Zähl Pixel
Energiewende

TAltländer Grenzstreit: Windkraftpläne der Samtgemeinde Lühe vor dem Aus

Diese Warnschilder stehen im Windpark Agathenburg im Grenzgebiet zum Alten Land.

Diese Warnschilder stehen im Windpark Agathenburg im Grenzgebiet zum Alten Land. Foto: Vasel

Die Samtgemeinde Lühe ist hochverschuldet und hat finanziell kaum Spielraum. Daher waren die Hoffnungen groß, Geld mit Windkraft zu verdienen. Pustekuchen.

author
Von Björn Vasel
Dienstag, 13.05.2025, 05:50 Uhr

Altes Land. Timo Gerke ist enttäuscht. Im Februar 2025 hatte das Landwirtschaftsministerium dem Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe mitgeteilt, dass Windkraft im Randbereich des Alten Landes östlich der A26 möglich sei. Wörtlich hieß es in dem Schreiben: „Sofern Windenergieanlagen außerhalb des Vorranggebietes kulturelles Sachgut des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) errichtet werden, steht das LROP den Anlagen nicht entgegen.“

Die Ministerialen lieferten Landkarten mit. Der Verlauf der Grenze der geschützten Kulturlandschaft war demnach „nicht identisch“ mit der Grenze der Samtgemeinde Lühe, so Gerke. Ein Beispiel: In Hollern könnten demnach in der Nähe der Autobahn rund 18 Windkraftanlagen errichtet werden. Im Vorranggebiet kulturelles Sachgut selbst sind bekanntlich keine sogenannten raumbedeutsamen Eingriffe möglich. Dazu zählen Autobahnen und große Windkraftanlagen. Doch es gibt ein Problem: In der textlichen Festsetzung ist die Grenze des Vorranggebiets identisch mit der Gemeindegrenze. Die Altländer wollten diese planungsrechtliche Frage möglichst schnell klären.

Bürgermeister schaltet Landrat ein

Um Windkraft im Randbereich des Alten Landes zu ermöglichen, schaltete Gerke deshalb Landrat Kai Seefried (CDU) ein. Der Leiter des Amtes für Planung, Klimaschutz und Kultur, Simon Grotthoff, fragte beim Amt für regionale Landesentwicklung (ArL) in Lüneburg nach. Die Lüneburger müssen bei der Übernahme der Festlegungen des LROP in das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) prüfen, ob die Stader die Grenzen korrekt eingearbeitet haben. Das ArL gehört zum Landwirtschaftsministerium.

Blick über die Obstplantagen im Alten Land auf den Windpark Agathenburg an der A26. Der Windpark soll repowert werden, die Anlagen stehen außerhalb des Vorranggebietes Kulturelles Sachgebiet (Altes Land).

Blick über die Obstplantagen im Alten Land auf den Windpark Agathenburg an der A26. Der Windpark soll repowert werden, die Anlagen stehen außerhalb des Vorranggebietes Kulturelles Sachgebiet (Altes Land). Foto: Vasel

Vom ArL gab es jetzt die Mitteilung, dass der textliche Bezug des LROP auf die Gemeindegrenzen der Gemeinde Jork und der Samtgemeinde Lühe „ausschlaggebend ist“. Die abweichende zeichnerische Darstellung des LROP habe nach Auffassung des ArL Gründe, die ausschließlich „in der Lesbarkeit der Planzeichnung liegen“. Das Land habe einen entsprechenden Vermerk angekündigt, bestätigte Kreissprecher Daniel Beneke dem TAGEBLATT.

Lühes Samtgemeindebürgermeister kämpft weiter

Gerke will noch nicht aufgeben. Nach dem von Umweltminister Christian Meyer vermittelten Kontakt ins Agrarministerium von Miriam Staudte (beide Grüne), sei er mit „viel Hoffnung und Zuversicht ins Alte Land zurückgekehrt“. Er habe den Eindruck gehabt, dass - mit Blick auf das Kartenmaterial - die Realisierung von Windenergieprojekten im Bereich entlang der Autobahn „jetzt grundsätzlich möglich sein könnte“. Er sei schwer enttäuscht über das Hin und Her. Das sorge für Unverständnis und Frustration. „So können wir die Energiewende nicht voranbringen“, klagt Gerke.

Die erwarteten Einnahmen aus der Gewerbesteuer hätten den durch hohe Schulden für Pflichtaufgaben wie Kita, Schule und Feuerwehr eingeschränkten Handlungsspielraum der Samtgemeinde und ihrer Mitgliedskommune erhöht: „Es kann doch nicht sein, dass wir uns außer Ganztagsschulen und Freibad nichts mehr leisten können“, legt der Bürgermeister nach. Auch freiwillige Kommunalabgaben der Betreiber und günstigeren Strom für Altländer wären möglich. Windkraft-Geld könnte Obst- und Ackerbauern zusätzliche Einnahmen bescheren.

Altländer setzen weiter auf Einsicht beim Land

Es müsse doch möglich sein, Windenergieanlagen an der A26 zu realisieren. Dieser Bereich sei weder landschaftlich noch kulturell besonders schützenswert. Er appelliert an das Land, die zeichnerische auf die textliche Festsetzung zu übertragen. „Es darf nicht sein, dass das erklärte Ziel Ausbau der Windenergie in der Umsetzung an widersprüchlichen Planungsgrundlagen scheitert“, so Gerke. Investoren stünden bereit. 150 Millionen Euro wollten sie im Randbereich des Alten Landes nördlich der A26 in bis zu 240 Meter hohe Windkraftanlagen investieren. Seit dem Jahr 2022 werben Projektierer dafür.

Die Altländer wollen mit Windkraft ihre leeren Kassen füllen.

Die Altländer wollen mit Windkraft ihre leeren Kassen füllen. Foto: Vasel

Das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) wird bis 2026 überarbeitet. Windenergie-Vorranggebiete sollen ausgewiesen werden. Das Land Niedersachsen hatte die welterbewürdige Kulturlandschaft im Jahr 2022 im Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) zum Vorranggebiet kulturelles Sachgut erklärt. Spuren der Holler-Kolonisation des 12./13. Jahrhunderts sind hier bis heute sichtbar. Dafür hatte sich der Kreis mit der Samtgemeinde Lühe und der Gemeinde Jork eingesetzt. Es handelt sich um eine „historische Landschaft von landesweiter Bedeutung“, so das Land. Nur Kleinwindanlagen unter 50 Metern sind möglich.

Die Hürden sind ohnehin hoch. Im Fachbeitrag zum kulturellen Sachgut und RROP kam die KC Kommunalberatung aus Köln im Auftrag des Kreises Stade zum Schluss, dass das Vorranggebiet auf die Umgebung ausstrahle. Demnach sollte einzelfallbezogen geprüft werden, ob die mehr als 200 Meter hohen Anlagen die 13 Altländer Traditionskerne durch ihre kilometerweite Sichtbarkeit zu stark beeinträchtigen. Der Beitrag ist rechtlich allerdings nicht bindend. Der Windpark Agathenburg kann repowert werden.

Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.

Weitere Artikel