TIn der alten Heimat herrscht Krieg, in der neuen Magie an Weihnachten
Geschenkübergabe bei der Familie Kushta in Stade: Andreas Bieswig, Katja Kushta, Udo Feindt, Misha, Dasha und Andriy Kushta. Foto: Meyer
Ein Lego-Weihnachtsgeschenk macht den sechsjährigen Misha Kushta glücklich. Seine Freude macht die Eltern noch glücklicher - denn der 24. Februar 2022 veränderte ihr Leben.
Jork, Stade. Misha Kushta (6) umarmt sein Geschenk. Es ist eingehüllt in goldenes Papier und mit einer roten Schleife verziert. Misha hofft, dass er an Heiligabend seinen Wunsch auspackt: ein Lego-Flugzeug. Im Wohnzimmer hat er ein eigenes Regal voll mit Lego. Ob er sich auf Weihnachten und sein Geschenk freut? Sein breites Grinsen gibt die Antwort.
Misha Kushta schrieb auf seinen Zettel am Wünschebaum in Jork: Lego-Flugzeug. Foto: Meyer
Vareniki und Kutja auf dem Essenstisch
Misha Kushta ist eines von rund 40 Kindern, die sich bei der Aktion „Weihnachten für alle“ vom TuS Jork und der Volksbank Stade-Cuxhaven über ein Geschenk freuen dürfen. Die Aktion richtet sich mitunter auch an bedürftige Kinder.
In den Bankfilialen Jork und Steinkirchen konnten sich Wunscherfüller am Wünschebaum aussuchen, welches Kind sie beschenken wollen. Udo Feindt, Förderkreis-Sprecher der TuS-Fußball-Sparte, fährt an den Tagen vor Heiligabend Hunderte Kilometer, um Geschenk auszuliefern.
Am Familientisch schreibt Katja Kushta (37) mit einem Bleistift auf Karopapier die ukrainischen Wörter „Vareniki“ und „Kutja“. Neben ihr am Tisch sitzen Misha, ihre 16-jährige Tochter Dasha und Mann Andriy (45).
Vareniki sind Teigtaschen mit Füllung und Kutja ist eine Süßspeise aus Weizen und Mohn. Nicht nur ukrainische Traditionsgerichte kommen auf den Essenstisch - „auch ein bisschen Deutsches“, sagt Katja Kushta.
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Das Gespräch wechselt zwischen Deutsch, Englisch und Ukrainisch. Katja Kushta spricht ein bisschen Deutsch, sie übersetzt für ihren Mann Andriy in die Muttersprache. Andriy kann Englisch. Andreas Biesewig, ein Bekannter, übersetzt ins Deutsche. Egal welche Sprache: Alle am Tisch verstehen sich.
Biesewig und Katja Kushta kennen sich durch die Initiative „Ein Herz für die Ukraine“. 2022 wurde diese mit dem Bürgerpreis der Gemeinde Jork ausgezeichnet.
Wenn der Vater an Weihnachten nicht da ist
Was verbinden die Kushtas mit Weihnachten? Katja Kushta versteht die Frage, dreht sich zu ihrem Mann und wechselt ins Ukrainische. Dann übersetzt sie. „Es ist ein Familientag.“ „And magic“, sagt Andriy. Seine Kinder glauben an die Magie von Weihnachten.
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Wenn er in die Augen seiner Kinder schaut: Wenn sie glücklich sind, ist er auch glücklich. Misha und Dasha sehen ihren Vater nicht jedes Weihnachten. Er arbeitet für eine Stader Reederei und ist oft auf hoher See, lange und weit weg von der Familie.
Seine Mutter und sein Schwiegervater leben noch in der Ukraine. Die Familie schickt Süßigkeiten per Paket als Weihnachtsgeschenke - auch, weil die Lebensmittelpreise dort hoch sind. Eine Tafel Milka-Schokolade koste rund drei Euro, so Andriy Kushta.
Kushtas kommen von Odessa über Jork nach Stade
Zweieinhalb Jahre alt war Misha am 4. März 2022, als die Familie nach ihrer Flucht in Jork ankam. Odessa ist die Heimat der Kushtas und war seit dem 24. Februar 2022 russischen Angriffen ausgeliefert.
In Odessa, der Südwest-Millionenstadt am Schwarzen Meer, liegt der wichtigste Hafen und ein wichtiger Wirtschaftsstandort des Landes. Das was Hamburg für Deutschland ist, ist Odessa für die Ukraine.
Raketen rissen die Familie damals aus dem Schlaf. Andriy Kushta sagt: „Als die russische Offensive begann, sind wir um fünf Uhr nachts aufgewacht.“ Während er das erzählt, sitzen Misha und Dasha vor ihm und streicheln über das fuchsrote Fell ihrer Katze Alysycja.
Wenn Andriy Kushta arbeiten musste, passte seine Frau auf die Kinder auf. Einer war immer für sie da. Vier Tage überlegten sie, bis die Entscheidung stand. Die Kushtas gaben das Leben in ihrer Heimat auf.
Andriy Kushta sagte zu seiner Frau: „Wenn wir das Land verlassen, dann zusammen.“ Beide müssten für das Wohl ihrer Kinder sorgen.
In Stade schätzen sie die Ruhe. Hamburg gefällt den Kushtas nicht so gut - „zu laut“. Wann und ob sie wieder nach Odessa zurückgehen? Ungewiss. Vater und Mutter wollen, dass Misha und Dasha sich in Deutschland integrieren.
Familie Patjens schätzt das Zusammenkommen an Weihnachten
Auch Linus Patjens (7) aus Jork bekommt sein Geschenk. „Entweder ein ferngesteuerter Monster-Truck oder eine Spielzeug-Kettensäge“, hofft er. Ihm fällt es schwer, sich bis zur Bescherung zu gedulden, was hinter dem Geschenkpapier auf ihn wartet.

Linus Patjens kann es kaum erwarten, das Geschenk - überreicht von Udo Feindt - noch nicht direkt aufzureißen. Foto: Meyer
Mit seiner Mutter Jacqueline und Schwester Miriam sitzt er am Familientisch seines Wunscherfüllers. Hier, ein paar Straßen weiter, wohnt Claude Borchert. Linus baut gerade eine weitere Bude für den Weihnachtsmarkt aus Lego, den sein Nachbar schon mit seinen Kindern gebaut hat.
Linus lebt mit seinen drei Geschwistern seit fünf Jahren getrennt vom Vater. Heiligabend kommt sein Opa zu Besuch, es gibt Kasslerbraten mit Kartoffeln.
Seine Mutter empfindet Weihnachten als „Fest der Liebe“ und „Fest der Familie, wo alle zumindest an diesem besonderen Tag Zeit zusammen verbringen sollten“.

Miriam und Linus Patjens. Foto: Meyer
An jeder Haustür will Udo Feindt nicht nur Lego-Flugzeuge oder Monster-Trucks übergeben. Freude ist wichtiger als das Materielle. „Es ist schön, die leuchtenden Kinderaugen zu sehen.“
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