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Naturschutz

TWeiteres Paradies für Insekten inmitten der Obstplantagen im Alten Land angelegt

Das Land Niedersachsen hat an der Steinkirchener Moorwettern - nördlich des Hinterdeichs - ein Rückzugsgewässer für Wasserorganismen (Refugialgewässer) angelegt.

Das Land Niedersachsen hat an der Steinkirchener Moorwettern - nördlich des Hinterdeichs - ein Rückzugsgewässer für Wasserorganismen (Refugialgewässer) angelegt. Foto: Vasel

Der Pflanzenschutzmittel-Einsatz im gewässerreichen Alten Land ist mit hohen Auflagen verbunden - insbesondere zum Schutz der Wasserorganismen. Für diese müssen bis 2025 größere Rückzugsräume („Refugialgewässer“) geschaffen werden. Es geht voran.

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Von Björn Vasel
Donnerstag, 01.02.2024, 07:35 Uhr

Steinkirchen. Damit die 500 Obstbaubetriebe in der gewässerreichen Marsch an der Niederelbe überhaupt noch wirtschaften können, hatte der Bund im Jahr 2015 die Altes-Land-Pflanzenschutzverordnung für Niedersachsen und Hamburg geschaffen. Dank der Sonderregelung bei den Abständen können die Bauern ihre Pflanzenschutzmittel im integrierten und im ökologischen Anbau weiterhin auch in der Nähe von Gräben einsetzen.

Im Gegenzug mussten sich die Obstbauern (und die Länder mit Blick auf die EU-Wasserrahmenrichtlinie) verpflichten, die Gewässer ökologisch aufzuwerten und die aquatische Durchlässigkeit für Fische und Wasserorganismen zu verbessern. Hinzu kam unter anderem das Pflanzen von Hecken. Außerdem müssen seitdem abdriftgeminderte Hightech-Sprühgeräte eingesetzt werden. Die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs sichert den Mitteleinsatz über das Jahr 2025 hinaus.

Refugialgewässer mit Anbindung an die Moorwettern

Außerdem gab es seinerzeit die nicht in Stein gemeißelte Zielvorgabe, dass zehn Prozent der Gewässer als Rückzugs- und als Reproduktionsräume vor allem für Wasserorganismen dienen sollten. 15 Hektar waren im Gespräch. Mit diesen Gewässern, neuen und bestehenden, soll das „Restrisiko“ für den Pflanzenschutzmitteleintrag in die Gräben und an den Obstplantagen aufgefangen werden. Rund 2000 Kilometer misst das Gewässersystem. Jetzt ist ein weiteres Refugialgewässer geschaffen worden: an der Steinkirchener Moorwettern nördlich des Hinterdeichs.

Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte sich über die landeseigene Niedersächsische Landgesellschaft eine Fläche im Bereich des Entwässerungsverbandes Wetterndorf sichern können. Gemeinsam mit dem Unterhaltungsverband Altes Land und dem Entwässerungsverband konnte der NLWKN 2023/2024 auf einer Fläche von zwei Hektar ein neues Gewässer mit Tief- und Flachwasserzonen sowie einer neu geschaffenen Verbindung zur Steinkirchener Moorwettern schaffen.

Idealer Lebensraum für schützenswerte Wasserorganismen

„Dieses bietet ideale Voraussetzungen zur Entwicklung neuer Lebensgemeinschaften schützenswerter Wasserorganismen“, sagt Volker Rebehn, Leiter der Abteilung Oberirdische Gewässer bei der NLWKN-Betriebsstelle in Stade. Diese sollen den „Ausgangspunkt bilden für eine Wiederbesiedelung weiterer Abschnitte des durch den ausgeprägten Obstanbau unter Druck geratenen Gewässersystems“, sagt Rebehn.

Umweltministerium finanziert Bau

Auftraggeber dieser und ähnlicher, bereits geplanter Maßnahmen sind das Land Niedersachsen und der Unterhaltungsverband Altes Land. Mit der Planung des Vorhabens war das Stader Büro Sweco betraut. Die Bauausführung wurde von der Firma Pape aus Hollern-Twielenfleth übernommen. Finanziert wurde das Vorhaben aus Sondermitteln des Niedersächsischen Umweltministeriums. Insgesamt seien an der Moorwettern 166.000 Euro für die Verbesserung des ökologischen Zustands investiert worden.

Zur Erfüllung der Sonderverordnung müssten auch in anderen Verbandsgebieten ähnliche Gewässer geschaffen werden. „Das Alte Land steht noch am Anfang eines längerfristigen Prozesses“, betont Rebehn.

Zunehmend werden diese Refugialgewässer auch auf privaten Flächen erstellt und finanziert - beispielsweise in Form naturnaher Beregnungsteiche. 1200 Teiche für die Frostschutzberegnung im Frühjahr und die anfeuchtende Beregnung im Sommer gibt es. Der einzelne Betrieb habe dabei den Vorteil einer finanziellen Unterstützung. „Das jetzt abgeschlossene Projekt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es bedarf aber weiterer Initiativen von Obstbaubetrieben und einer Bereitstellung zusätzlicher Flächen durch die Verbände, um die Ziele bei der Schaffung von Refugialgewässern zu erfüllen. Nur so kann eine Erholung für das Gewässersystem der Region erreicht werden“, so Rebehn. Alle auf diesem Wege geschaffenen Refugialgewässer
Ein Schild weist auf das neue Gewässer im Obstbaugebiet hin, im Hintergrund ist der Kirchturm von Steinkirchen zu sehen.

Ein Schild weist auf das neue Gewässer im Obstbaugebiet hin, im Hintergrund ist der Kirchturm von Steinkirchen zu sehen. Foto: Vasel

werden in einer vom Landwirtschaftsministerium geführten Zusammenstellung gelistet.

2021 hatte der NLWKN rund 150.000 Euro investiert und auf einer von dem Entwässerungsverband Estemarsch zur Verfügung gestellten Fläche mit Anbindung an die Moorender Hauptwettern bei Jork ein Refugialgewässer geschaffen.

Ernst Eckhoff, Obstbauer und Vize-Verbandsvorsteher, und Professor Roland Weber vom Obstbauzentrum Esteburg betonen, dass die Betriebe schon viel geleistet hätten. „Die Biodiversität ist im Alten Land hoch und nimmt weiter zu“, sagt Weber. Die Artenvielfalt gebe es nicht trotz, sondern wegen des Obstbaus. Das wachsende Vorkommen geschützter FFH- und Rote-Liste-Arten wie der gefährdete Steinbeißer und der Schlammpeitzger, aber auch räuberischer Libellen
Die Großlibelle „Braune Mosaikjungfer“ zeugt von der Artenvielfalt im Alten Land.

Die Großlibelle „Braune Mosaikjungfer“ zeugt von der Artenvielfalt im Alten Land. Foto: Obstbauzentrum Esteburg/Dr. Wolf

und der Fischotter zeige das. Beide sehen in dem Projekt eine Blaupause für weitere Zusammenarbeit von Obstbau und Naturschutz. Die umliegenden Betriebe werden beim Pflanzenschutz nicht beeinträchtigt, das Jagdrecht gilt weiter (Stichwort Wildverbiss). Weber: „Beide Seiten profitieren.“
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