TLetzter Sietas-Bau auf Probefahrt: Saugbagger wird zum Millionengrab
Der Saugbagger Osteriff auf der Elbe vor der ersten Probefahrt auf der Nordsee, hier ist das auf der Sietas-Werft und bei Blohm + Voss gebaute Schiff auf Höhe des Lühe-Anlegers zu sehen. Foto: Hauschildt
Steuergeld statt Schlick, das frisst der Saugbagger Osteriff seit 2017. Jetzt hat das letzte Sietas-Schiff seinen Liegeplatz bei Blohm + Voss verlassen - für Probefahrten.
Neuenfelde. Der Sprecher von Naval Vessels Lürssen (NVL), Oliver Grün, hält sich bedeckt. Er verweist auf den Bund. Fakt ist: Der Saugbagger befindet sich auf seiner ersten Probefahrt in der Nordsee, am späten Montagnachmittag hatte sich die Osteriff auf den Weg gemacht. Weitere Fahrten sollen folgen - zum Check der Baggertechnik und zur Einweisung der Crew.
Im Juni 2021 war der Saugbagger still und heimlich auf die zur NVL-Gruppe gehörende Blohm + Voss-Werft im Hamburger Hafen zur Endausrüstung verholt worden. Es war das letzte Schiff der 1635 gegründeten Altländer Traditionswerft an der Este-Mündung. Ohne die Nacht-und-Nebel-Aktion hätte die Osteriff die Werft aufgrund der Verschlickung seinerzeit nicht mehr verlassen können.

Letztes Schiff der Traditionswerft: Die Osteriff verlässt am 1. Juni 2021 abends die Pella Sietas Werft in Neuenfelde auf dem Weg zu Blohm + Voss (Lürssen) in Hamburg durch das Este-Sperrwerk. Foto: Vasel
Ende 2022 hatte der Insolvenzverwalter der Pella Sietas-Werft in Neuenfelde, Dr. Achim Ahrendt, mit der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt des Bundes (GDWS) und Blohm + Voss schließlich einen Vertrag über den Fertigbau des Laderaumsaugbaggers geschlossen. Der war ins Stocken geraten, nachdem Pella Sietas im August 2021 einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Die NVL-Tochter wurde zum Subunternehmer des Insolvenzverwalters von Pella Sietas. Die Indienststellung verschob sich mehrfach. Voraussichtlich im ersten Quartal 2026 soll der Laderaumbagger beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee zum Einsatz kommen, so der Sprecher des Insolvenzverwalters, Christoph Möller, auf TAGEBLATT-Anfrage. Heimathafen werde Wilhelmshaven sein. „Das Haupteinsatzgebiet der Osterriff ist voraussichtlich die Außenjade und die Elbe“, sagt GDWS-Sprecher Dominik Schröder.
Saugbagger stand vor der Verschrottung
Die Pleiten-Pech-und-Pannen-Geschichte hatte 2016 ihren Anfang genommen. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hatte das Schiff bei der 2014 von der russischen Pella Shipyard mit Sitz in St. Petersburg übernommenen insolventen Sietas-Werft im Jahr 2016 in Auftrag gegeben. Ende 2017 fand die Kiellegung statt. 95 Millionen Euro sollte der Bau des 132 Meter langen und 23 Meter breiten Saugbaggers den Steuerzahler kosten. Der Bau stand unter keinem guten Stern.

Die Endausrüstung des Saugbaggers Osteriff fand ab 2021/2022 bei Blohm + Voss in Hamburg statt. Foto: Vasel
Zwischenzeitlich rechnete die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) mit Kosten in Höhe von voraussichtlich 142 Millionen Euro. Im Bundeshaushalt 2022 waren 35 Millionen Euro eingeplant worden, damit Blohm + Voss das Schiff fertigstellen konnte. „Bei einer Aufgabe des Projektes wären die bereits verausgabten 79 Millionen Euro verloren gewesen“, erklärt WSV-Sprecherin Claudia Thoma. Das unfertige Schiff hätte innerhalb der Insolvenzmasse nur noch Schrottwert gehabt. Ursächlich für die Mehrkosten von 47 Millionen sei die Insolvenz, allein 12 Millionen Euro flossen ins Insolvenzverfahren.
Ein Grund: Schon vor der Insolvenz fehlte das Geld in der Kasse für die Endausrüstung, die aufwendigen Installationen der hoch komplexen technischen Einrichtungen an Bord standen aus. Bordanlagen und Schiffsräume mussten in Hamburg bei Blohm + Voss komplettiert werden. Hinzu kam: Die bei Pella Sietas eingebauten Maschinen und Pumpen konnten laut WSV weiterverwendet werden, allerdings mussten diese laut WSV aufgrund der langen Standzeit aufwendig instand gesetzt werden. Gummidichtungen oder Hydraulikschläuche mussten komplett ausgetauscht werden. Der Bund peilte 2023 das Frühjahr 2025 für die Indienststellung an. Offenbar war die Fertigstellung aufwendiger.
Schiffbau-Experte und Steuerzahlerbund warnten
Eigentlich sollte der Hopperbagger bereits 2019 die Fahrrinne auf der Unterelbe von Schlick befreien. 7500 Kubikmeter passen in den Laderaum des Unterwasserstaubsaugers. Bis Anfang 2026 hätte die Osteriff damit rein rechnerisch 41 Millionen Kubikmeter Schlick rausholen können. Diese Aufträge musste der Bund jetzt für viel Geld an Baggerfirmen aus den Niederlanden und Belgien vergeben. Außerdem konnte der Bund den altersschwachen Saugbagger Nordsee (Baujahr: 1978) nicht außer Dienst stellen. Dieser musste in Schuss gehalten werden. Inklusive der Kosten für den Weiterbau, komme die Osteriff dem Steuerzahler teuer zu stehen. Der frühere Technische Leiter beim Wasser- und Schifffahrtsamt, Jürgen Grzeskowiak, geht davon aus, „dass der volkswirtschaftliche Schaden bei 337 Millionen Euro liegen wird“.

Ein Schlepper zieht die Osteriff am Abend des 1. Juni 2021 aus dem Werfthafen in Neuenfelde, der Weiterbau wurde durch die Verschlickung unmöglich. Foto: Vasel
Der Cuxhavener ist ein anerkannter Schifffahrtsexperte, im März 2025 hatte der Cuxhavener mit der Rönner-Gruppe eine Absichtserklärung für den Bau eines Systems aus kleineren Baggern und Baggergut-Transportschiffen unterzeichnet, das die Baggerkosten auf der Elbe halbieren könnte. Er hofft weiter auf Förderung durch den Bund. Der frühere Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), hat sich für den Grzeskowiak-Plan starkgemacht.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hatte übriges bereits 2023 im TAGEBLATT vor dem Weiterbau gewarnt. Vergeblich. Das Schiff kam ins Schwarzbuch des BdSt. Bernhard Zentgraf vom Steuerzahlerbund prophezeite: „Bei der Kostenexplosion wird der Steuerzahler eine Schnappatmung bekommen.“
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