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Rigo Gooßen und der Vergleich mit Uli Hoeneß

Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung: Rigo Gooßen will reinen Tisch machen, wie das gelingt, ist offen.

Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung: Rigo Gooßen will reinen Tisch machen, wie das gelingt, ist offen.

Gegen den Vergleich mit Uli Hoeneß hat er sich immer erfolgreich gewehrt: Zu viel der Ehre, meinte Rigo Gooßen – Steuerberater, Präsident und Mäzen des Fußballklubs Drochtersen/Assel. Doch jetzt muss er dem Vergleich standhalten. Denn wie Uli Hoeneß hat auch Rigo Gooßen eine Selbstanzeige beim Finanzamt gestellt. Dennoch oder deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Aber im Gegensatz zu Hoeneß hat Rigo Gooßen nicht zum eigenen Vorteil gehandelt – die Steuern und Sozialabgaben wurden bei Spielergehältern hinterzogen – und das jahrelang.

Von Wolfgang Stephan Donnerstag, 07.11.2013, 20:00 Uhr

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Rigo Gooßen und der Fall
Rigo Gooßen am Donnerstagmorgen: Zwischen der Bitte um ein Gespräch und der Begegnung in seinem Büro am Stader Hafen lagen nur fünf Minuten. Gooßen wusste, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem er nicht schweigen kann. Dass er im TAGEBLATT-Gespräch dennoch nicht viel gesagt hat, ist dem Verfahren geschuldet: Sein Anwalt hatte ihm geraten, nicht öffentlich Stellung zu beziehen. Nur soviel: „Es stimmt, dass ich im April eine Selbstanzeige beim Finanzamt gestellt habe.“ Dass es dabei um die Modalitäten der Bezahlung seiner Fußballer bei Drochtersen/Assel geht, mochte er nicht verschweigen, wohl aber die Details. Dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, musste er nicht mehr ausdrücklich erwähnen; das hatte Kai Thomas Breas, der Sprecher der Ermittlungsbehörde, dem TAGEBLATT schon bestätigt.
Rigo Gooßen wirkt zerknirscht; er sagt das, was alle in der Branche ähnlich sagen: „Irgendwie haben wir das doch alle gemacht und irgendwie auch in Kauf genommen, dass manches nicht ganz in Ordnung war.“
Was nicht in Ordnung war, prüfen die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt. Nach TAGEBLATT-Informationen geht es im Fall Gooßen weniger um Steuerhinterziehung, als vielmehr um das „Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen“, was nach Paragraph 266/A des Strafgesetzbuches ähnlich wie bei der Steuerhinterziehung mit Geldstrafen und Freiheitsstrafen geahndet werden kann. Die Höhe der Strafe richtet sich nach der Höhe der hinterzogenen Beiträge. Im Falle Gooßen soll es ein sechsstelliger Betrag sein.

Zum Hintergrund:
Rigo Gooßen ist seit fast dreißig Jahren der Macher von Drochtersen/Assel, Vorsitzender, Manager und Mäzen des in der 5. Liga spielenden und derzeit erfolgreichsten Fußballvereins des Landkreises. Auch wenn in der Branche offiziell nicht darüber geredet wird, wissen es viele: In dieser Liga spielt kaum noch ein Spieler ohne Geld. Heute sind die Kicker meist offiziell bei den Vereinen angestellt; in früheren Jahren wurden die Gelder aber gerne direkt oder auf Umwegen so bezahlt, dass wenig Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden mussten. Das rief die Stader Staatsanwälte auf den Plan, die Ermittlungsverfahren gegen den TuS Heeslingen, VSK Osterholz-Scharmbeck und den Lüneburger SK schon im vergangenen Jahr einleiteten – alles Vereine, die in der Klasse von D/A spielten oder spielen und die alle auch im Verdacht der Hinterziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen stehen. Ob diese Ermittlungen Rigo Gooßen zur Selbstanzeige gebracht haben, ist eine nicht unwesentliche Frage, denn seit dem Fall Uli Hoeneß ist bekannt, dass eine Selbstanzeige nur zur Straffreiheit führt, wenn keine Ermittlungen drohen.
Wer wirksam eine Selbstanzeige erstattet, kann nicht bestraft werden, auch wenn er Steuern hinterzogen hat. Mit dem Instrument der Selbstanzeige wird eine sogenannte „tätige Reue“ auch nach einem bereits beendeten Delikt mit Straffreiheit honoriert, ein Phänomen, das es im deutschen Strafrecht sonst nicht gibt. Das Finanzamt leitet ein Ermittlungsverfahren ein und prüft, ob gegen den reuigen Steuerzahler schon ermittelt wurde. War die Tat bereits kurz davor, entdeckt zu werden, ist die Straffreiheit ausgeschlossen.

Die Ermittlungen
Rigo Gooßen hat die Selbstanzeige im April dieses Jahres beim Finanzamt gestellt, drei Monate nachdem die Steueraffäre um Uli Hoeneß bekannt wurde. Die Finanzbeamten prüfen in der Regel die Wirksamkeit; wenn keine Zweifel daran bestehen, wird nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht, was meist die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern bedeutet. Gibt es aber Zweifel an der Wirksamkeit der Selbstanzeige, geht der Fall an die Staatsanwaltschaft, die ein Ermittlungsverfahren einleitet – wie jetzt im Falle Gooßen.
Oder doch ein Fall D/A? Auch wenn Rigo Gooßen deutlich werden lässt, dass er in jedem Falle der Verantwortliche ist und sich seiner Verantwortung nicht entziehen werde, gibt es nach TAGEBLATT-Informationen zwei Ermittlungsverfahren in Sachen D/A mit drei Beschuldigten.
Dabei soll es weniger um Steuerhinterziehung, als vielmehr um das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen gehen. Staatsanwalt Kai Thomas Breas: „Wir gehen davon aus, dass alle diese Vereine ihre Spieler beschäftigt hatten und Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben hätten leisten müssen, es aber nicht alle immer getan haben.“
Und das könnte sich für Rigo Gooßen zum Problem entwickeln, denn die Selbstanzeige und die damit verbundenen Strafverfolgung bezieht sich nur auf eine mögliche Steuerhinterziehung nicht auf das Hinterziehen von Sozialversicherungsbeiträgen.

Was folgt?
Die Ermittlungen gegen die Vereine sind auf unterschiedlichem Niveau. Dem TuS Heeslingen, nach der Neugründung Heeslinger SC beispielsweise droht immer noch die Insolvenz, während in Osterholz-Scharmbeck mit den Sozialversicherungsträgern eine Einigung erzielt wurde. 200 000 Euro müssen nachbezahlt werden – die strafrechtliche Seite wird noch geprüft. Im Fall D/A dauern die Ermittlungen noch einige Monate. Rigo Gooßen hat aber schon Nachzahlungen geleistet. Wie das von den Staatsanwälten bewertet wird, ist völlig offen. Die Hoffnung, dass sich dies strafmildernd auswirken werde, besteht.

Weder Rigo Gooßens Kanzlei noch der Verein D/A werden in ihren Grundsätzen erschüttert.

Der Standpunkt von Wolfgang Stephan
Was Rigo Gooßen von Uli Hoeneß unterscheidet

Klar, der Vergleich drängt sich auf: Beide sind auf ihren Ebenen erfolgreiche Unternehmer, beide stehen für den Erfolg eines Fußballclubs, beide haben Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung gestellt – und beide haben Neider. In Bayern Uli Hoeneß und hier Rigo Gooßen. Und dennoch war und ist es despektierlich, beide Namen im gleichen Zusammenhang zu nennen. Früher für Uli Hoeneß, weil seine Lebensleistung beim FC Bayern nicht mit dem Wirken von Rigo Gooßen im beschaulichen Kehdingen verglichen werden kann.
Und jetzt ist dieser Vergleich unschön für Rigo Gooßen, denn die Anklage gegen Uli Hoeneß hat ganz andere Dimensionen, als das mögliche Vergehen von Rigo Gooßen. Hoeneß wird Steuerbetrug in Millionenhöhe vorgeworfen, zugunsten seines eigenen Vermögens.
Das steht im Falle Gooßen außer Frage: Die Ermittlungen zielen nicht auf eine persönliche Bereicherung, sondern auf sein Finanzgebaren bei seinem Fußballverein. Da bekam der Spieler X beispielsweise nicht die geforderten 800 Euro als Festangestellter, sondern in zwei Zahlungen von zwei Arbeitgebern als zweimal geringfügig Beschäftigter – zum Vorteil des Vereins, der bei diesem Modus weniger Steuern und Sozialabgaben zahlen musste. So oder ähnlich haben das viele Fußballvereine gemacht. Manche machen es heute noch. Legal ist es dennoch nicht.
Natürlich darf vermutet werden, dass ein Uli Hoeneß wusste, dass seine Aktien-Spekulationen in der Schweiz mit deutschem Geld steuerpflichtig sind. Im Falle Rigo Gooßen ist die Sachlage anders, denn da darf es nicht vermutet werden, sondern es ist gewiss, dass er wusste, dass solche Bezahlmodelle nicht legal sind. Denn das unterscheidet die Herren Hoeneß und Gooßen auch: Der eine ist Wurstfabrikant und der andere Steuerberater.
Rigo Gooßen als reuiger Sünder? Zweifellos. Einer, der mit seiner Selbstanzeige das größte Ungemach verhindern wollte. Dazu gehörte auch eine stille Lösung hinter den Kulissen.
Das ist ihm nicht gelungen. Und das ist gut so, denn auch der Fall Gooßen wird Folgen haben. Bei vielen Vereinen, die jetzt endgültig wissen, was sie falsch machen oder gemacht haben.
Zum Märtyrer taugt Rigo Gooßen deswegen aber nicht.

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