Zähl Pixel
Archiv

Polizei geht bei Durchsuchung zu weit

Die Polizei ist nach Ansicht des Landgerichts in Stade und des Oberlandesgerichts in Celle bei einer Durchsuchung des ehemaligen Ausflugslokals Symphonie in Wöhrden am Schwingedeich im August 2014 zu weit gegangen. Eine Berufung wurde nicht zugelassen.

Von Karsten Wisser Dienstag, 11.10.2016, 19:51 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Die Durchsuchung sorgte damals für Aufstehen, weil das ehemalige Ausflugslokal zu diesem Zeitpunkt noch Sitz der Rockergruppe Gremium MC war. Die Sicherheitsbehörden haben der Gruppe, ähnlich wie den Hells Angels, den Bandidos oder vergleichbaren Zusammenschlüssen, eine Nähe zur organisierten Kriminalität nachgesagt.

Geklagt hatte der Symphonie-Besitzer Stöber. Er kaufte das Lokal im Juni 2010 bei einer Zwangsversteigerung für 115 000 Euro, als Vize-Präsident etablierte er dort den Rockerclub. Gleich nach Bekanntwerden des Kaufs hatte es ein breites Bündnis gegen Gremium gegeben, was auch daran lag, dass Stöber sich in der Vergangenheit als Kandidat der rechtsextremistischen NPD zur Verfügung gestellt hatte, ohne deren Mitglied zu sein.

Die Durchsuchungsaktion von Spezialkräften der Polizei aus Oldenburg richtete sich gegen den damaligen Gremium-Präsidenten, der in einem Anbau der Symphonie zur Miete wohnte. Die Polizei durchsuchte fast das gesamte Hauptgebäude und richtete dabei Sachschaden an. Die Wohnung des eigentlichen Beschuldigten wurde aber nicht durchsucht. Unter anderem wurden die große Eingangstür gewaltsam aufgebrochen und weitere Türen beschädigt. Dieses robuste Vorgehen gehört bei Aktionen gegen Rockergruppen zum Standardprogramm der Polizei.

Das Stader Landgericht hatte in seinem Beschluss festgestellt, dass der Anspruch des Klägers auf Schadenersatz im Grundsatz gegeben sein dürfte und hatte einen Vergleich angeregt, in dem Stöber gut 6200 Euro zugesprochen werden. Das Land Niedersachsen hatte diesen Vergleich hinterher wieder kassiert und war vor das Oberlandesgericht gezogen. Die Celler Richter gaben der juristischen Bewertung ihrer Stader Kollegen jetzt erst einmal Recht. Allein der Umstand, dass der Kläger (Stöber) als Vermieter auch Vizepräsident des Rockerclubs und der beschuldigte Mieter dessen Präsident gewesen sei, begründe ebenso wie die gemeinsame Mitgliedschaft noch keinen Grund, dass der Kläger (Stöber) hätte wissen müssen, dass die Wohnung für Straftaten oder die Lagerung von Drogen genutzt würde. Auch die Behauptung, Stöber selbst sei strafrechtlich erheblich in Erscheinung getreten, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Tatsächlich wurde Stöber einmal 2012 wegen Landfriedensbruch zu einer Geldzahlung verurteilt und ist weiter strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Celler Richter kommentierten diesen Hinweis des Landes mit der Frage, was damit konkret gemeint sein soll.

Die Hauptaktion des Einsatzes gegen die Rockerszene gegen den Präsidenten lief in Neuhaus an der Oste. Dort wurde der Gremium-Präsident auch festgesetzt. Gefunden wurden in Neuhaus Anhaftungen von Kokain. Zu einer Anklageerhebung soll es bisher noch nicht gekommen sein. „Das zeigt, dass man uns zu unrecht kriminalisiert hat“, sagt Stöber gegenüber dem TAGEBLATT.

Mit dem Beschluss des Oberlandesgerichtes ist das Verfahren aber noch nicht beendet. Das von der Polizeidirektion Oldenburg vertretene Land Niedersachsen kann bis nächste Woche schriftlich weitere Argumente liefern, um doch noch ein mündliches Verfahren zu bekommen, so die Celler Gerichtssprecherin Jessica Laß. Scheitert das, ist wieder das Landgericht Stade dran, um die Höhe des Schadensersatzes festzulegen. Auch dagegen ist dann wieder eine Berufung möglich. Die Polizeidirektion gab mit einem Hinweis auf das laufende Verfahren keine Stellungnahme ab.

Drogen wurden in der Symphonie bei der Durchsuchung übrigens nicht gefunden. Bei einem anderen Mieter von Stöber wurden Tonträger mit rechtsextremistischen Inhalten gefunden und beschlagnahmt. Zwei Tage nach der Durchsuchung löste sich das Stader Chapter von Gremium MC auf, weil die Mitglieder nach eigener Aussage polizeiliche Maßnahmen gegen ihre privaten Wohnungen befürchteten und nicht mit möglichen Straftaten in Verbindung gebracht werden wollten. Aktuell steht die Symphonie zum Verkauf. Laut Stöber gibt es einige ernst zu nehmende Angebote.

Da sich auch die Mongols in Stade aufgelöst haben und die Gründung eines Buxtehuder Chapters gescheitert ist, gibt es aktuell keine der von der Polizei als gefährlich eingestufte Rockergruppe im Landkreis mehr. Es gibt allerdings in Cuxhaven eine aktive Szene. Dort haben sich die Bandidos etabliert und Ex-Gremium-Leute aufgenommen.

Die Rivalität zwischen Gremium und Mongols fand ihren Höhepunkt in einem brutalen Überfall der Mongols auf die Führungsriege des Stader Gremium-Chapters bei einem Bikertreffen in Freiburg 2014. Sechs Mongols wurden daraufhin zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.