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Lessing-Gespräche

TExpertin erklärt, wie Wasser die Demokratie stärken kann

Dr. Rossella Alba von der Humboldt-Universität zu Berlin hielt den Vortrag bei den Lessing-Gesprächen.

Dr. Rossella Alba von der Humboldt-Universität zu Berlin hielt den Vortrag bei den Lessing-Gesprächen. Foto: Vasel

Wasser ist Fluch und Segen. Das hat die Wissenschaftlerin Dr. Rossella Alba von der Humboldt-Universität bei den Lessing-Gesprächen in Jork deutlich gemacht. Sie sagt: Kooperation und Demokratie sind Grundlagen nachhaltiger, gerechter Wassernutzung.

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Von Björn Vasel
Montag, 13.11.2023, 14:15 Uhr

Jork. „Wasser für alle(s)?“, so lautete das Thema von Dr. Rossella Alba vom Geographischen Institut der Humboldt-Uni in Berlin. Für die Wissenschaftlerin ist die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und Natur, lokalen und globalen Prozessen sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft „von grundlegender Bedeutung für eine nachhaltige, gerechte Wassernutzung“. Diese sei eine der „dringendsten Herausforderungen unserer Zeit“, unterstrich die Wissenschaftlerin.

Von Kolumbien über Chile bis nach Venedig

Alba nahm die Altländer mit auf eine Reise über zwei Kontinente. Die erste Station war Kolumbien. Dort steht seit 2015 der El-Quimbo-Mega-Staudamm. Mit Strom aus Wasserkraft konnten die Kolumbianer zum Teil auf klimaschädliche „schmutzige“ Kohle verzichten. Doch Wasser sei nicht grundsätzlich eine saubere Energie, machte Alba deutlich. 8000 Hektar wurden überflutet - vom Wald bis zum Acker. Familien wurden umgesiedelt, zum Teil nicht entschädigt. Bauern und Fischer verloren ihre Lebensgrundlage. Der Bau wirkte sich negativ auf die Natur aus, die Bevölkerung wurde gespalten. Es gebe Konflikte zwischen heimischen Fischern und Betreibern von Aquakulturen. Letztere setzen auf eine Fischart aus Afrika, so dass heimische Arten unter Druck geraten seien. Notwendig sei bei solchen Projekten die Betrachtung der „hydro-sozialen Realität vor Ort“ - sprich die Untersuchung der Auswirkungen auf Mensch und Natur. Die Uni ist vor Ort.

Nächste Station war der Lithium-Abbau in der Atacama-Wüste in Chile. Riesige Vorkommen liegen unter der Salzkruste in konzentriertem Salzwasser. Lithium wird in riesigen Sole-Becken gewonnen. Dafür werde auch Süßwasser benötigt, Indigene in fruchtbaren Anden-Tälern an der Wüste fürchten um ihre Zukunft. Der globale Rohstoff-Hunger habe Auswirkung auf lokale Öko-Systeme. Doch Lithium ist wichtige Ressource der Energiewende, von Windkraft (Stromspeicher) bis Elektromobilität (Batterie). Forschung könne einen Beitrag leisten, um ganzheitliche Lösungen zu erreichen. Davon ist Alba überzeugt.

Letzte Station war Venedig. Dort haben die Italiener fünf Milliarden Euro investiert, um die Lagune vor Sturmfluten mit dem Mose-Sperrwerk aus beweglichen Fluttoren zu schützen. Immer wieder stand das Welterbe meterhoch unter Wasser. Sturmfluten drohen aufgrund des Klimawandels bis zum Jahr 2100 zehn bis 250 Mal im Jahr.

Wissenschaftlerin stößt Diskussion an

Alba löste einen angeregten Gedankenaustausch aus. Auch für das Alte Land ist Wasser zugleich Fluch und Segen. Der Klimawandel macht eine Erhöhung der Deiche notwendig, gleichzeitig läuft das Wasser infolge der Elbvertiefung für die Mega-Schiffe höher auf. Die Brackwasserzone hat sich elbaufwärts verschoben, das gefährdet die Beregnung im Obstbau im Frühjahr und Sommer. Die Industrie verbraucht mehr Trinkwasser, weil Elbwasser nicht mehr zur Kühlung reicht. Peter Rolker vom Unterhaltungsverband fürchtet, dass neue Chipfabriken in Magdeburg und Dresden wegen des Wasserbedarfs das Problem verschärfen werden. Es gelte voneinander zu lernen: von Indigenen den Umgang mit der Natur, von Altländern die gemeinsame Sicherung des Hochwasserschutzes durch Verbände. Sein Appell: Der Diskurs mit Alba soll fortgesetzt werden.

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