TAltländer Juwel in Wöhrden bekommt ein neues Gesicht

Harriet von Sandrart, Malermeister Michael Eckhoff, Denkmalschützerin Kim Sulinski und Dr. Volker Drecktrah von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz bei der Fördermittelübergabe auf Gut Wöhrden. Foto: Vasel
Harriet von Sandrart bewohnt mit ihrer Familie ein Kleinod in Wöhrden. Es zu erhalten, ist ihr eine Herzensangelegenheit. Dafür bekommt sie nun Unterstützung.
Wöhrden. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz unterstützt die Sanierung der Fassade des Gutshauses Wöhrden in Twielenfleth. Ortskurator Dr. Volker Drecktrah hat am Dienstag den Fördervertrag an Harriet von Sandrart übergeben. Diese hütet ein Kleinod.
Das 1842 erbaute Gutshaus liegt am Schwingedeich in Wöhrden. Der Name steht für die Pluralform von Wurt. Wöhrden ist einer der ältesten Ortsteile Twielenfleths, erstmals wurde die auf hohem Marschland gelegene Siedlung im Jahr 959 urkundlich erwähnt.
Dieser Teil des Alten Landes war bereits vor der Holler-Kolonisation ab Mitte des 12. Jahrhunderts in sächsischer Zeit besiedelt. Das lässt sich bis heute an der unregelmäßigen Aufteilung der Flurstücke nachweisen.
Die Lage auf einer Wurt bot Schutz - insbesondere bei Sturmfluten. „Das Haus stand einst im Außendeichbereich“, sagt die Denkmaleigentümerin Harriet von Sandrart, die das Haus mit ihrer Familie bewohnt. Nach dem Abbruch wurde das Material von der Wurt jenseits des Schwingedeichs transportiert, um das Haus an dem heutigen Standort neu zu errichten.
Die Altländerin ist eine geborene Kolster. Der Name ist eng mit der Geschichte der Hofstelle verbunden. Die Kolsters werden ab 1400 als Landbesitzer im Kirchspiel Twielenfleth aufgeführt.
Wurzeln des Guts reichen zurück ins Spätmittelalter
Ins Licht der Geschichte trat das Gut Wöhrden im Jahr 1333. In einer alten Urkunde wird Johann von Wöhrden (curia Johannis de Worden) als Eigentümer aufgeführt. Von 1402 bis 1727 war der Gutshof im Besitz der Familie Schacht. Im Jahr 1829, so heißt es in den Akten im Staatsarchiv, habe der Gutsbesitzer Jacob von Stemmen aus Wöhrden das benachbarte Rittergut Melau erworben.
Die prunkvolle Spindeltreppe aus dem 17. Jahrhundert von Gut Melau, 1892 im Leibnitz-Haus in Hannover eingebaut, wurde bei einem Luftangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach dem Tod des Gutsherrn ging es in den Besitz seines Schwiergersohns Claus Kolster über, der es gemeinsam mit Gut Wöhrden bewirtschaftete. 1878/1907 wurden Teile der Güter vereinigt. Die Kolsters bewahrten das Kleinod in Wöhrden.

Blick auf das Gut Wöhrden mit seiner Parkanlage. Foto: Vasel
Ortsumgehung sorgt für Ende des Obstbaubetriebs
Obstbau und Rinder-, Schweine- und Pferdezucht waren wichtige Standbeine des Betriebs. Dieser musste nach dem Bau der Ortsumgehung um die Jahrtausendwende aufgegeben werden, 2008 endete die Pferdezucht.
Bis heute ist das Wappen der Wöhrden-Kolster mittig im Zwerchgiebel zu sehen: gekreuzte Pferdeköpfe. Die Ersatzflächen lagen weit weg bei Agathenburg, so Harriet von Sandrart. Zeitweise zählte im 19./20. Jahrhundert auch eine Ziegelei mit eigenem Anleger an der Symphonie zum Gut Wöhrden.
Erhalt des Kleinods ist der Familie eine Herzensangelegenheit
Heute bewahrt Harriet von Sandrart das denkmalgeschützte Ensemble mit Gutshaus und Scheune und einem Park in Wöhrden 19. Die Ballettlehrerin ist mit dem NATO-General Jürgen-Joachim von Sandrart verheiratet, Kommandeur des Multinationalen Korps Nord-Ost in Stettin in Polen. Für die Familie ist der Erhalt des klassizistischen Baudenkmals von 1842 eine Herzensangelegenheit. Geplant ist die Sanierung der Fassade.
Das Gerüst steht bereits. In Abstimmung mit Kim Sulinski vom Kreis-Denkmalamt ist die Wahl „auf ein helles Gelb gefallen“, sagt der Malermeister Michael Eckhoff aus Ahrensmoor. Es ist als Spezialist für Denkmäler norddeutschlandweit aktiv.

Blick in die Akte des Kreis-Denkmalamts: Im Jahr 1939 wurde das Guthaus in Wöhrden in der Gemeinde Hollern-Twielenfleth aufgestockt, das Foto zeigt den ursprünglichen Bau von 1842. Foto: Vasel
Der teilunterkellerte Putzbau mit seinem pfannengedeckten Walmdach steht auf einem Natursteinsockel. Im Jahr 1939 wurde das Gutshaus aufgestockt. Die zweistöckige, streng symmetrische und von der Straße einsehbare Hauptfassade mit zentralem Zwerchhaus mit Dreiecksgiebel, Portal und Freitreppe - Architekten sprechen von einem Mittelrisalit - ist langgestreckt. Die Gartenseite des Gutshauses ist weniger aufwendig gestaltet. Die Wöhrdener Wettern fließt nördlich des Parks mit seinen teils 200 Jahre alten Bäumen vorbei.
„An der Erhaltung des klassizistischen Gebäudes besteht aus geschichtlichen und städtebaulichen Gründen wegen des ortsgeschichtlichen, gebäudetypischen, orts- und hofbildprägenden Zeugniswerts ein öffentliches Interesse“, heiß es im Denkmalatlas des Landes Niedersachsen.
Deutsche Stiftung Denkmalschutz im Boot
Dr. Volker Drecktrah, Ortskurator Stade der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD), übergab den symbolischen Fördervertrag in Höhe von 40.000 Euro für die Fassadensanierung am Dienstag an die Denkmaleigentümerin. Das Haus gehöre nunmehr zu den mehr als 520 Objekten, die die private DSD dank vieler Spenden und der Mittel aus der Lotterie Glückspirale allein in Niedersachsen fördern konnte, sagt der pensionierte Richter.
Zum Ensemble gehört ein weiteres Kleinod: eine typische Altländer Scheune. Diese werde laut Dr. Drecktrah in die Mitte des 19. Jahrhunderts datiert. Der Bau sei 1937 zum Obstlager umgebaut worden. Dazu sei die Scheune erhöht und mit torfgedämmten Außenwänden versehen worden. Inzwischen ist sie der letzte mit Reet gedeckte Bau in Wöhrden. Das gehört bis heute zur evangelisch-lutherischen Kirche St. Wilhadi in Stade. Deshalb wird der Weihnachtsgottesdienst auf dem Gut gefeiert.

Zeitreise: Blick auf das Gutshaus Wöhrden vor 1939. Foto: Kolster