TRückenwind für Bau großer Windkraftanlagen im Alten Land

Sonnige Zeiten Foto: Stratenschulte/dpa
Stillstand seit 2022: Bürgermeister Timo Gerke kämpft für die Windkraft im Alten Land und klagt über den Landkreis Stade. Nun erhält er Unterstützung aus Hannover.
Altes Land. Mehr als 150 Millionen Euro wollten Investoren im Randbereich des Alten Landes östlich der A26 in bis zu 240 Meter hohe Windkraftanlagen investieren. Seit 2022 werben Projektierer für ihr Vorhaben. Doch der Landkreis Stade trat auf die Bremse, klagt Gerke.
Das Problem:
Das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) wird bis 2026 überarbeitet. Windenergie-Vorranggebiete sollen ausgewiesen werden. Damit nicht genug. Niedersachsen hatte die welterbewürdige Kulturlandschaft im Jahr 2022 im Landesraumordnungsprogramm zum Vorranggebiet kulturelles Sachgut erklärt. Schließlich sind Spuren der Holler-Kolonisation des 12./13. Jahrhunderts bis heute sichtbar. Dafür hatte sich der Kreis mit der Samtgemeinde Lühe und der Gemeinde Jork eingesetzt. Es handelt sich um eine „historische Landschaft von landesweiter Bedeutung“.
Energiewende
T Altländer machen sich für Windkraftanlagen an der A26 stark
Das hatte Folgen. Im Vorranggebiet selbst sind keine raumbedeutsamen Eingriffe möglich - wie der Bau weiterer Autobahnen oder großer Windkraftanlagen. Die würden wertgebende Bestandteile oder das Gebiet als Ganzes in seiner Wertigkeit erheblich beeinträchtigen. Im Vorranggebiet sind nur Kleinwindanlagen unter 50 Metern möglich. Im Fachbeitrag zum kulturellen Sachgut und RROP kam die KC Kommunalberatung aus Köln im Auftrag des Kreises des Weiteren zu dem Schluss, dass das Vorranggebiet auch auf die Umgebung ausstrahle. Demnach müsse einzelfallbezogen in visuellen Wirksamkeitsstudien geprüft werden, ob die mehr als 200 Meter hohen Anlagen die 13 Altländer Traditionskerne durch ihre kilometerweite Sichtbarkeit zu stark beeinträchtigen.
Der Protest:
Das wollten die Altländer so nicht hinnehmen. Im Herbst 2024 brachte der Samtgemeinderat eine Resolution auf den Weg. Der Kreis Stade müsse spätestens im neuen Raumordnungsprogramm „gezielt Flächen entlang der Autobahn A26 für die Errichtung von Windkraftanlagen“ ausweisen. Das kulturelle Sachgut dürfe Windkraftanlagen außerhalb des Vorranggebiets nicht behindern.
Der Durchbruch:
Bei der Veranstaltung „Chancen von Kommunen durch den Ausbau der Windenergie“ schilderte Samtgemeindebürgermeister Timo Gerke im Oktober 2024 dem niedersächsischen Minister für Umwelt, Klimaschutz und Energie, Christian Meyer (Grüne), seine Not. Meyer brachte das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zusammen. Die Ministerialen kamen zu dem Schluss, dass das Vorranggebiet nicht auf Marsch, Moor und Geest ausstrahle.

Windkraft ist möglich: Grenzen des Vorranggebiets kulturelles Sachgut (graue Linie) und der Windkraft-Potenzialfläche in Hollern-Twielenfleth, unten verläuft die A26. Foto: Samtgemeinde Lühe
„Sofern Windenergieanlagen außerhalb des Vorranggebietes kulturelles Sachgut des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) errichtet werden, steht das LROP den Anlagen nicht entgegen“, teilte das zuständige Landwirtschaftsministerium jetzt Bürgermeister Timo Gerke mit. Der Verwaltungschef spricht von einem Durchbruch. Auch im Regionalen Raumordnungsprogramm finde sich derzeit keine Vorrangfestlegung kulturelles Sachgut, so dass das RROP „keine Vorgaben entfaltet“.
Allerdings gebe es durch die Festsetzung von Vorranggebieten für Windkraft im Regionalen Raumordnungsprogramm eine Hürde. Außerhalb sind diese zurzeit unzulässig. Doch auch diese Hürde lasse sich nehmen. Es gibt eine Hintertür im Baugesetzbuch. Das Zauberwort: Gemeindeöffnungsklausel: Paragraf 245 eröffne einen Weg, wie die Ausschlusswirkung überwunden werden könne. „Hierzu muss die planende Gemeinde vor der Änderung ihres Flächennutzungsplans oder vor der Aufstellung eines Bebauungsplans für die Windkraftanlagen einen Antrag auf Zielabweichung beim Landkreis Stade stellen“, sagt die Referatsleiterin für Raumordnung im Agrarministerium, Caroline Starnofsky.
Damit stehe Windparks östlich der A26 in Hollern-Twielenfleth, Steinkirchen und Neuenkirchen im Grunde nichts mehr im Wege, so Gerke. Klima, Kommunen, Eigentümer und Bürger würden profitieren. Er verweist auf Gewerbesteuer und freiwillige Kommunalabgabe der Betreiber und günstigeren Strom. Windkraft-Geld könne den tief in roten Zahlen steckenden Mitgliedsgemeinden und der Samtgemeinde Lühe wieder finanzielle Spielräume verschaffen und Obst- und Ackerbauern zusätzliche Einnahmen bescheren.