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Geburt

TWo Eltern von Sternenkindern sich gegenseitig Halt geben

Freuen sich, dass es in Rotenburg nun eine Sterneneltern-Gruppe geben wird (von links): Anika Blum, Lisa Deyke, Lisa Kelm, Ina Helwig, Inga Lohmann und Meike Szemjonneck.

Freuen sich, dass es in Rotenburg nun eine Sterneneltern-Gruppe geben wird (von links): Anika Blum, Lisa Deyke, Lisa Kelm, Ina Helwig, Inga Lohmann und Meike Szemjonneck. Foto: Heitmann/Kreiszeitung

Wenn ein Kind vor, während oder kurz nach der Geburt stirbt, ist das für die Eltern oft traumatisch. In Rotenburg haben Betroffene jetzt eine Gruppe gebildet, in der sie offen über das Thema reden können.

Von Holger Heitmann Montag, 09.06.2025, 13:50 Uhr

Rotenburg. Zehn Jahre lang war Ina Helwig beim Familienverein Simbav tätig, als dort 2020 eine Frau erzählte, dass sie eine Sternen-Mama sei. Ihr Kind war in der 20. Schwangerschaftswoche gestorben. Sie ist beileibe kein Einzelfall, wie sie erfuhr. So gibt es Statistiken, wonach jede zehnte Frau in Deutschland ihr Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verloren hat.

Seitdem verfolgte Helwig die Idee, das Thema bei Simbav in Rotenburg anzudocken. Für die Umsetzung hat sich der Verein Zeit gelassen. Das Thema ist für viele noch ein Tabu, das muss es aber nicht sein, meint Lisa Deyke. Sie ist Mutter eines Dreijährigen und zweier Sternenkinder. Sie gab den Anstoß für eine Sterneneltern-Gruppe, die sich jetzt erstmals getroffen hat.

Sterneneltern spenden sich gegenseitig Trost

Die Ehrenamtlichen, die die Gruppe leiten, sind gleichzeitig Betroffene, neben Deyke sind das Anika Blum und Lisa Kelm. Es gebe viele Themen, über die man in der Gruppe sprechen könne: Die Kinder, deren Geburt und deren Tod, wie man mit seiner Trauer umgeht. Manche haben Rituale, wie jeden Abend eine Kerze anzuzünden. „Es bleibt ein Thema, das Kind bleibt“, sagt Lisa Deyke. Trauer komme in Wellen. Der Austausch unter „Gleichgesinnten“, wie Helwig sagt, könne Trost spenden.

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„Wer möchte, darf seine Geschichte teilen“, sagt Deyke. Von der Diagnose etwa, dass das Kind im Bauch nicht überleben wird, von der Beerdigung oder wie Familien die Geburtstage ihrer Sternenkinder begehen. Wer das nicht möchte, kann einfach zuhören.

Auch das könne helfen, zu erfahren, dass es anderen Sterneneltern ähnlich gehe wie einem selbst. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat. Es soll eine offene Gruppe sein: Man kann kommen oder wegbleiben, je nachdem, wonach einem gerade ist. Wie die Treffen genau ablaufen, werde sich zeigen. „Es kann gelacht werden, es kann geweint werden“, sagt Helwig.

Viele Menschen im Umfeld der Betroffenen reagierten unsensibel oder mit Unverständnis auf Sterneneltern, viele seien sicher auch überfordert. Inga Lohmann von der Trauerarbeit Fidelius, die die Gruppe mit ihrer Expertise begleitet, meint, es sei gut, auch die eigene Unsicherheit im Umgang mit dem Thema zu benennen, die eigene Sprachlosigkeit zu thematisieren. Es gebe kein Richtig oder Falsch, es gebe aber auch kein Universalrezept.

Thema muss kein soziales Tabu sein

Vermeintlich tröstende Worte könnten auch schon mal das Gegenteil bewirken oder falsch ankommen. Wer wirklich helfen will, bietet lieber konkret Unterstützung an, für Sterneneltern, die vielleicht gerade keine Kraft zum Einkaufen haben oder jemanden brauchen, der nur zuhört, rät Lohmann.

Und: Nicht jeder Außenstehende kennt den Begriff der stillen Geburt für eine Tot- oder Fehlgeburt. Dabei könne dieser helfen, eine Sprache zu finden, über das Thema zu reden. Blum, Deyke und Kelm meinen, es müsse kein Tabu sein, es gehe um mehr Verständnis untereinander. Zudem ist es auch ein politisches Thema, wenn es etwa um die gesetzlich vorgesehene Wochenanzahl des Mutterschutzes für Sternenmütter geht.

„Dafür, dass jemand in die Gruppe kommt, ist nicht entscheidend, wann die stille Geburt geschehen ist“, erklärt Meike Szemjonneck von Simbav. Es können auch 70- oder 80-Jährige kommen, die nie wirklich jemanden hatten, um über das Thema zu reden. Auch Paare gemeinsam oder Sternenpapas allein können kommen. Gerade Männer geben ihrer Trauer manchmal wenig Raum, weil sie denken, nach außen hin stark sein zu müssen, berichten die Initiatoren.

Ein Angebot von Eltern für Eltern

„Es ist ein Angebot von Eltern für Eltern, das ist der Simbav-Gedanke“, betont Helwig. Auch Lohmann findet das gut: Das Angebot passe nicht in einen Hospizverein, auch wenn sie ihre Erfahrung in Trauerarbeit gern einbringt.

Für Lisa Deyke ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sie bereit sei, anderen Sterneneltern etwas weiterzugeben. Sie habe irgendwann mal in einer Gesprächsrunde über Kinder das Thema Sterneneltern aufgeworfen. Dazu habe Mut gehört. (rk)

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