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Beschwerde

TRechtsstreit: Namik Essiz will Hamburg bei der Sietas-Werft ausbooten

Blick vom Elbdeich auf die Sietas-Werft in Neuenfelde mit dem denkmalgeschützten Jucho-Kran.

Blick vom Elbdeich auf die Sietas-Werft in Neuenfelde mit dem denkmalgeschützten Jucho-Kran. Foto: Vasel

Namik Essiz wollte auf der Sietas-Werft die Energiewende vorantreiben, doch der Zuschlag ging an Hamburg. Der Celler ging gerichtlich dagegen vor. Die Hintergründe.

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Von Björn Vasel
Mittwoch, 17.12.2025, 18:00 Uhr

Neuenfelde. Dass der Rechtspfleger Kai Siegfried am 13. November 2025 bei der Zwangsversteigerung der Pella Sietas-Werft im Amtsgericht Harburg der Stadt Hamburg den Zuschlag erteilt hat, will Namik Essiz von der Campus Immobilien-Verwaltungsgesellschaft aus Celle „nicht kampflos“ hinnehmen. Wie berichtet, hatten sich die SZ Vermögensverwaltungs GmbH aus Wien und die Freie und Hansestadt Hamburg im Amtsgericht ein Bietergefecht geliefert.

Namik Essiz von der Campus Immobilien-Verwaltungsgesellschaft kämpft weiter.

Namik Essiz von der Campus Immobilien-Verwaltungsgesellschaft kämpft weiter. Foto: Vasel

Die Österreicher, einst verflochten mit der halbstaatlichen Sberbank of Russia, stiegen aus. Rechtspfleger Kai Siegfried erteilte dem Hamburger Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) bei 20,01 Millionen Euro den Zuschlag.

Unternehmer protestierte bereits bei der Versteigerung

Noch im Gericht protestierte der Celler. Der Rechtspfleger verschob den Beschluss um rund eine Stunde und erteilte Hamburg endgültig den Zuschlag. Essiz und Campus Immobilien legten Widerspruch ein.

Aktuell nutzt ein Umschlagsunternehmen das Werftgelände.

Aktuell nutzt ein Umschlagsunternehmen das Werftgelände. Foto: Vasel

Die Celler wollten an der Este die Energiewende vorantreiben. Eine Idee: Auf dem 14,7 Hektar großen Gelände könnten ein Wasserstoffkraftwerk und Photovoltaikanlagen errichtet werden.

Der Rechtspfleger wies die sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss vom 13. November zurück. Laut Amtsgericht war die Beschwerde „nicht zulässig“. Kernargument: Essiz sei kein Beteiligter beim Zwangsversteigerungsverfahren gewesen, weil er kein Gebot abgegeben und allein Personalien und Schriftsätze zu Protokoll gegeben habe. Das Amtsgericht verwies in seinem Beschluss auf den Standardkommentar von Stöber/Achenbach zum Zwangsversteigerungsgesetz.

Verstoß gegen Anti-Russland-Sanktionen?

Essiz teilt die Rechtsauffassung nicht. Er sprach von Rechtsbeugung und kündigte gegenüber dem TAGEBLATT an, durch alle Instanzen zu gehen. Der Celler legte Beschwerde vor dem Landgericht Hamburg ein.

Blick auf das Werftgelände in Neuenfelde.

Blick auf das Werftgelände in Neuenfelde. Foto: Vasel

„Bei der Versteigerung ist einiges nicht mit rechten Dingen gelaufen“, klagt Essiz. Denn die Österreicher hätten Informationen gehabt, die kein anderer Bieter hatte. Sie hätten den Preis hochtreiben wollen.

Betreibende Gläubigerin war mit der MeSoFa Vermögensverwaltung eine ehemalige Tochter der Sberbank. Die Bank mit Sitz in Wien und in Russland hatte sich Kredite in Höhe von 63 Millionen Euro eintragen lassen, als Grundpfandrecht zu Zinsen von 12 Prozent. Das Geld sollte den Geschäftsbetrieb der im Jahr 2014 von der Pella Shipyard aus St. Petersburg übernommenen Sietas-Werft sichern. Trotz alledem schlitterte die Tochter in Neuenfelde in die Insolvenz. Die Sberbank Europe (Wien) wurde 2022 abgewickelt.

Profitieren die Russen also von dem Zuschlag? Essiz spricht von einem möglichen Verstoß gegen deutsches und europäisches Sanktionsrecht. Es müsse geprüft werden, ob die Sberbank letztlich doch die Geschäfte dieser Gesellschaften steuere und sich Zugriff auf Teile des Versteigerungserlöses verschaffen könnte. Der Rechtspfleger vertritt die Auffassung, dass die betreibende Gläubigerin MeSoFa aus Wien, auch eine Ex-Tochter der Bank und in Liquidation, nicht unter die Anti-Russland-Sanktionen falle.

Essiz kritisiert Gutachten

Damit nicht genug: Für Essiz ist das Verfahren nicht regelkonform abgelaufen. Denn der Vertreter der SZ Vermögensverwaltungs GmbH aus Wien habe unwidersprochen in den Raum rufen können, dass Beschwerdeführer Essiz in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden sollte. Siegfried sei nicht eingeschritten - und habe Essiz‘ Kritik ignoriert. Die Gebote der Stadt seien nicht zu hören gewesen.

Auch Verkehrswert- und Altlasten-Gutachten seien fehlerhaft. Der Verkehrswert lag laut Gericht bei 25,8 Millionen Euro. Laut Umweltgutachten schlummern Altlasten im Boden. Doch Altlasten- und Hochwasserrisiko und die Substanz der sanierungsbedürftigen Hallen seien laut Essiz nicht ausreichend in die Bewertung eingeflossen.

Es regnet durch: Blick in eine Halle der Sietas-Werft in Neuenfelde.

Es regnet durch: Blick in eine Halle der Sietas-Werft in Neuenfelde. Foto: Vasel

Dass die nicht öffentlich beglaubigte Vollmacht der Campus Immobilien nicht akzeptiert worden sei, hält er ebenfalls für „unrechtmäßig“. Kurzum: Für ihn stehe fest, dass die Zuschlagsverkündung für Hamburg durch Siegfried „weiter unwirksam ist“.

Celler scheitert vor dem Landgericht Hamburg

Das sieht das Landgericht Hamburg anders. Die Zuschlagsbeschwerden von Essiz und Campus Immobilien seien am 10./11. Dezember zurückgewiesen worden. Das teilte eine Sprecherin des Landgerichts dem TAGEBLATT auf Anfrage mit. Letztlich waren formale Gründe ausschlaggebend, die anderen Kritikpunkte zählten deshalb nicht. Denn das Landgericht teilte die Bewertung des Rechtspflegers, dass Essiz kein Beteiligter („Bieter“) war. Er habe kein Gebot abgegeben.

Deshalb könne er sich nicht beschweren. Weitere Rechtsmittel gegen den Zuschlagsbeschluss „sind nicht mehr möglich“, nur noch gegen die Festsetzung des Streitwertes.

Das Eigentum an der Werft war bereits mit der Zuschlagserteilung an Hamburg übergegangen. In einer nicht öffentlichen Sitzung wird der Rechtspfleger am Freitag die 20 Millionen Euro an die Gläubiger verteilen. „Hamburg kann mit der Entwicklung des Werftgeländes wie geplant fortfahren“, sagt der Sprecher der Finanzbehörde, Claas Ricker. Die Fläche soll - wie bereits bei Airbus im Mühlenberger Loch - in Erbbaurecht vergeben und als Industriefläche genutzt werden.

Betriebswirt Namik Essiz prüft trotz alledem rechtliche Schritte - unter Verweis auf das Rechtsstaatsprinzip auch eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren bei dieser Zwangsversteigerung: „So was habe ich bei fast 150 Versteigerungen nicht erlebt.“

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