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Seniorenbeauftragte

TBald ist Schluss: Horneburgs junge Seniorenbeauftragte gibt ihren Posten ab

Sarah von Bargen sitzt auf einem Stuhl an einer Treppe im Mehrgenerationenhaus in Horneburg.

Horneburgs Seniorenbeauftragte Sarah von Bargen empfängt einmal monatlich Senioren im Mehrgenerationenhaus. Foto: Thies Meyer

Sarah von Bargen hört als Seniorenbeauftragte in Horneburg auf. Die 33-Jährige zieht Bilanz und erzählt, was junge und alte Menschen voneinander lernen können.

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Von Thies Meyer
Dienstag, 11.11.2025, 13:50 Uhr

Horneburg. Das Mehrgenerationenhaus: der Ort, an dem Horneburgs Seniorenbeauftragte Sarah von Bargen (33) sich an jedem letzten Donnerstag im Monat mit Senioren zusammensetzt. Es ist ein Ort der Begegnung, der das Miteinander unterschiedlicher Altersgruppen fördern soll.

Der Ort könnte passender nicht sein für ihr Ehrenamt. Denn mit ihren Sprechstundengästen redet sie auch darüber, dass es zwischen Jung und Alt nicht immer harmoniert.

Von Bargens Weg zum Ehrenamt

2020 entschied sich Sarah von Bargen, Senioren in und um Horneburg freiwillig und unentgeltlich in ihrer Freizeit zu helfen. Für die Juristin, die für den Landkreis Stade arbeitet, ist die Arbeit mit mehr als doppelt so alten Menschen das zweite Ehrenamt bei der Samtgemeinde.

Zuvor hatte sie im Mehrgenerationenhaus auf Kleinkinder aufgepasst, während deren Eltern einen Deutsch- und Integrationskurs besuchten. Als sie für ihr erstes Jura-Staatsexamen paukte, war die Kinderbetreuung ein Ausgleich. Seniorenbeauftragte wurde sie während des zweiten Staatsexamens.

„Ich und meine Partnerin können nicht mehr, an wen können wir uns wenden?“ Diese ist eine der häufigsten Fragen, die die gebürtige Harsefelderin in der Sprechstunde oder am Telefon beantworten muss. Sie füllt zusammen mit Senioren Wohngeldanträge aus, informiert sie über Renten- und Pflegeleistungen sowie Seniorenangebote.

Doch sie ist nicht nur Ratgeberin, sondern auch Kummerkasten. Mit den Senioren spricht sie zudem über Generationenkonflikte. Verstehen sich die jüngeren und älteren Generationen nicht mehr so gut in einem Deutschland, das altert und wo Jung und Alt unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben und die Welt haben?

Offline statt online sein

Das Miteinander könnte besser sein, schätzt von Bargen ein. Ihr fehle das „Generationen-Übergreifende“. In ihren Sprechstunden und Telefonaten nimmt sie bei Senioren oft das Gefühl der Einsamkeit wahr.

Einerseits fühlen sich viele allein, weil ihre Kinder und jüngeren Verwandten autonom leben wollen. Von Bargen selbst wohnt mit ihrem Mann neben ihren Schwiegereltern. Es sei wichtig, im Alter Kontakte zur Außenwelt zu pflegen.

Ein Senior und eine Senioren sitzen auf einer Bank ud schauen in die Natur.

Von Bargen schätzt an Senioren die Kontaktfreude, die zum „schönen Weltbild“ der älteren Generationen gehöre. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa (Archiv)

Das tun ihre kontaktfreudigen Gegenüber. Senioren treffen Senioren. Das kann sich Jung von Alt abschauen: Weniger in der virtuellen, mehr in der echten Welt existieren. „Was wir an digitalen Vorteilen genießen, ist schön. Aber manchmal vergisst man, einfach zu leben, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und füreinander da zu sein“, sagt von Bargen.

Senioren beichten auch Privates

Ältere brauchen häufig die Hilfe anderer Menschen, um ein gutes Leben zu führen. Ein privates Gespräch überraschte von Bargen und prägte sich ein. Die demente Mutter einer Seniorin wurde im Pflegeheim von ihrem ebenfalls dementen Partner nachts belästigt.

Von Bargens Rat in diesem privaten Gespräch: „Wenn Sie blaue Flecken bei ihrer Mutter bemerken: Bitte, rufen Sie die Polizei.“ Das heißt: Fälle physischer Misshandlungen nicht totschweigen, sondern die Probleme ansprechen - unabhängig davon, ob der Partner aufgrund seiner Demenz straffähig sei.

Für sie als Juristin sei es „vielleicht sonnenklar“ gewesen, was zu tun gewesen wäre. Für die Hilfesuchende war das nicht sonnenklar. Aus Angst, spekuliert von Bargen. Die Juristin kann Ratgeberin und Kummerkasten sein - aber zu handeln und eine Strafverfolgung einzuleiten, sei nicht ihre Aufgabe als Seniorenbeauftragte.

Ob die Frau ihre Bitte beherzigt hat, weiß von Bargen bis heute nicht. Eine weitere Quintessenz aus den Gesprächen mit den Senioren: Jeder ist für sein eigenes Glück verantwortlich.

Nach fünf Jahren ist Schluss

Ihr Aus als Seniorenbeauftragte ist der Zeit geschuldet. Von Bargen will sich auf ihren Beruf konzentrieren und ihr Privatleben genießen - mehr Zeit mit ihrem Mann, für Hobbys und ihr soziales Umfeld. Sie sagt: „Das Ehrenamt nimmt nicht exorbitante Ausmaße an. Aber es ist eine Sache, wo ich sagen kann: Da könnte ich kürzertreten.“

Von Bargen ist bereit, über das Jahresende hinaus ihre Nachfolge zu unterstützen und einzuarbeiten, doch noch hat die Samtgemeinde Horneburg keine gefunden.

Reden und zuhören

Die 33-Jährige sagt, sie habe als Seniorenbeauftragte viel gelernt, das Amt sei eine „unglaubliche Bereicherung“ gewesen. „Als Mensch, der noch nicht in diesem Lebensabschnitt steckt“ habe ihr das Unterstützen älterer Menschen „eine völlig neue Perspektive eröffnet“.

Eine der wichtigsten Lektionen aus den vielen Gesprächen mit den Senioren: „Oft gibt es ihnen sehr viel, einfach nur zu reden und zuzuhören.“

Senioren inspirieren von Bargen mit ihren Lebensweisen. Junge Menschen seien oft aufgeschlossener gegenüber Veränderungen. Das wünscht sich von Bargen manchmal von der älteren Generation. Auch Berufstätige im höheren Alter könnten sich umorientieren, einen neuen Job ausprobieren, das Reisen und neue Kulturen für sich entdecken.

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