doch Essen solle fast nichts kosten. Andererseits wolle er seinen Kunden gegenüber ehrlich bleiben. „Ich weiß von keinem, der die Preise gesenkt hat, als die Mehrwertsteuer gesenkt wurde“, sagt er. Aber manche Kollegen hätten letztes Jahr erhöht und täten das jetzt gleich wieder.

Seir will die Speisekarte anpassen, bei dem einen oder anderen Gericht den Salat weglassen, wo er nicht notwendig ist. Und „den Wareneinsatz optimieren“, sprich: Beim Schnitzel, das hier der Renner ist, künftig genauer abwiegen. „Wir warten ab und sehen, wie das läuft“, sagt Seir. Im „Hollerner Hof“, der Feiern für bis zu 120 Personen anbietet, habe das Jahr gut angefangen: „Wir sind zufrieden und schon ganz gut gebucht.“

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